Dass das Umspannwerk Niederstotzingen modernisiert werden soll, wäre allein wohl kein Thema gewesen, mit dem sich der Gemeinderat lange beschäftigen muss. Wenn aber für diese Modernisierung eine Erweiterung notwendig ist und mehr Fläche benötigt wird, dann ist das schon etwas anderes. Und wenn die dafür vorgesehene Fläche auch noch ausgerechnet zu denen zählt, für die die Stadt eigentlich eigene Pläne hat, dann ist das ein Fall für die Tagesordnung. Auf der jüngsten Sitzung landete die Anfrage der TransnetBW GmbH, die, wie Bürgermeister Marcus Bremer einräumte, sehr überraschend kam.
Als Maßnahmen für die Modernisierung und Erweiterung sind verschiedene Neubauten geplant, wie Marius Lewan und Markus Wagner von der TransnetBW GmbH in der Sitzung ausführten. Eine Blindleistungskompensationsanlage soll angebracht werden, ein neues Betriebsgebäude sowie ein zweiter Trafo und vier Leitungsfelder und der Ersatzneubau zweier Masten. Zudem soll die gesamte Anlage auch im Hinblick auf die durch erneuerbare Energien komplexer werdenden Ansprüche modernisiert und eine nicht ausgebaute Platzreserve für künftige Betriebsmittel und Anschlussfelder geschaffen werden. Wagner wies dabei auch darauf hin, dass bei dem jetzigen Plan jederzeit Änderungen möglich seien, es handle sich vielmehr um „Work in Progress“ und keine definitive Fassung.
Für Ortsumgehung reserviert
Das braucht mehr Platz, und dafür hat die TransnetBW GmbH bereits weitere Flächen am bisherigen Umspannwerk ins Auge gefasst. Die allerdings sind im Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen, das heißt, die Stadt könnte dort Gewerbe ansiedeln. Zudem sind diese Flächen bislang als mögliche Westtangente für die seit langem gewünschte Ortsumgehung reserviert, die allerdings seit der Vorplanung von 2005 nicht weiter vorangeschritten ist. Bremer wies dabei darauf hin, dass die Entscheidung hier nicht die Stadt treffen könne, weil es sich um eine Landesstraße handele, sodass letztlich das Land Baden-Württemberg maßgebend ist.
Einerseits also die berechtigten Interessen der TransnetBW GmbH, die letztlich den Bedarf auch der Stadt Niederstotzingen wie auch der gesamten Region repräsentieren, andererseits Flächen, die für die Stadt kostbar sind – vor diese Abwägung sah sich das Gremium gestellt. Helmut Kircher, der Fraktionsvorsitzende der BWI, sah die vorgestellten Maßnahmen als durchaus essenziell auch im Hinblick auf die Energiewende an und erkannte auch an, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sein müsse. Aber auch die städtischen Interessen in puncto Gewerbeansiedlung und Ortsumgehung seien dabei zu berücksichtigen, aber auch mögliche Einschränkungen im Naherholungsgebiet und in der Beeinträchtigung des Ortsbildes. Deren Minimierung müsse auf jeden Fall im Auge behalten werden. Auch die finanzielle Kompensation bei einem möglichen Verkauf spiele eine wesentliche Rolle.
Verantwortung für die Region
„Weit weg am Horizont“ sah Bernd Hegele, Fraktionsvorsitzender der CDU, eine mögliche Ortsumgehung, da vom Land seit Jahrzehnten kein Signal komme. Gegebenenfalls böten sich auch andere Möglichkeiten, die Ortsumgehung zu realisieren. Mit einer verträglichen Lösung wolle man gerne mitgehen. Diese solle jedoch keine größeren Emissionen als bisher mit sich bringen. Die Wertigkeit der Fläche müsse seiner Meinung nach auch am Gewerbegebiet gemessen werden sowie auch an der Bedeutung für die Region. Er wies darauf hin, dass Niederstotzingen seit dem Jahr 1901 diese Lasten des Umspannwerks für die Region trage, zudem als Wasserschutzgebiet ebenfalls für die Region Verantwortung übernehme sowie auch darauf, dass sich Niederstotzingen für Vorrangflächen für Windräder ausgesprochen habe. „Das machen auch nicht alle Kommunen“, so Hegele.
„Alles ist gesagt“, äußerte sich Martin Däumling für die SPD und verzichtete darauf, die für ihn stimmigen Argumente nochmals zu wiederholen. Eine Entscheidung über den Flächenverkauf fiel in dieser Sitzung nicht. Das war auch gar nicht geplant. Der Beschlussvorschlag der Verwaltung lautete, den Bürgermeister zu beauftragen, Gespräche mit der TransnetBW GmbH zu führen, um zu prüfen, ob zwischen den Erweiterungsplänen und der möglichen Aufgabe strategischer Entwicklungsoptionen der Stadt ein sachgerechter Interessenausgleich erzielt werden könne. Dieser Vorschlag wurde von den Räten einstimmig angenommen.
Kostspieliges Projekt
Dr. Peter Spizig, CDU, erkundigte sich noch danach, ob nicht statt der Kompensationsdrossel zur Reduzierung von Blindleistungen ein moderner Batteriespeicher, ein sog. „Netzbooster“, wie beispielsweise in Kupferzell im Einsatz, angebracht werden könne. Dies wurde einerseits damit beantwortet, dass dann noch mehr Fläche benötigt werden würde (Wagner) sowie, dass die beiden Einrichtungen nicht miteinander verglichen werden könnten (Lewan), Details dazu könnten noch nachgeliefert werden. Die Bausumme für das gesamte Vorhaben würde sich im Bereich eines dreistelligen Millionenbetrages belaufen, erwiderte Wagner auf die entsprechende Frage von Karl-Heinz Hirschbolz, CDU.
Bürgermeister Bremer wird nun die Gespräche mit der TransnetBW GmbH aufnehmen, wobei er gleich klarmachte, dass dabei keine Fronten gebildet werden sollen, sondern es vielmehr darum gehe, dass die unterschiedlichen Zielvorstellungen zusammengebracht werden.
Lange Bauzeit
Ursprünglich sei der Start der Baumaßnahmen am Umspannwerk Niederstotzingen für Februar 2026 geplant gewesen, führte Markus Wagner von der TransnetBW GmbH aus. Dieser Termin lasse sich jedoch unabhängig von der offenen Frage der Flächen nicht halten. Nach dem Flächenerwerb, der freilich die Grundlage bilde, schlössen sich Untersuchungen und die Genehmigungsphase an, bis mit dem Bau begonnen werden könne. Als Bauzeit gab er einen Zeitraum zwischen sechs und zehn Jahren an, das sei die Faustformel, mit der gerechnet werde. Er sei sehr daran interessiert, mit Stadtverwaltung und Gemeinderat in Kontakt zu sein und zu bleiben, und er sei für Fragen und Hinweise offen. „Ich verspreche, dass ich jede Frage beantworte. Ich verspreche aber nicht, dass Ihnen jede Antwort gefällt“.