Geopolitische Spannungen sowie strukturelle Schwächen führen zu Zurückhaltung bei Investitionen und Neueinstellungen. Thilo Rentschler, IHK-Hauptgeschäftsführer, fordert daher im Rahmen der Präsentation der Ergebnisse der Konjunkturumfrage: „Die Erwartungen hellen sich auf, die neue Bundesregierung ist im Amt. Das Vertrauen der Unternehmen in die Politik wird sie jedoch nur festigen können durch konsequentes, zügiges Handeln und Lösen der strukturellen Probleme: Bürokratie entschlacken, Investitionen erleichtern, Energiekosten senken und Genehmigungs- und Planungsverfahren beschleunigen. Inwieweit ihr das gelingen wird, zeigt sich in zwei Jahren.“
Geschäftslage stabil, Geschäftserwartungen optimistisch
31 Prozent der Unternehmen in Ostwürttemberg beschreiben ihre Geschäftslage weiterhin als gut, 44 Prozent bewerten sie mit „befriedigend“ und jedes vierte Unternehmen mit „schlecht“. Der Geschäftslageindikator ist deshalb nur leicht um 1,5 Punkte auf einen Wert von 6 gesunken. Dagegen sind die Unternehmen weitaus optimistischer als noch zu Jahresbeginn: 26 Prozent der Unternehmen (+6 Prozentpunkte) gehen von einer Verbesserung der Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten aus. Von einer Verschlechterung gehen 17 Prozent der Unternehmen aus. Dieser Anteil sank im Vergleich zum Jahresbeginn um 12 Prozentpunkte. Der IHK-Konjunkturklimaindex als Kennzahl für den konjunkturellen Gesamtzustand Ostwürttembergs weist somit in eine positive Richtung: Er liegt um 8,8 Punkte höher als in der letzten Umfrage auf nun 107,6.
Trotz Optimismus weiterhin multiple Herausforderungen
Hauptrisiko für zwei Drittel der Unternehmen ist – als Folge der Kaufzurückhaltung und der unsicheren Rahmenbedingungen – die Inlandsnachfrage. Dieser Punkt wurde auch in den Freitextantworten genannt. Dagegen sehen 52 Prozent der Unternehmen die Arbeitskosten als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Der höchste Zuwachs mit 11 Prozentpunkten entfällt auf das Risiko „geopolitische Spannungen“, das im Ranking zum vierten Mal in Folge in der Reihenfolge nach oben kletterte. Dies spiegelt sich ebenso in den Stimmen aus den Unternehmen wider. 46 Prozent der Unternehmen geben weiterhin die hohen Energiepreise als Herausforderung an.
Stabilisierung am Arbeitsmarkt in Ostwürttemberg
Die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen für die kommenden zwölf Monate zeigt eine Stabilisierung: Weiterhin gehen zwar 14 Prozent der befragten Unternehmen von steigenden Beschäftigtenzahlen aus. Jedoch planen nur 22 Prozent mit Freistellungen von Beschäftigten, zu Beginn des Jahres 2025 waren es noch 32 Prozent. 65 Prozent wollen ihre Personalstärke stabil halten. Dieser Anteil ist um 11 Prozentpunkte gestiegen, vor allem aufgrund der optimistischeren Erwartungen großer Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitenden.
Wir müssen weiterhin alles daransetzen, die Beschäftigten in der Region fit für die Arbeitswelt zu machen.
Thilo Rentschler, IHK-Hauptgeschäftsführer
Thilo Rentschler, IHK-Hauptgeschäftsführer, fordert daher: „Wir müssen weiterhin alles daransetzen, die Beschäftigten in der Region fit für die Arbeitswelt zu machen. Bei der Förderung von Aus- und Weiterbildung dürfen wir nicht nachlassen. Wir wollen durch wirksame Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung den strukturellen Wandel begleiten.“
Investitionsbereitschaft weiterhin zurückhaltend
Das weiter schwierige Marktumfeld führt dazu, dass sich die Unternehmen in Ostwürttemberg bei den Investitionen zurückhalten: Mehr als die Hälfte der Unternehmen sprechen weiterhin von zunehmender oder gleichbleibender, ein Drittel von abnehmender Investitionsbereitschaft in den kommenden zwölf Monaten. Dabei wollen lediglich 38 Prozent der Unternehmen mittlerer Größe investieren; bei den großen Unternehmen sind es mehr als zwei Drittel.

Während Umsatz und Ertragslage im Durchschnitt aller befragten Unternehmen stabil geblieben sind, haben sich die Umsatzerwartungen verbessert und entsprechen der Erwartungshaltung im Frühsommer 2023: 31 Prozent sprechen von steigenden und nur 21 Prozent von sinkenden Umsätzen in den kommenden zwölf Monaten. Zudem hat sich die Lage bei den Auftragseingängen weiter verbessert: 20 Prozent der Unternehmen sprechen von steigenden (+3 Prozentpunkte), 26 Prozent von sinkenden Eingängen.
Blick in die Branchen
In der Industrie beurteilen die Unternehmen ihre Geschäftslage leicht besser: Der Geschäftslageindikator weist wieder einen positiven Wert auf (+6,7). Im Vergleich zu den letzten beiden Umfragen überwiegt die optimistische Erwartungshaltung: nur noch 16 Prozent sprechen von einer Verschlechterung in den kommenden zwölf Monaten, von einer Verbesserung gehen 29 Prozent aus. Die Kapazitätsauslastung ist leicht auf 82 Prozent gestiegen; die weiter steigenden Auftragseingänge lassen auf eine weitere Erhöhung der Kapazitäten hoffen. Die Restrukturierungspläne in den Industrieunternehmen scheinen in Teilen abgeschlossen zu sein: 67 Prozent wollen die Belegschaft halten und 20 Prozent sprechen von fallenden Beschäftigtenzahlen, was einer starken Reduzierung um 24 Prozentpunkte zur letzten Umfrage entspricht. Bei den Exporterwartungen kommt es zu einer Verschiebung der Hauptzielregionen weg von Nord- und Lateinamerika hin zur Euro-Zone, Großbritannien und der Ländergruppe „Sonstige EU, Schweiz und Norwegen“.
Drei Jahre der Stagnation und Transformation in der Industrie haben Auswirkungen auf nachgelagerte Dienstleister, die zwar überdurchschnittlich zufrieden sind mit der aktuellen Situation, aber deren Geschäftsentwicklung sich verschlechtert hat. Sinkende Auftragsvolumina und Umsätze wirken sich auf Beschäftigung und Investitionen aus. Trotzdem sehen die Dienstleistungsunternehmen positiver in die Zukunft: Nicht mehr jedes fünfte (20 Prozent), sondern nun mehr 27 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass sich die Geschäftstätigkeit verbessern wird.
Zweigeteilte Stimmung in der Bauwirtschaft
Die aktuelle Lageeinschätzung in der Bauwirtschaft fällt geteilt aus: Während die eine Hälfte der befragten Unternehmen eine befriedigende Geschäftslage angeben, antwortete die andere Hälfte entweder mit gut oder schlecht. Der kleine „Lichtstreif“ zum Jahresbeginn 2025 setzt sich in den Geschäftserwartungen fort: Jedes fünfte Unternehmen geht von einer Verbesserung aus, nur 15 Prozent von einer Verschlechterung – zum Jahresbeginn waren es noch 59 Prozent. Insbesondere der öffentliche Hochbau hofft auf Aufträge aus dem Infrastrukturpaket der Bundesregierung und auf weitere Zinssenkungen.
Angesichts schwacher Nachfrage und schleppender Auftragseingänge gibt es bei den Händlern nur einen kleinen Anteil von Unternehmen mit einem positiven Lageurteil (14 Prozent). Die Inlandsnachfrage und die Energiepreise gehören nach wie vor zu den zentralen Konjunkturrisiken.
Überschrift
Der Konjunkturbericht mit Dashboards und Analysen einzelner Sektoren, einem Blick in die Landkreise sowie weitere Erläuterungen zur Konjunktur sind abrufbar unter: https://www.ihk.de/ostwuerttemberg/produktmarken/standortpolitik/konjunktur
In ihrer drei Mal pro Jahr ausgewerteten Konjunkturumfrage nutzt die IHK Ostwürttemberg übliche Verfahren der Marktforschung. Aus der Grundgesamtheit der gewerblichen Wirtschaft zieht die IHK eine repräsentative Auswahl von denselben 435 Unternehmen.