Kirche

Wie kann Kirche in Zukunft aussehen? Gemeindereferentin Isabella Weber sucht Wege auf dem Härtsfeld

Als junge Frau in kirchlichen Diensten: Isabella Weber ist Gemeindereferentin bei der Seelsorgeeinheit Härtsfeld. Sie hat eine sogenannte Innovationsstelle inne – und sucht neue Wege für Kirche und Glaube.

Während geistliche Würdenträger jetzt im Vatikan zum Konklave zusammenkommen, um abgeschottet ein neues Kirchenoberhaupt zu wählen, sitzt Isabella Weber, 35, in ihrem Büro in Nattheim und sieht dieser Entscheidung ziemlich gelassen entgegen. „Rom ist für mich so weit weg“, sagt sie und vertritt vielmehr die Haltung: „Glaube findet hier vor Ort statt.“

Isabella Weber ist Gemeindereferentin bei der Seelsorgeeinheit Härtsfeld und erfüllt hauptsächlich eine sogenannte Profilstelle oder Innovationsstelle. Diese Stellen hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart geschaffen, um Wege zu suchen, Kirche vor Ort erlebbar und zukunftsfähig zu machen. Isabella Weber und ihre Mitstreiter auf den anderen rund 60 Stellen sollen „Ideen entwickeln und umsetzen, mit denen sie die Kirche auf die Zukunft hin gestalten wollen“, heißt es konkret.

Isabella Weber ist da, um neue Dinge auszuprobieren

Isabella Weber will klarstellen: „Wir sind nicht da, um die Kirche zu retten.“ Vielmehr gehe es darum, neue Dinge auszuprobieren. Um auszuloten, was ankommen kann bei Gläubigen, bei Christen, bei den Menschen. Oder im Umkehrschluss: Wie Kirche ankommen kann bei den Menschen. Die Stellen sollen Experimentierorte sein.

Dafür gibt es vielfältige Ansätze, die Schwerpunkte können ganz unterschiedlich gesetzt werden. Während andere Projekte in der Jugendarbeit, an Schulen oder in der Trauerarbeit umsetzen und versuchen, Kirche so ins Leben der Menschen zu holen, verantwortet Isabella Weber das für die Stelle initiierte „Mehr“-Projekt. Wie kann Kirche auch im ländlichen Raum präsent sein und bleiben, zu den Menschen kommen? Das ist die zentrale Frage, mit der sich Isabella Weber beschäftigt.

Wir wollen zeigen, dass Kirche auch anders gelebt werden kann.

Isabella Weber, Gemeindereferentin bei der Seelsorgeeinheit Härtsfeld

„Wir wollen, wie der Name sagt, mehr bieten – ohne Konkurrenz zu Bestehendem zu sein“, sagt die 35-Jährige. Das ist ihr wichtig. Hauptpfeiler des Projekts sind die sogenannten „Mehr“-Gottesdienste, die in der Friedenskirche in Dischingen angeboten werden. Einmal monatlich, ohne feste Liturgie. „Unsere Gottesdienste sind ziemlich anders“, sagt Isabella Weber. So kann ein Ostergottesdienst – wie kürzlich geschehen – auch als Spaziergang stattfinden. Konfessionsübergreifend und locker. Hauptziel: „Wir wollen die Menschen, die noch glauben, mitnehmen“, so Isabella Weber. „Wir wollen zeigen, dass Kirche auch anders gelebt werden kann.“

Neuauflage für Walk&Talk am Härtsfeldsee geplant

Darüber hinaus, versucht Isabella Weber auf ganz unterschiedliche Weise, zu den Menschen zu kommen. So organisiert sie beispielsweise regelmäßig eine Verschenkbörse. „Da kommen dann auch mal Menschen, die sonst vielleicht nichts mit Kirche zu tun haben“, sagt sie. Vergangenes Jahr hatte sie zudem die Reihe „Walk&Talk“ ins Leben gerufen – ein offener Lauftreff am Härtsfeldsee. Da muss es nicht biblisch zugehen, Zusammensein steht im Vordergrund. Im Juli soll es wieder losgehen. Die Resonanz? „Also, ich war nie alleine“, sagt Isabella Weber. Klar, es kämen eher ältere Menschen, aber Bedarf sei da.

Und Kirche kann man auch mal größer denken: So hatte Isabella Weber bereits zwei Themenmonate organisiert, mit Fachvorträgen und Diskussionen. Im November vergangenen Jahres ging es um Sterbehilfe und assistierten Suizid. „Das ist natürlich dann schon öffentlichkeitswirksam“, so die Gemeindereferentin. Ohne erhobenen Zeigefinger gehe es darum, „dass die Kirche ja auch immer was zu sagen hat in diesen moralischen Themen“, erklärt Isabella Weber.

Isabella Weber will nicht nur schimpfen, sie will was tun

Sie ist in ihrem fünften Jahr bei der Seelsorgeeinheit. Nach und nach habe die „Mehr“-Reihe Wiedererkennungswert erlangt. Und auch, wenn die Resonanz auf die Veranstaltungen schwankt, ist sie „begeistert, wie gut es angenommen wird.“ Eines sei sicher in der kirchlichen und seelsorglichen Arbeit: „Es braucht Geduld.“ Dennoch soll Isabella Webers Arbeit nicht im Sand verlaufen: Die Arbeit der Profilstellen wird begleitet und evaluiert vom Zentrum für angewandte Pastoralforschung Bochum. Die Kirche will etwas herausziehen.

Isabella Weber hat eine ganz klare Haltung: „Man kann nicht nur motzen, man muss auch was tun.“ Sie weiß um den wackeligen Stand der Kirche, um den drastischen Mitgliederschwund, um Vertrauensverlust und dunkle Kapitel. Doch sie sagt: „Ich kann vor Ort lenken, ich kann etwas tun für die Menschen.“ Denn, dass Glaube weiter bestehen bleiben wird, dass er wichtig bleiben wird für die Menschen, dessen ist sie sich sicher. Die Kirche hingegen sei menschengemacht – „ob sie so bestehen bleibt, wage ich zu bezweifeln.“

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