Die Frau kommt nicht. Und so steht Martin Wiedemann allein in der kahlen, frisch renovierten Wohnung. Er ist bei der Vonovia für die Vermietung von Wohnungen in Heidenheim zuständig – und somit quasi die erste große Hürde, die Mietinteressenten nehmen müssen, um an eine Wohnung zu gelangen. Dass er versetzt wird und ein potenzieller Mieter nicht zum Besichtigungstermin kommt, ist selten der Fall. Zu groß ist der Mangel an Wohnraum, als dass Interessenten sich das leisten könnten.
„Natürlich ist der Wohnungsmarkt auch in Heidenheim angespannt, das merkt man schon sehr deutlich“, berichtet Wiedemann. Noch allerdings sei die Situation nicht mit der in Großstädten vergleichbar. Kämen dort teils bis zu 1000 Interessenten auf eine Wohnung, so seien es in Heidenheim „nur“ zwischen 30 und 100. Aber auch das ist eine ganze Menge.
Grund dafür ist die Knappheit an Wohnraum. Die Vonovia hat als größter Vermieter in Heidenheim 2800 Wohnungen im Bestand. Im Holderbusch, einem Quartier an der Heidenheimer Straße in Schnaitheim, sind es an die 200. Alle in alten Gebäuden gelegen, die teils renoviert, teils noch nicht erneuert sind. Das Treppenhaus, klein und eng, ist noch im Originalzustand, die Wohnung, die zur Besichtigung steht, ist frisch renoviert, es riecht noch nach Farbe. „Je nach Bedarf, Zustand und ortsüblicher Vergleichsmiete, renovieren wir Wohnungen, bevor wir sie wieder vermieten“, sagt Wiedemann.
Nur zehn freie Wohnungen
Zwei Zimmer, ein neu renoviertes Bad, eine nicht möblierte Küche. 48 Quadratmeter, Kaltmiete 443 Euro, Gesamtmiete 654 Euro, kein Balkon. „Den gibt es häufig nicht in alten Gebäuden“, sagt Wiedemann. Sein offizieller Titel bei der Vonovia: Vermieter. Seit 25 Jahren übt er diese Tätigkeit aus, zunächst bei der GBH, dann bei der Gagfah, seit Jahren bei der Vonovia. Vieles hat er in diesem Vierteljahrhundert gesehen und erlebt, manche Mieter kennt er seit Jahrzehnten.
2800 Wohnungen hat die Vonovia in Heidenheim. Der Großteil davon verfügt über zwei und drei Zimmer. „Vier-Zimmer-Wohnungen sind sehr rar und deshalb besonders gefragt. Wenn eine frei wird, haben wir auch mal 100 Interessenten“, sagt Wiedemann. Aktuell stehen im Stadtgebiet lediglich rund zehn Wohnungen leer und zur Verfügung, darunter keine mit vier Zimmern.
Angaben sind wichtig
Doch wie schafft man es, als Interessent eine der raren Wohnungen zu ergattern? Bewerben kann man sich ausschließlich übers Internet. Die Objekte werden sowohl auf der Vonovia-Homepage als auch auf den gängigen Immobilienportalen und über die App des Wohnungsbaukonzerns offeriert. Die Anfragen landen alle bei Wiedemann, er ist dafür zuständig, eine Vorauswahl unter den Bewerbern zu treffen, zu entscheiden, wer zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen wird. „Einige Angaben sind in der Anfrage schon notwendig, etwa, wie viele Personen einziehen wollen, wie hoch das Einkommen ist, ob die Miete vom Amt bezahlt wird und dergleichen. Anfragen, in denen nur steht: ,Hast du Wohnung?´ werden eher zurückgestellt“, sagt der Vermieter. Je mehr Angaben Interessenten machten, desto besser.
Aus den eingehenden Bewerbungen trifft Wiedemann eine Vorauswahl, lädt die Kandidaten zur Wohnungsbesichtigung ein. „Ich mache das nur einzeln, es gibt keine Termine mit vielen Bewerbern gleichzeitig, das bringt niemandem etwas.“ Bei Einzelterminen könne er sich mit den Interessenten unterhalten, Fragen beantworten, sich ein Bild machen. Passt alles zusammen, wird die Wohnung für den Interessenten reserviert. Über die App hat der dann die Möglichkeit, weitere Unterlagen zur Prüfung hochzuladen, etwa Gehalts- und Bonitätsnachweis und Personalausweis. Diese Unterlagen würden dann in der Vonovia-Zentrale geprüft, bevor ein Bewerber eine Zusage bekommt. „Der hat dann auch noch die Möglichkeit, darüber nachzudenken, ob die Wohnung seinen Vorstellungen entspricht.“ Passt von Seiten der Vonovia und des Interessenten alles, kann der Mietvertrag unterschrieben werden.
„Das läuft heute alles elektronisch übers Internet, es wird kein Papier mehr verwendet“, sagt Wiedemann. Aber bleibt dabei nicht ein ganzer Personenkreis, etwa ältere Menschen, oder Bewerber, die kein Deutsch sprechen, auf der Strecke? „Ältere Menschen müssen sich helfen lassen, beispielsweise von ihren Kindern“, räumt der Vermieter ein. Zur Not gebe es in Heidenheim auch ein Büro der Vonovia. Aber eigentlich sei vorgesehen, alles übers Internet abzuwickeln. Grundsätzlich spielen Herkunft oder Religion keine Rolle bei der Auswahl der Mieter. Wer überhaupt kein Deutsch spreche, habe aber es aber schwerer, „man sollte ja auch mit dem Hausmeister kommunizieren und manche Regeln der Hausordnung lesen und verstehen können.“
Hat ein Interessent, für den eine Wohnung reserviert ist, doch kein Interesse, kontaktiert Wiedemann den nächsten auf der Liste. Sagt hingegen einer zu, erhalten alle anderen Bewerber automatisch eine Absage. Wartelisten gibt es nicht, „das würde unseren Rahmen sprengen“.
Besonders beliebt sind dem Vermieter zufolge Wohnungen in der Oststadt. Hier gibt es zum Großteil Drei-Zimmer-Wohnungen, viele sind renoviert: „Wenn hier etwas frei wird, haben wir besonders viele Nachfragen, das liegt auch an der sehr günstigen Lage.“
Die heutige Besichtigung bleibt erfolglos. Die Frau, die Interesse hatte, ist auch telefonisch nicht erreichbar. Doch lange wird die Wohnung in Schnaitheim sicherlich nicht leer stehen, denn auf Wiedemanns Liste finden sich noch zahlreiche weitere Bewerber.
Keine festen Sprechzeiten
Die Vonovia, die ihren Hauptsitz in Bochum hat, ist Eigentümerin von mehr als einer halben Million Wohnungen in ganz Deutschland. In Heidenheim sind für das Unternehmen 14 Mitarbeiter tätig. Zwar unterhält das Unternehmen in Heidenheim ein Büro, doch ist dieses nicht regelmäßig besetzt und erreichbar. Feste Öffnungszeiten gibt es nicht. Jeder Mieter, der ein Anliegen zu seiner Wohnung hat, kann dem Vonovia-Pressesprecher zufolge den zuständigen Objektbetreuer (Hausmeister) anrufen, die Aushänge mit Namen, Foto und Rufnummer hingen in jedem Hausflur.