Für das Thema Innenentwicklung hatte sich der Niederstotzinger Gemeinderat im April eigens in eine zweitägige Klausur begeben. „Ein großes Feld“, so beschrieb es Philipp König von der Firma Reschl Stadtentwicklung, die dem Gemeinderat in diesem Thema zur Seite steht. In der Gemeinderatssitzung präsentierten König und seine Kollegin Susanna Manzke einen ersten Zwischenstand.
„Wir wollen nicht auf Teufel komm raus alles zubauen“, schickte König gleich vorne weg. Es gehe vielmehr darum, zu ermöglichen und zu bewahren. Ermöglichen etwa, dass Kinder im Garten des Elterngrundstücks bauen könnten. Das Bewahren gilt den Grünbereichen, die auch weiterhin als städtebaulich wichtig angesehen werden.
„Wachstum würde nicht überfordern“
Die Entwicklung Niederstotzingens in den vergangenen zwanzig Jahren beschrieb König mit „prosperierend und positiv“: Während zuvor mehr Sterbefälle als Geburten zu verzeichnen gewesen seien, habe sich bei der Bevölkerung ein Zuwachs von 0,1 Prozent ergeben. Die Anzahl der Wohnungen sei sogar um 14,7 Prozent gestiegen. Freilich sei davon auszugehen, dass künftig aufgrund des demografischen Wandels weitere Wohneinheiten benötigt werden. Den Bedarf schätzte er auf ein Plus von 15 Prozent.
Vorwiegend Wohnungen für Jüngere werden benötigt werden, denn es solle ihnen ausdrücklich ermöglicht werden, am Ort wohnen bleiben zu können. Die Infrastruktur hierfür sei gegeben. Das Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder mache den Standort attraktiv für Familien: „Ein weiteres Wachstum würde Niederstotzingen nicht überfordern“, so König.
Auch den Lebensabend am Heimatort verbringen zu können, bezeichnete König als weiteres Ziel der Innenentwicklung, das umso wichtiger werde, als die Zahl der Hochbetagten in der Stadt steigen werde: „Bis 2040 werden es 150 sein“. Den Generationenwandel auch im Wohnen zu begleiten, sei eine der Ideen zum Komplex Wohnen, den Susanna Manzke vorstellte: „Ältere Menschen haben häufig viel Wohnraum, junge Familien brauchen Platz“. Dabei sei bezahlbarer Wohnraum genauso wichtig wie alternative Wohnangebote.
Grünflächen und Spielplätze
So biete das Quartier Bergstraße Möglichkeiten für unterschiedliche Nutzungen, die durchaus erfolgversprechend umgesetzt werden könnten. Dabei wurde dreigeschossiger Wohnbau diskutiert, aber auch Wohnformen mit Gemeinschaft und Mehr-Generationen-Wohnen, wo auch Tagesessen angeboten wird. Das Quartiersmanagement könnte dabei eingesetzt werden, aber auch die Aktivierung einer Bürgergenossenschaft sei denkbar. Bei alldem sollen aber auch Freibereiche wie Grünflächen oder Spielplätze im Quartier vorhanden sein. „Das Areal würde das hergeben“, so König.
Dieses Beispielprojekt soll nun weiter konkretisiert werden. Dabei soll Markterkundung bei möglichen Investoren, auch Stiftungen, betrieben und sodann die passenden Vergabeverfahren ausgewählt werden, um schließlich ein „das Ortsbild prägendes Papier“ zu erhalten. Denn die Bergstraße ist nur ein Quartier von 14, für die während der Klausur eigene Steckbriefe entworfen wurden.
Kombination mit verträglichem Gewerbe
Der Prozess der Innenstadtentwicklung geht also weiter, möglicherweise auch mit einer weiteren Klausurtagung. Vorab erhielten die Räte Gelegenheit, zum Zwischenstand Stellung zu nehmen. Die Kombination von Wohnbau, vor allem bezahlbarem Wohnen, mit verträglichem Gewerbe hielt Bernd Hegele, der Fraktionsvorsitzende der CDU, für denkbar. Er regte an, begleitend zum Innenentwicklungsprozess auch die Vorkaufsrechtsatzung weiterzuentwickeln: „Der Rewe stünde heute nicht, hätten wir nicht ein Vorkaufsrecht gehabt“.
Spielplatz, bezahlbarer Wohnbau und Mehr-Generationen-Haus und dazu Raum, der als Treffpunkt von allen Bürgern genutzt werden könne, eine solche Zusammensetzung würde Martin Däumling, der Fraktionsvorsitzende der SPD, begrüßen. Die Erkenntnisse aus der Klausur sollen schließlich nicht nur „Schall und Rauch“ sein, sondern auch in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Dass der Quadratmeterpreis nicht ins Unermessliche steige, war ihm ein Anliegen. König verwies hierzu darauf, dass verschiedene Modelle diskutiert werden. Das Spektrum reiche von Vergabe an Höchstbietende bis zu einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft. Beides sei „aber nicht der richtige Ansatz“.
Hoffnungshäuser andenken
In den Vorteilen der Innenentwicklung bestand Einigkeit: Flächensparende Entwicklung, Erhalt und Stärkung der Ortsstruktur, Kosteneffizienz durch geringeren Infrastrukturaufwand, Beitrag zum Klimaschutz durch kompakte Siedlungsformen und kurze Wege und die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Das bisher erarbeitete Handlungsprogramm stieß also vollumfänglich auf Billigung. Bärbel Noller, SPD, schlug noch vor, nachdem viele Möglichkeiten denkbar seien, sich doch solche auch einmal anzusehen. Explizit nannte sie das Beispiel Hoffnungshäuser, in denen in vorwiegend geförderten Mietwohnungen sozial benachteiligte Menschen mit solchen, die mitten im Leben stehen, gemeinsam unter einem Dach wohnen.
Großes Konzept statt Einzelprojekt
Mit der Innenentwicklung strebt die Stadt Niederstotzingen eine aktive Rolle in der Flächenentwicklung an. Insbesondere geht es dabei um die Entwicklung um Quartieren mit differenzierten Wohnformen und die Nutzung kommunaler Instrumente zur Steuerung und Förderung. „Den Blick weiten, statt nur in Einzelprojekten zu denken“, beschrieb es Bürgermeister Marcus Bremer in der Sitzung. Er stellte auch klar, dass „wir landwirtschaftliche Flächen schonen müssen und wollen“.