Seit 50 Jahren im Gemeinderat

Was die Heidenheimer DKP zu einem Unikum macht

Die DKP ist seit 50 Jahren ununterbrochen im Heidenheimer Gemeinderat vertreten. Weshalb sie damit eine Sonderstellung einnimmt.

Bei der Kommunalwahl am 20. April 1975 verliert das bürgerliche Lager seine Mehrheit im Heidenheimer Gemeinderat an die SPD. Im Sog dieses Linksrucks sichert sich auch die Deutsche Kommunistische Partei mit 3,9 Prozent der Stimmen einen Sitz: Ulrich Huber gehört fortan dem Gremium an, bis er 2007 auf eigenen Wunsch vorzeitig ausscheidet. Die DKP aber behauptet sich beharrlich und ist jetzt seit mittlerweile 50 Jahren fester Bestandteil des Kommunalparlaments.

Drei weitere Stadträte halten in dieser Zeit die rote Fahne hoch: Günter Bauder, Wilhelm Benz und – seit 2004 bis heute – Reinhard Püschel. Der 73-Jährige ist ein Exot in Baden-Württemberg: Lediglich in Heidenheim hat es die DKP 2024 wieder aus eigenen Kräften in den Gemeinderat geschafft. „In wenigen anderen Kommunen ist das nur auf gemischten Listen gelungen“, sagt Wilhelm Benz (72), der Heidenheimer DKP-Gruppenvorsitzende.

Wilhelm Benz, Heidenheimer DKP-Gruppenvorsitzender. Benz

Landes- und bundespolitisch spielt die DKP keine Rolle. Warum also gehen die kommunalpolitischen Uhren in Heidenheim anders? „Weil wir hier schon immer die Kümmerer für die Anliegen der kleinen Leute sind“, sagt Benz und erinnert an den Erfolg von 1975. Aus Protest gegen die Privatisierung des ÖPNV und damit verbundene Preiserhöhungen brachten DKP-Mitstreiter damals Busfahrgäste mit Privatautos ans gewünschte Ziel. Gut kam das auch bei der Wählerinitiative „Frischer Wind ins Rathaus an“, die mit einer ganzseitigen Zeitungsanzeige für die DKP trommelte.

Zustimmung in der Wählerschaft und daraus resultierende Gestaltungsmacht können freilich zwei verschiedene Paar Schuhe sein. „Uns ist bewusst: Anträge, die aus unseren Reihen kommen, finden kaum einmal eine Mehrheit“, beschreibt Püschel den Alltag im Ratssaal. Also Opposition als Selbstzweck? „Das kann man durchaus so sagen“, antwortet Benz, „aber wir geben eben nie auf, denn es ist wichtig, für seine Meinungen einzustehen, auch wenn andere sie nicht teilen.“

Reinhard Püschel, aktueller DKP-Stadtrat in Heidenheim. Michael Brendel

Anfangs hätten sich die DKP-Vertreter von den anderen Fraktionen und Parteien mitunter bewusst geschnitten gefühlt, blickt Benz zurück. Nach Püschels Einschätzung hat sich das aber mittlerweile grundlegend geändert: „Heute gibt es zu fast allen Mitgliedern des Gemeinderats kollegiale Kontakte und ein gutes Verhältnis – nur zur AfD gibt es gar keins.“

Gleichwohl existiert eine Parallele: die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. „Sollte er uns tatsächlich bespitzeln, dann macht er es sehr geschickt, denn zumindest wir in Heidenheim bekommen davon nichts mit“, sagt Benz. Anders in der Vergangenheit: „Da ist er hier an etliche DKPler herangetreten, um Informanten zu gewinnen.“ Auf den Einsatz für die Belange der Bürger hat die Einstufung der DKP als linksextremistische Partei Benz zufolge keinen Einfluss: „Wir tun nichts Verbotenes und planen keinen Umsturz.“

Kandidatensuche gestaltet sich in Heidenheim schwierig

Aus Parteisicht ist die lange Gemeinderatszugehörigkeit eine Erfolgsgeschichte. Aus der Warte eines Außenstehenden scheint ihr baldiges Ende nicht undenkbar. Immerhin ist die Zahl der DKP-Mitglieder in Heidenheim von einst knapp 100 auf nurmehr 21 zusammengeschrumpft. Bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr standen bereits mehr als 50 Prozent Nicht-Parteimitglieder auf der Liste, und die Suche nach Kandidaten und Kandidatinnen gestaltet sich stets aufs Neue schwierig.

Was passiert folglich, wenn Püschel, der in der jüngeren Vergangenheit verlässlich die meisten Stimmen einfuhr, kein Mandat mehr anstrebt? „Ich will nicht ausschließen, dass ich noch einmal kandidiere“, sagt er, „aber ich weiß auch nicht, ob es gut ist, wenn so ein alter Mann noch einmal antritt.“

Hocketse auf dem Ostplatz

50 Jahre im Heidenheimer Gemeinderat – die DKP nimmt das zum Anlass, am Samstag, 24. Mai, von 12 bis 18 Uhr eine Hocketse auf dem Ostplatz zu veranstalten. Bei „Grillwurst und Getränk“, so das auf der offiziellen Ankündigung beschriebene Motto, wollen sich Mitglieder der Partei bei ihren Wählerinnen und Wählern bedanken und mit Interessierten ins Gespräch kommen.

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