Schöffengericht Heidenheim

Verschmähter Liebhaber wird zum Stalker und zündet in Dettingen ein Auto an

Ein, mit Perücke und Maske und verkleideter Mann zündete in Dettingen ein Auto an und versuchte sich per Handy-Manipulation ein Alibi zu verschaffen. Jetzt stand er in Heidenheim vor Gericht:

Erst feierte der Mann mit seinen Kindern Heiligabend unterm Christbaum, dann zog er mit einer Perücke und Gummimaske verkleidet los und zündete ein Auto an. Die kuriose Tat ereignete sich an Weihnachten vor zwei Jahren in Dettingen. Jetzt musste sich der inzwischen 44-Jährige vor dem Heidenheimer Schöffengericht verantworten. Unscheinbar im grauen Anzug mit Krawatte saß der Angeklagte neben seinem Münchner Verteidiger und hüllte sich zum Tatvorwurf in Schweigen.

Die Maskierung des Mannes am Tatabend war wohlüberlegt, denn er wusste genau, dass am Haus seiner ehemaligen Freundin Überwachungskameras seinen „Besuch“ aufzeichnen würden. Wie die 45-jährige Frau vor Gericht aussagte, habe sie mit dem Mann bis 2019 ein Verhältnis gehabt. Als sie dieses beendet habe, hätten die Übergriffe gegen sie begonnen. Erst habe der Mann sie über Telefon und soziale Netzwerke belästigt, dann habe er angefangen, die Wände ihres Hauses zu beschmieren, ihr Mails mit Drohungen geschickt und schließlich sogar ihre Arbeitsstelle in ihrem Namen gekündigt. Die Frau erwirkte ein Annäherungsverbot, aber auch das habe ihn bis heute nicht abgehalten, berichtete sie vor Gericht.

In der Nacht der Brandstiftung übernachtete die Frau bei ihrem Partner, als die Überwachungskamera ein Video an ihr und das Handy ihrer Tochter sendete. Auf der Aufnahme, die auch im Gerichtssaal gezeigt wurde, war zu sehen, wie eine verkleidete Person sich mehrfach umblickt und dann einen Grillanzünder anzündet. Das Auto, auf dessen Hinterreifen der Anzünder anschließend platziert wurde, wurde von der Kamera nicht erfasst. Dennoch waren die Frau, ihre Tochter und der Lebensgefährte sofort alarmiert. Während die Tochter die Polizei einschaltete, fuhren die Frau und ihr Freund an die Wohnadresse, wo am Polo der Tochter der hintere Reifen brannte, der aber mit einem Handfeuerlöscher schnell gelöscht werden konnte.

Verteidiger spricht von "wilden Anschuldigungen"

Sie sei sich sofort sicher gewesen, dass es sich beim Täter um ihren Ex-Freund handele, sagte die Frau vor Gericht. „Ich bin fassungslos“, echauffierte sich Verteidiger Michael Voltz und sprach von „wilden Anschuldigungen“ gegen seinen Mandanten. Warum sie denn glaube, dass der Angeklagte sie belästigen würde, fragte er die Zeugin. „Er kann sich nicht damit abfinden, dass ich das Verhältnis beenden habe“, erklärte die 45-Jährige und löste damit beim Angeklagten, der sonst kaum eine Regung zeigte, eine deutliche Reaktion aus. Hektisch und mit rotem Kopf schob er seinem Verteidiger Zettel zu. Die Namen zweier Männer wurden genannt und die Zeugin dazu befragt, in welchem Verhältnis sie zu ihnen stehe. Bei beiden Männern handelte es sich nach Angaben der Frau um Arbeitskollegen. Der Angeklagte unterstelle ihr aber, mit jeder männlichen Person, mit der sie zu tun habe, eine Beziehung.

Immer wieder wurde im Prozess deutlich, dass es offenbar bereits länger andauernde Stalking-Vorwürfe gibt, für die aber offenbar die Beweislage schwierig ist. Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil verwies darauf, dass man im jetzigen Prozess nur diesen einen Vorfall verhandele. Und auch hier sah es zunächst danach aus, dass es dem Angeklagten nur schwer nachzuweisen sein könnte, dass er an diesem Abend die Brandstiftung begangen hat.

Noch in der Tatnacht erfolgte eine Hausdurchsuchung

Doch auch die Polizeibeamten, die an diesem Abend in Dettingen vor Ort waren, kannten offenbar die Vorgeschichte und nahmen die Hinweise ernst. Noch in der Nacht erwirkten sie eine Hausdurchsuchung beim Angeklagten, der damals bei seiner Mutter in Lonsee über die Feiertage zu Besuch war. In seinem Zimmer fand die Polizei eine Jacke, die der auf dem Video ähnlich erschien. Im Auto des Angeklagten lagen zudem eine Perücke und eine Maske, augenscheinlich die gleichen Gegenstände, wie auf dem Video zu sehen. Und schließlich wurden auch noch zwei Flaschen mit Brandbeschleuniger entdeckt.   

Am Ende half dem Angeklagten auch sein vermeintliches Alibi nicht, das er den Ermittlern vor Ort präsentierte: auf einem Handy-Foto war das Zimmer des Angeklagten zu erkennen und der Zeitstempel 23.02 Uhr, also genau die Zeit, zu der der Brand gelegt worden war. Damit wollte er beweisen, dass er zum fraglichen Zeitpunkt nicht in Dettingen gewesen sein konnte.

Da der Verdacht einer Manipulation im Raum stand, war eine Expertin mit der Untersuchung des Handys beauftragt worden. Vor Gericht erläuterte sie, dass für die Foto-Aufnahme die Uhrzeit des Handys manuell verändert und anschließend wieder zurückgesetzt worden war.

Für Staatsanwalt Maximilian Adis ergab sich damit ein schlüssiges Gesamtbild. Das Motiv des Angeklagten sehe er in der ehemaligen Beziehung. Maske, Perücke und Jacke seien nach einem Gutachten des Landeskriminalamtes modellgleich mit denen auf dem Video. Und die zeitliche Manipulation am Handy mache nur Sinn, wenn man etwas vertuschen möchte. Zudem habe der Angeklagte gegen ein bestehendes Annäherungsverbot verstoßen. Der Staatsanwalt forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen vorsätzlicher Brandstiftung und gestand dem Angeklagten eine Bewährungsstrafe zu, da es sich erstmals um eine schwerwiegende Tat handele. Außerdem forderte der Staatsanwalt ein Kontaktverbot zu der Ex-Partnerin, deren neuen Lebensgefährten und zur Tochter, sowie eine Geldauflage von 4.500 Euro.

Verteidiger sieht seinen Mandanten als Opfer

Der Verteidiger, der einen Freispruch forderte, versuchte seinen Mandanten als Opfer darzustellen, dem man etwas in die Schuhe schieben wolle. Es sei merkwürdig, dass bei dem Brand so schnell ein Feuerlöscher zur Hand gewesen sei. Sein Mandant habe die Verkleidung mit Perücke und Maske zu Halloween getragen und das könne ja durchaus bekannt gewesen sein. Der Brandbeschleuniger sei lediglich angeschafft worden, um Äste zu verbrennen.

Ein letztes Wort wollte der Angeklagte, der inzwischen als Sicherheits- und Gesundheitskoordinator arbeitet, dann doch noch loswerden: „Ich möchte keinen Kontakt zu dieser Familie“.  

Genau daran sollte sich der Mann in Zukunft auch halten, denn das Schöffengericht verurteilte ihn nicht nur zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung, sondern auch dazu, dass er jeglichen Kontakt zu der 45-Jährigen und ihrem Partner zu unterlassen habe. Er darf sich der Wohnung nicht nähern und muss Abstand zu den beiden Personen halten. Außerdem muss der Angeklagte 4.500 Euro an den Hilfs- und Wohltätigkeitsverein zahlen.

In seiner Begründung machte Richter Feil deutlich, dass man keine Zweifel habe, dass es sich bei der Person auf dem Video um den Angeklagten handele. Dass bei ihm in der Tatnacht genau die Dinge gefunden worden seien, die auf dem Video zu sehen sind, könne man nicht als Zufall sehen. Den entscheidenden Aspekt habe aber schließlich das gefälschte Alibi gebracht, das genau den Zeitraum abdecken sollte, in der die Tat stattgefunden habe. Feil hielt dem Angeklagten vor, dass das Feuer auf dem Reifen leicht hätte auf den Tank übergreifen können und damit weit schlimmerer Schaden hätte entstehen können. Er riet dem Angeklagten dringend, sich an die Abstandsregeln zu halten. Der Verstoß könne schnell zum Widerruf der Bewährung und damit zu einer Gefängnisstrafe für ihn führen.

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