Pop-Up-Aktion für sieben Wochen

Zwischennutzung zeigt Wirkung ab Tag eins: Die „Kulturkiste“ in Heidenheim bringt Action in die Innenstadt

Im Herzen der Heidenheimer Innenstadt ist ein temporärer Raum für junge Kultur und Kreativität entstanden. Die Macher der „Kulturkiste“ laden in den kommenden sieben Wochen zum Mitmachen, Diskutieren und Gestalten ein – und verkünden eine nachhaltige Überraschung.

Mit Farbe, Graffiti, Musik und viel Engagement hat das Heidenheimer Kulturbündnis „Hier und jetzt“ einen Leerstand in der Innenstadt in einen offenen Kulturraum verwandelt. Die am Samstag eröffnete „Kulturkiste“ soll in den kommenden sieben Wochen nicht nur Ausstellungen, Workshops, Partys und Diskussionen bieten – sie versteht sich auch als gesellschaftliches Experiment.

Ein Experiment ist schon mal gelungen: Die Kulturkiste erregt Aufmerksamkeit: Zur Eröffnung waren rund 50 Besucherinnen und Besucher gekommen. Aber es blieben auch immer wieder Passanten stehen, die ob der bunten Menge und der Musik neugierig geworden waren, gesellten sich dazu und betraten auch spontan die Räume an der Ecke Karlstraße und Olgastraße gegenüber den Schloss-Arkaden und Wäsche Reiber.

Was steckt in der Kulturkiste Heidenheim?

„Was die Kulturkiste ist, wissen wir selbst noch nicht so genau. Das finden wir gemeinsam heraus“, sagte Janik Oswald vom Kulturbündnis bei der Eröffnung. Der 2024 gegründete Verein mit rund 30 Mitgliedern hat das Projekt im Rahmen des Bundesprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ auf die Beine gestellt. Unterstützt wird er dabei unter anderem von der Stadt Heidenheim und der Volksbank, der das Gebäude gehört.

Wir haben in den letzten Tagen schon ganz viel gelernt. Scheinbar kommen bequeme Sitzmöglichkeiten hier in Heidenheim sehr gut an. Die Bänke sind immer besetzt – und bunte Farben, nicht nur blaue, kommen auch sehr gut an.

Janik Oswald, Vorstandsmitglied Kulturbündnis

Die Idee: Ein Raum, der Gemeinschaft fördert und gleichzeitig zeigt, wie Innenstadt neu gedacht werden kann. „Wir haben in den letzten Tagen schon ganz viel gelernt. Scheinbar kommen bequeme Sitzmöglichkeiten hier in Heidenheim sehr gut an. Die Bänke sind immer besetzt. Und die Leute sind neugierig und bunte Farben, nicht nur blaue, kommen auch sehr gut an“, so Oswald. Die Graffiti-Wand, die Ausstellung, die im Store präsentierten lokalen Marken und ein vielfältiges Programm sollen dafür Impulse geben. Diskussionsrunden, Mitmachaktionen und künstlerische Beiträge stehen auf dem Plan. Mitverantwortlich für die kuratorische Gestaltung ist die argentinische Kunsthistorikerin Paula Riboldi, die eigens aus Spanien anreiste, um den Raum mitzugestalten.

Stadtwappen neu gedacht: Heidenheim hat jetzt eine Heideköpfin

Ins Auge sticht gleich beim Betreten des Raums ein Graffiti, dessen Motiv jeder Heidenheimer und jede Heidenheimerin sofort erkennt: das Heidenheimer Stadtwappen mit dem Heidekopf – allerdings in einer Neuinterpretation. Im Mittelpunkt steht eine Heideköpfin, deren lockige, lange Haare unter dem Hut hervorquellen. Im Ohr trägt sie kleine Kopfhörer und sie ist sichtlich gechillt und gut gelaunt. Umrahmt wird sie von den Stadtfarben auf der einen Seite und einer bunten Landschaft auf der anderen. In den Stadtfarben blau und rot sind Wörter im Halbrund angeordnet, die mit Heidenheim zu haben, wie Schlossberg, Wildpark Eichert, FCH, Brenz und viele mehr, auf der anderen Seite knallbunte Farben. Das Kunstwerk wird es als limitierten Druck geben, handsigniert von den drei Künstlern aytwo, Romina Ferrarotti und Seko95040.

Sympathisch, modern, weiblich: Die Heideköpfin ist der Hingucker im Hauptraum der „Kulturkiste“. Rudi Penk

Lob kam von Elke Müller-Jordan, Vorstandsvorsitzende der Volksbank Heidenheim. Die Kulturkiste sei „weit mehr als nur eine Initiative“, sagte sie. Sie biete eine Plattform für alle – unabhängig von Alter, Herkunft oder Erfahrung. „Gerade diese Offenheit macht das Projekt so lebendig.“ Die Heidenheimer Volksbank hat die Räume zu einem Sonderpreis an das Kulturbündnis vermietet und unterstützt als Gegenleistung das Kulturfest des Vereins im Herbst. Die Bankchefin wünschte „viel Erfolg und Vergnügen für dieses kollektive Experiment“ und machte selbst gleich mit: Nach dem offiziellen Teil konnten Besucher beim ersten Workshop mitbauen, die ersten Hocker entstanden direkt vor Ort.

Bürgermeisterin Simone Maiwalds hofft auf Nachahmer

Heidenheims Bürgermeisterin Simone Maiwald nutzte die Eröffnung, um das Projekt in einen größeren städtebaulichen Kontext zu stellen. Die Herausforderungen der Innenstädte in ganz Europa seien enorm, der Leerstand wachse – gleichzeitig böten sich aber auch Chancen für funktionale Neunutzungen. „Denn wenn sich nichts ändert, dann haben wir tote Städte und Städte, die museal sind. Hier muss etwas passieren“, warnte Maiwald. Die Leerstände eröffneten aber auch Chancen: Die Kulturkiste zeige, was möglich sei, wenn Eigentümer, Stadt und Initiativen zusammenarbeiten. Sie verstehe sich als Impulsgeberin für kreative Zwischennutzungen, als Ort des Austauschs – vielleicht auch für weitere Projekte.

Foto: Rudi Penk

Und das kann durchaus sein. Janik Oswald hatte vor zwei Jahren den Auftrag erhalten, gemeinsam mit dem Innenstadtmanagement ein junges Kulturkonzept zu entwickeln. Doch das Papier sollte nicht in der Schublade verschwinden, weshalb er einfach gemacht habe. Nun blicke er mit Stolz auf das Erreichte zurück: eine lebendige Szene und Community zu entwickeln, die Emotionen wecke und Identität stifte. Alle Ehrenamtlichen brächten sich mit vielen Stunden ein.

Kulturbündnis gewinnt Bundesgelder: Kulturmanager ab Sommer

Ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit ist gelungen. Das Kulturbündnis Heidenheim hat den Zuschlag für eine mehrjährige Bundesförderung durch die Kulturstiftung des Bundes erhalten, verkündete Oswald zum Abschluss: Mit einem mittleren sechsstelligen Betrag über vier Jahre wird eine hauptamtliche Stelle finanziert, die sich künftig um Netzwerkarbeit und Demokratieförderung durch künstlerische Projekte kümmert. Noch in diesem Sommer wird eine feste Stelle geschaffen – zur Entlastung der Ehrenamtlichen und zur langfristigen Stärkung der kulturellen Infrastruktur in der Stadt. Oswald fasste die Bedeutung dieses Moments in einem Satz zusammen, der bleibt: „Wir sind hier und jetzt – und wir sind gekommen, um zu bleiben.“

Die nächsten Programmpunkte in der Kulturkiste

Erster Programmpunkt ist am Dienstag, 17. Juni, ab 18 Uhr die Diskussionskiste mit der Frage: Wem gehört die Innenstadt? Was fehlt, was können wir machen? Um diese Fragen greifbar zu machen, hat das Kulturbündnis Stadt- & Projektentwickler Yannik Plachtzik (geb. 1992 in Heidenheim) eingeladen. Er studierte von 2014 bis 2021 Architektur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und arbeitet seitdem freiberuflich sowie als Teil des Stuttgarter Amts für Stadtplanung und Wohnen im Bereich des Masterplans Neckar. Als Mitbegründer der Agency Apéro – Agentur für Flussentwicklung — setzt er sich für partizipative Stadt- und Flussentwicklungsprozesse ein, insbesondere in der Planungsphase Null.

Am Wochenende heißt es am Freitag, 20. Juni, ab 18 Uhr Funky Sensation mit DJ Mofre, am Samstag gibt es ab 11 Uhr einen Pflanzenkreisel, um 18 Uhr wird zum Pubquiz geladen und ab 21 Uhr legen DJ Frechgans & Friends auf. Am Sonntag steigt ab 18 Uhr eine musikalische Live-Session mit Alex Olson.

Die Kulturkiste ist immer von Mittwoch bis Samstag, 11 bis 17 Uhr geöffnet, zudem zu speziellen Events. Das Programm für alle sieben Wochen auf www.wirsindhierundjetzt.de

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