Hans-Peter-Schiffer-Preis

Kunstpreis in Heidenheim: Julia Vollmers Werk entlarvt KI-Kosten mit einfachen Mitteln

KI, Mensch-Maschine-Interaktion, Überwachung: Die Vergabe des Hans-Peter-Schiffer-Preises widmete sich speziell dem Verhältnis von Mensch und Technologie und den sich daraus ergebenden Fragen.

Vergeben wurde der Preis am Freitag voriger Woche im schwarzen Kubus der Dualen Hochschule Baden-Württemberg im Rahmen der Ausstellungseröffnung „Wie Künstler Technik nutzen – Sechs Positionen interaktiver Kunst“, organisiert vom Heidenheimer Kunstverein. Den Ausstellungsmachern ist es dabei gelungen, bei der Auswahl der Werke die notwendige visuelle Opulenz und spielerische Frische nicht der großen gesellschaftlichen und politischen Bedeutung der verhandelten Themen opfern zu müssen.

Denn es ist nicht wenig Ironie im Spiel in dieser kleinen Schau, die aus 15 Arbeiten besteht. Zum Beispiel im Werk „Loop“ des Künstlerduos Quadrature, bestehend aus Juliane Götz und Sebastian Neitsch, der Arbeit „The AI is on Vacation“ von Till Schönwetter oder Piet Schmidts „Pfff“: Eine Maschine erzeugt mittels Luftströmen, Silikon und Motoren die Laute „P“ und „f“. Ergänzt wird die Ausstellung durch zwei Arbeiten von Simon Weckert, des Hans-Peter-Schiffer-Preisträgers des Jahres 2023.

Die preisgekrönte Arbeit von Julia Vollmer

Ironisch ist das Werk der Künstlerin, die von der Jury unter Vorsitz von Philipp Ziegler, Leiter des kuratorischen Bereichs am Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, den ersten Preis der 2025er Ausgabe des Hans-Peter-Schiffer-Preises zugesprochen bekam, natürlich auch. Julia Vollmers Arbeit trägt den Titel „to heat a candle with the warmth of you“. Es handele sich dabei um eine „sinnhafte und sichtbar machende Interpretation von etwas, was wir sonst überhaupt nicht registrieren“, so der namensgebende Stifter des mit 3.000 Euro dotierten Preises, Hans-Peter Schiffer, in seiner Laudatio.

Ein Laptop bringt eine Kerze zum Schmelzen: „to heat a candle with the warmth of you“ von Julia Vollmer. Foto: René Rosin Foto: René Rosin

Die preisgekrönte Arbeit der in Kaiserslautern geborenen Künstlerin besteht aus einem Computer, der an vier dünnen Stahlseilen von der Decke herabhängt. An dem Computer ist eine Kerze befestigt und auf ihm läuft eine KI-Anwendung, der Vollmer den Befehl erteilt hat „Erhitze eine Kerze mit Deiner Wärme“. Resultat: Ein bizarrer Klumpen weißen Wachses, dessen flüssige Reste auf den Boden tropfen. „Es wird überaus anschaulich vorgeführt, was den meisten Menschen verborgen bleibt: Dass die jetzt mit Macht von den Tech-Giganten in den Markt gedrücktem KI-Systeme ungeheure Mengen Energie verbrauchen“, so Hans-Peter-Schiffer.

Künstliche Intelligenz und Energieverbrauch

Man mag einwenden, dass es keine allzu neue Erkenntnis ist, dass Computer neben allerlei Nützlichem und Unnützem vor allem eines produzieren: reichlich Abwärme. Julia Vollmer gewinnt der Nutzung von Computern allerdings einen neuen Aspekt ab. Sie zeigt sehr plastisch, was die Nutzung von KI (auch) bedeutet. Und beweist damit zudem, dass sich die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema „Mensch und Digitalisierung“ nicht in einer virtuellen Bildschirmkunst erschöpfen muss. Sondern durchaus auch ins Sinnlich-Analoge hinüberspielen kann.

Julia Vollmer ist 29 Jahre alt, wurde in Kaiserslautern geboren und lebt zur Zeit in Bremen. Foto: René Rosin

Das Wohltuende an ihrer Arbeit ist nun, dass Julia Vollmer bei aller selbstreferenziellen Ironie, die in ihrem Werk steckt, auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet, moralisch-ethische Fragen sind bei Künstlicher Intelligenz ja naheliegend. Die 29-jährige Medienkünstlerin bleibt in ihrem Setting aber rein deskriptiv, verzichtet auf jeglichen normativen Überbau. Der allerdings auch gar nicht notwendig wäre, die Erkenntnis stellt sich – zumindest beim geschulten Betrachter – von ganz allein ein.

Denn wenn man sich vor Augen führt, dass ein einziger Prompt – also die Frage oder Aufforderung, die man als Nutzer an eine KI richtet – durchschnittlich 0,3 Kilowattstunden verbraucht, zwingen sich die Fragen nach Sinn und Nutzen und der Art des Umgangs mit dieser Technologie quasi von allein auf. 0,3 Kilowattstunden ist beispielsweise die Energiemenge, die moderne Kühlschränke benötigen, um einen halben Tag lang zu arbeiten. 1,5 Prozent der weltweit erzeugten elektrischen Energie wird mittlerweile in KI-Rechenzentren verbraucht.

Ausnahme von der Regel

Der Vorsprung, den Julia Vollmers Arbeit in den Augen der Jury gehabt habe, sei allerdings relativ gering gewesen, sagte Hans-Peter Schiffer. „`Es kann nur einer gewinnen ´ ist normalerweise unser Motto“, ergänzte er. Aufgrund des geringen Abstands aber habe man dieses Mal „ausnahmsweise einen zweiten Preis gestiftet. Und der geht an Quadrature“. Zur Begründung sagte er, dass die Verbindung von Kunst, Wissenschaft und Kosmos in der Arbeit mit dem Titel „Supraspectives“ ein sehr besonderes Thema sei, „beispielsweise die künstlerische Sichtbarmachung von Spionagesatelliten“.