Beliebt sind Ausdauereinheiten bei Fußballern selten, für die gesamte Saison spielen sie aber eine wichtige Rolle. Als Athletiktrainer feilt Said Lakhal gemeinsam mit Tobias Häußler in der Vorbereitung mit an den optimalen körperlichen Voraussetzungen der Profis für die intensive Spielweise des 1. FC Heidenheim. Im HZ-Interview spricht der 55-Jährige über seine Methoden, die neuen Herausforderungen des modernen Fußballs und die große Bedeutung der Kommunikation bei seiner täglichen Arbeit.
Hallo Herr Lakhal, die Spieler des FCH hatten bis Anfang Juli Sommerpause, ganz untätig waren sie in den fünf Wochen aber nicht.
Said Lakhal: Sobald die Spieler am Saisonende in den Urlaub gehen, bekommen sie einen Plan mit Läufen und Übungen für Beweglichkeit und Kraftausdauer. Die ersten zehn Tage haben sie frei, danach folgen Einzeleinheiten. Nicht täglich, aber jeden zweiten Tag. Es geht darum, den Körper schonend in Bewegung zu halten.
Wie sieht Ihre Arbeit in den ersten Wochen der Vorbereitung aus?
Man liest häufig, dass in Heidenheim in den ersten Wochen nur im Wald gelaufen wird. Das stimmt so nicht. Der Fußball hat sich verändert und die Anforderungen sind heute sehr komplex. Die Spieler brauchen eine starke, aber auch flexible Muskulatur. Es geht nicht nur um lineares Laufen. Sie müssen laufen, beschleunigen, bremsen und Richtungswechsel vollziehen. Deshalb planen wir bei Einheiten mit hohem Laufpensum diese Elemente gleich mit ein.
Das klingt sehr systematisch.
Wir arbeiten mit einem langfristigen Plan, bei dem wir die Inhalte in jeder Woche flexibel anpassen. Manche Spieler haben immer wieder muskuläre Probleme, das berücksichtigen wir. Die Daten aus den Laktat- und Schnelligkeitstests fließen ebenfalls ein, genauso wie die mit GPS ermittelten Leistungsdaten, die wir jeden Tag messen.
Daten spielen in Ihrer Arbeit demnach eine wichtige Rolle?
Ja, aber nicht nur. Viel erfahre ich durch das Beobachten und das Kommunizieren. Oft sehen die Rohdaten unauffällig aus, aber wenn ich sehe, wie sich ein Spieler unrund bewegt, sich an den Muskel fasst oder ständig dehnt, suche ich das Gespräch und nehme ihn vielleicht sogar aus der Belastung raus.
Wenn neue Spieler für den FCH gesichtet werden, spielen dann Themen wie Ausdauer und Schnelligkeit bei der Auswahl eine Rolle?
Unsere Scouts schauen schon darauf, ob die Spieler die konditionellen Voraussetzungen für unseren Fußball erfüllen. Sonst dauert es lange, bis die Anpassung eines Spielers abgeschlossen ist. Bevor dann der neue Spieler kommt, versuche ich, über seinen vorherigen Athletiktrainer an die Daten über Ausdauer, Sprints und Schnelligkeit zu kommen, um mir ein erstes Bild zu machen.
Ernährung und Schlaf sind in der aktuellen Zeit wichtige Themen. Wie groß ist deren Bedeutung für das Training?
Riesig. Ich habe gegenüber den Spielern einen Leitsatz: „Es gibt kein Übertraining, sondern nur schlechte Regeneration.“ Wer sich nach einer harten Einheit richtig um seinen Körper kümmert und Punkte wie Kälte, Sauna, Massage, Schlaf und Ernährung beachtet, hat keine Probleme. Vernachlässigt man das, stimmt die Balance nicht mehr und es kommt zu einem Übertraining, wodurch die Verletzungsgefahr steigt. Deshalb führen wir viele Einzelgespräche, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen.
„Wir“ bedeutet: Sie und Tobias Häußler, der Sie seit eineinhalb Jahren unterstützt. Wie hat sich dadurch der Trainingsalltag verändert?
Es macht einiges leichter. Ich bin nicht nur Athletiktrainer, sondern behandele die Spieler auch als Osteopath. Somit bin ich ständig mit den Spielern in Kontakt und erhalte viele wichtige Informationen. Tobi übernimmt die meiste Arbeit mit den Reha-Spielern, so habe ich mehr Zeit für die Behandlung und kann mich auf den normalen Trainingsbetrieb konzentrieren. Auch die Betreuung im Kraftraum vor und nach den Trainingseinheiten hat sich verbessert, denn jetzt ist immer einer von uns vor Ort. Zudem können wir häufiger Tests durchführen, die Ergebnisse gemeinsam analysieren und damit die Übungen für die Spieler noch individueller anpassen.
In der Bundesliga wurden in der vergangenen Saison mehrfach neue Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt. Wie ist das zu erklären?
Das Spiel ist immer schneller geworden, die Anforderungen sind dadurch komplexer geworden. Alles muss explosiver sein, egal ob im Sprint, bei Richtungswechseln oder der Ausdauer. Es ist alles nah am Maximum.
Damit steigt auch die Belastung auf die Spieler?
Genau, wenn ein Spieler bei der hohen Geschwindigkeit nicht bremsen und die Richtung wechseln kann, steigt die Verletzungsgefahr. Damit kommt mehr Arbeit auf die Athletiktrainer zu. Nehmen wir beispielsweise Sirlord Conteh: Bei ihm ist die Herausforderung, seine hohe Geschwindigkeit beizubehalten und sogar noch zu verbessern. Gleichzeitig brauchen wir ein Programm, damit er sich nicht verletzt und sich weiterentwickeln kann.

Das sind viele Inhalte, die Sie an die Spieler vermitteln müssen.
Die Kunst ist es, das Komplexe einfach zu erklären. Es bringt oft nichts, zu viele Informationen weiterzugeben. Der Spieler muss die Informationen auch verarbeiten und interpretieren können, sonst kann er sie nicht umsetzen. Junge Spieler haben oft schon viele Informationen im Internet und aus anderen Nachwuchsleistungszentren gesammelt. Aber das kann sie auch überfordern. Ich nehme sie dabei sehr ernst, aber sage: „Du hast die Informationen, die Erfahrung fehlt dir noch, und die machen wir jetzt gemeinsam.“ Das muss immer auf Augenhöhe passieren und nicht von oben herab. Der Spieler muss verstehen, warum er etwas macht, dann macht er es auch mit Überzeugung.
Nach Verletzungen sind die Spieler häufig niedergeschlagen. Wie finden Sie dabei einen Zugang, um ihnen beim Weg zurück auf den Platz zu helfen?
Da braucht man Fingerspitzengefühl. Über die Kommunikation finde ich heraus, was für ein Typ ein Spieler ist. Jeder geht unterschiedlich mit der Situation um. Manche Spieler brauchen nach einer Verletzung etwas Zeit, ich lasse sie dann ein paar Tage in Ruhe. Es geht in der Situation darum, an ihnen als Menschen Interesse zu haben und nicht nur als Spieler. Du musst Mitgefühl haben, aber kein Mitleid. Die Botschaft muss sein: „Ich kann nachvollziehen, in welcher Situation du bist, aber ich zeige dir, wie es weitergeht.“
Neben den sportlichen sind also auch menschliche Fähigkeiten gefragt. Was macht insgesamt einen guten Athletiktrainer aus?
Deine Hauptaufgabe als Athletiktrainer ist es, die Spieler fit und gesund zu halten, damit sie Fußball spielen können. Das ist das, was der Cheftrainer von mir erwartet. Wir passen das athletische an das fußballspezifische Training an und nicht andersherum. Dabei stelle ich mir beispielsweise die Fragen: Welche Fähigkeiten bringt der Spieler mit, wie kann ich diese weiterentwickeln und maximieren? Wie kann ich ihn in den Bereichen, in denen er Schwächen hat, kontinuierlich verbessern? Und wie halte ich ihn verletzungsfrei?
Das klingt vom Prinzip her simpel.
Ist es auch. Wenn der Spieler gesund bleibt und das rein fußballerische Training komplett absolvieren kann, wird er auch seine Ausdauerfähigkeiten verbessern. Insgesamt entwickelt er sich zu einem besseren Fußballer. So ist unser Training aufgebaut.
Sie stehen häufig auf dem Trainingsplatz, haben Sie da überhaupt noch Zeit und Lust, selbst Sport zu machen?
Das muss ich. Ich bin jetzt 55 Jahre alt und habe den Spielern immer vermittelt, dass das kein Alter ist, in dem man nichts mehr macht. Es gibt Dinge, bei denen ich die jungen Spieler sogar noch schlagen kann. In anderen Bereichen sind sie mir aber überlegen (schmunzelt).
Wie halten Sie sich fit?
Ich jogge ab und zu und gehe ins Fitnessstudio. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, spiele ich auch gerne Tennis.
Und wie gut sind mittlerweile Ihre fußballerischen Fähigkeiten?
Als ich vor zehn Jahren von der Leichtathletik zum FCH kam, konnte ich keinen Pass spielen. Aber es ist viel besser geworden. Es macht auch Spaß, den Spielern zu sagen, dass ich als Nicht-Fußballer den Pass sogar mal besser gespielt habe als sie. Dadurch kann ich hin und wieder auch die Spannung aus einer Trainingseinheit nehmen und gute Stimmung reinbringen (lacht).
Können Sie sich im Trainingslager auch einen Kuchen oder etwas Süßes erlauben oder haben die Spieler da ein besonderes Auge auf Sie?
Manchmal erwischen sie mich beim Dessert, auch wenn ich ihnen etwas anderes vermittle. Dann mache ich auch ein Späßchen und sage ihnen, dass ich mir das erlauben kann in meinem Alter. Die Spieler sollen auch merken, dass nicht immer alles komplett streng gehandhabt wird.
Also dürfen die Spieler sich ebenfalls mal etwas gönnen?
Wenn sie in den Spiegel schauen und sagen, dass sie heute Lust auf ein Eis haben, weil sie sich das verdient haben, dann sollen sie das auch machen. Es geht darum, dass die Spieler mitdenken, dass sie ihr Bewusstsein und ihre Wahrnehmung schärfen. Die Spieler müssen ihr Verhalten selbst reflektieren und dabei auch bedenken, welche Konsequenzen ihr Handeln hat. Und diese Erfahrung können sie auch auf das Training und die Spiele übertragen.
Von der Bahn auf den Rasen
Nicht der Fußball, sondern die Leichtathletik war für Said Lakhal lange der sportliche Fixpunkt. Der gebürtige Marokkaner zählte in seiner aktiven Karriere unter den Mittelstreckenläufern zur erweiterten internationalen Spitze. Zweimal gelang ihm die Qualifikation für olympische Sommerspiele. 1996 verpasste er die Spiele in Atlanta aber wegen einer Verletzung, vier Jahre später verwehrte ihm der marokkanische Verband die Teilnahme in Sydney.
Zum FCH kam der studierte Osteopath, der mit seiner Frau in Heidenheim lebt, im Jahr 2014. Er begann als Physiotherapeut und ist seit 2016 Athletiktrainer im Funktionsteam von Chefcoach Frank Schmidt.