Manche Menschen werfen das Geld aus dem Fenster, weil sie so viel davon haben, dass sie sich dieses Verhalten leisten können. Unvorstellbar folglich, dass andere es einfach irgendwo in die Ecke pfeffern, obwohl sie jeden Cent zweimal umdrehen müssen, um über die Runden zu kommen. Gerade deshalb fand eine 36-Jährige keinen Glauben, als sie jetzt vor dem Amtsgericht eine solche Situation schilderte. Vorgeworfen wurde ihr neben Unterschlagung das Vortäuschen einer Straftat.
Was die Frau auf die Anklagebank brachte, hatte sich Mitte Dezember 2023 in der Heidenheimer Innenstadt zugetragen. In einem Ladengeschäft in den Schloss Arkaden angestellt, gehörte es damals zu ihren Aufgaben, die Tageseinnahmen zur Bank zu bringen. So auch an jenem Montagvormittag, nachdem übers Wochenende knapp 6000 Euro zusammengekommen waren. Die 36-Jährige verließ das Gebäude mit einer Jutetasche, in der sich das Geld befand – verpackt in vier sogenannte Safebags, also Sicherheitstaschen aus Kunststoff mit einem versiegelten Verschluss.
Woher hatte der angebliche Täter seine Kenntnis?
Kurze Zeit später kehrte sie zurück – zitternd, wie sich eine ehemalige Kollegin erinnerte – und gab an, von einer unbekannten Person beraubt worden zu sein. So weit, so aktenkundig. Dann aber beginnt die rätselhafte Seite des Falls. Die alarmierte Polizei stellte sich spontan eine naheliegende Frage: „Wie kommt jemand darauf, dass ausgerechnet sie an einem Montagmorgen mit so viel Geld unterwegs ist?“
Daher galt die Suche zunächst einer Überwachungskamera entlang des beschriebenen Weges. Und nachdem eine solche gefunden worden war, musste sich dem ermittelnden Beamten der Eindruck aufdrängen, im falschen Film zu sein: Die Bilder zeigten keinen Überfall. Stattdessen die 36-Jährige, die ihr angeblich entrissene Jutetasche zusammenlegend und dabei rauchend. Die Tasche blieb zunächst unauffindbar. Erst als eine Wohnungsdurchsuchung drohte, führte die Angeklagte die Polizei zu einem Gebüsch, in dem sie den Beutel versteckt hatte. Dem Beamten zufolge „drückte sie sich aber nicht klar aus, ob sie das Geld jemandem gegeben, oder ob jemand es herausgenommen hatte“.
Die Richter Dr. Christoph Edler gegenüber präsentierte Version der ohne Rechtsbeistand vor Gericht erschienenen Frau: Ehe sie die Tasche ablegte, warf sie die fast 6000 Euro zwischen zwei Häuser an der Schnaitheimer Straße. „Es tut mir leid, ich weiß nicht, warum ich das getan habe“, sagte sie mit brüchiger Stimme, um dann einen Erklärungsversuch nachzuschieben. Nachdem sie sich aufgrund häuslicher Gewalt von ihrem Mann getrennt habe, sei sie „psychisch am Ende“ gewesen.
Als alleinerziehende Mutter zweier kleiner Kinder ständig gefordert, von Schulden belastet, zudem für ihren Arbeitgeber permanent verfügbar, da auf das Einkommen angewiesen, sei sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geraten. „Ich wollte nur raus aus allem“, sagte sie, „aber das Geld wollte ich nicht, denn sonst hätte ich es ja nicht weggeschmissen, sondern damit die drohende Räumung meiner Wohnung verhindert.“
Staatsanwältin fordert Bewährungsstrafe
Edler wollte sich die Logik dieser Geschichte nicht erschließen, und auch Staatsanwältin Klara Sanwald zeigte sich nicht überzeugt: „Warum haben Sie das Geld weggeworfen, wenn Ihnen Ihr Job so wichtig war?“ Für die bislang strafrechtlich noch nie in Erscheinung getretene Angeklagte forderte sie eine achtmonatige Bewährungsstrafe, die Wiedergutmachung des finanziellen Schadens und als Auflage 80 Stunden gemeinnützige Arbeit, sowie die Übernahme der Verfahrenskosten.
Abschließend fand Edler verständnisvolle Worte für die 36-Jährige: „Ich anerkenne, dass Sie finanziell am Limit waren.“ Allerdings sei die vorgetragene Geschichte „erstunken und erlogen“ und das Gericht der Überzeugung, „dass Sie das Geld mitgenommen und unterschlagen haben“. Sein Urteil wegen Vortäuschens einer Straftat und Unterschlagung: sieben Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung, zwei Jahre Aufsicht durch eine Bewährungshelferin und Einziehung von Wertersatz in Höhe der verschwundenen Summe – exakt 5990 Euro. Außerdem muss die Angeklagte die Kosten des Verfahrens begleichen, und 60 Arbeitsstunden leisten.
Was ist Wertersatz?
Damit sich rechtswidriges Verhalten finanziell nicht lohnt, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit des Wertersatzes geschaffen. Seine Einziehung bedeutet, dass Straftäter den Gewinn rückerstatten müssen, den sie durch ihr illegales Tun erlangt haben.