Der Raum ist in gedämpftes Licht getaucht, Musik untermalt die Stille. Im Kreis stehen Staffeleien. Pinsel und Farben sind angerichtet. Alles ist bereit. Es ist ein Freitagabend und unterm Dach des Familienzentrums in der Nattheimer Wiesbühlschule findet heute ein Malkurs für Frauen statt.
Kurz vor Start tippt Dozentin Christina Braulik die Playlist zurecht, zündet eine Duftkerze an. „Die Teilnehmerinnen sollen sich richtig wohlfühlen und runterkommen“, erklärt die Fleinheimerin. Heute ist Kursauftakt und auch die Dozentin ist ein wenig nervös. Das merkt man ihr an.
Die Frauen, die heute an die Leinwände treten, sollen „Zeit für sich haben“, Me-Time genießen, wie man sagt. Mehr noch: „Ich würde den Frauen so gerne weitergeben, was Kunst bewirken kann. Es ist Selbsttherapie, man kann aufladen, all seine Emotionen reinlegen. Wenn man gemalt hat, fühlt man sich wie neu geboren“, sagt Christina Braulik. Und sie weiß, wovon sie spricht.
Bunt durchs Leben: Christina Braulik malt schon seit Kindertagen
Denn Malen ist schon immer eine große Säule ihres Lebens. Seit Kindertagen skizziert, zeichnet, korrigiert Christina Braulik. Bleistift, Pinsel und Farben haben sie durchs Leben geleitet. „Ich habe schon früh Dinge nachgezeichnet und habe mir eigentlich alles selbst beigebracht. Ich liebe es, zu malen“, so die 38-Jährige, die eigentlich aus der Günzburger Gegend stammt, heute aber zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in Fleinheim lebt. Sie erklärt: „Für mich ist Kunst ein Gefühl – das möchte ich transportieren.“
Ich würde den Frauen so gerne weitergeben, was Kunst bewirken kann.
Christina Braulik, Leidenschaftliche Malerin und Dozentin
Während der Schulzeit hat sie mit ihrer Malerei mehrere Wettbewerbe gewonnen. Ihr Plan war es, Kunst zu studieren. Doch das Leben wollte es anders. Sie malt für sich selbst, für Freunde, immer wieder fertigt sie Auftragsarbeiten. Das würde sie gerne ausbauen. Eine eigene Ausstellung ist ihr großes Ziel. Von der Kunst leben zu können, ihr Traum.

Zurück im Kursraum. So langsam kommen die Teilnehmerinnen zusammen. Vier Frauen sind es heute. Eine gewisse Verunsicherung durchzieht den Raum. „Ich hab sowas noch nie gemacht“, sagt die eine. „Das wird toll“, ermutigt die andere. Nach und nach nimmt jede Dame ihren Platz vor der bereits platzierten Staffelei ein, auf der alte Farbstriche von bereits gefertigten Werken zeugen. Dann wird es still.
Eine weiße Leinwand: ein Hauch von Druck auf den Teilnehmerinnen
Christina Braulik leitet an: „Ich habe euch heute ganz bewusst kein Thema vorgegeben, lasst euch einfach von der Musik leiten und malt, was ihr malen möchtet.“ Die Dozentin ist überzeugt: Jeder kann malen. Man muss nichts Bestimmtes können oder mitbringen. Wenn man sich frei macht von Erwartungen, können die schönsten Dinge entstehen, meint sie.

Bedenken bahnen sich ihren Weg. „Das ist nichts für mich“, sagt eine der Damen und mustert ihre quadratische farblose Leinwand. „Nach dem Tag heute muss ich erstmal durchatmen“, sagt die andere. Auch als Außenstehende spürt man den Druck aufsteigen. Den Druck, produktiv zu sein. Nervöse Blicke wandern zum Malnachbarn. Überall wird nach Inspiration gesucht. Dann greift eine nach der anderen zum Pinsel. Mit jedem Durchatmen wird die Leinwand voller und die Frauen mutiger. Und Christina Braulik quittiert: „Meistens entstehen die besten Werke, wenn man lange mit sich hadert.“
Christina Braulik bietet auch Kurse für Kinder an
Christina Braulik selbst malt alles, was ihr in den Kopf kommt – am liebsten Frauen. „Ich finde sie einfach schön, sie verkörpern für mich Emotionen pur“, sagt sie. Die Musik inspiriert sie. So pinselt sie in ihrem eigenen Stil Acrylgemälde in vielfältigen Ausführungen auf Leinwände. Ein jedes ihrer Werke bekommt einen Namen. Jedes hat eine Geschichte. „Ob es gefällt, das liegt im Auge des Betrachters“, so Christina Braulik.
Was sie kann, möchte sie weitergeben. Sie möchte auch anderen Menschen das Tor zur Kunst öffnen. Ganz niederschwellig. So leitet die Dozentin den Abend über immer wieder an, ermutigt, gibt Hilfestellungen. Nebenbei verrät sie, dass eine Freundin sie „liebevoll gedrängt“ habe, solche Kurse anzubieten. Auch für Kinder gibt es Angebote. „Die kommen gut an“, sagt Christina Braulik.
Der Abend geht vorüber. Bei netten Gesprächen und tiefer Konzentration verfliegt die Zeit. Nach und nach sind auf den Leinwänden ganz unterschiedliche Kunstwerke entstanden. Mal ist es düster, mal abstrakt, aber immer ganz individuell. Die Damen verlassen den Raum. Und eine Frage bleibt: Hat heute eine die Kunst für sich entdeckt?
Wer sich für die Malkurse interessiert, kann sich im Nattheimer Familienzentrum anmelden. Werke von Christina Braulik kann man sich bei Instagram unter christls_offbeatart ansehen: