Die Erinnerung reißt Wunden auf. Svenja, die zumindest ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist heute 32 Jahre alt und grundfröhlich. Eine Frau, die mit ihrem Lächeln ansteckt. Sie ist positiv, sieht immer das Gute. Freunde und Familie schätzen das an ihr.
Doch wenn sie über ihre Geschichte spricht, wenn sie in Erinnerungen kramt, kommt der Schmerz ganz unausweichlich. Er schleicht sich jäh in ihr Gesicht. Ein Lächeln trifft dann auf stille Tränen. Svenja hat den Krebs besiegt.
Im Herbst 2022 hat Svenja einen Knoten in ihrer Brust entdeckt
Ihre Geschichte ist eine, die von Mut, Hoffnung und unbändiger Angst geprägt ist. Doch Svenja möchte sie erzählen. Sie will offen sein und auf die Krankheit aufmerksam machen. Sie will, dass Frauen nicht abgetan, sondern ernst genommen werden. Denn ihre Geschichte zeigt: Der Krebs kann immer kommen. Zu jedem. Egal, wie alt.
Rückblick. Es ist Herbst 2022. Svenja ist seit einem Jahr Mutter eines kleinen Sohnes. Sie lebt in Burghagel. Sie stillt gerade ab, liebt das Leben als junge Mama, geht viel raus, trifft Freunde. Immer wieder bemerkt sie einen Knoten in ihrer Brust, denkt sich aber nicht viel, denn während der Zeit des Abstillens können Veränderungen auftreten. Nach Wochen aber entscheidet sie, zum Arzt zu gehen. Ein mulmiges Gefühl begleitet sie.
Der Arzt winkt zunächst ab, reagiert dann aber schnell
Zunächst winkt der Arzt ab, Svenja sei viel zu jung, zudem habe sie voll gestillt. Sie sei keine Risikopatientin. Doch beim Ultraschall wird er unruhig. „Das werde ich nie vergessen. Und ich wusste eigentlich sofort, dass ich krank bin“, erzählt Svenja. Es folgt eine Biopsie, eine Gewebeentnahme, um die Veränderung einordnen zu können. Es sind bange Tage.
Und dann, am 8. Dezember 2022, kam die Diagnose. Svenja hat Brustkrebs. Mit 29 Jahren. Ganz exakt und medizinisch korrekt heißt ihr Tumor „Her2neu:low“. Svenja nennt ihn fortan Egon. Und sie sagt ihm den Kampf an.
Die häufigste Krebsart bei Frauen in Deutschland ist Brustkrebs
Brustkrebs ist nach wie vor die häufigste Krebsart bei Frauen in Deutschland. Laut Robert-Koch-Institut erkranken in Deutschland jedes Jahr mehr als 70.000 Frauen und mehr als 700 Männer neu daran. Laut dem Zentrum für Krebsregisterdaten erkrankt hierzulande etwa eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Zunehmend sind auch Jüngere betroffen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt laut Deutscher Krebshilfe für Frauen bei 65 Jahren, für Männer bei 71 Jahren.
Warum Brustkrebs entsteht, weiß niemand genau. Die Deutsche Krebshilfe erklärt auf ihrer Homepage: „Klar ist, dass die Veränderung des Erbgutes einer einzigen Zelle der entscheidende Schritt von einer normalen Zelle zu einer bösartigen Tumorzelle ist. Diese Veränderung führt dazu, dass diese Zelle ihre natürliche Teilungshemmung verliert: Sie kann sich dann ungehindert vermehren, bis schließlich viele Millionen Zellen eine Geschwulst bilden.“
Es gibt Risikofaktoren. Dazu gehören beispielsweise Übergewicht, zu wenig Bewegung, der übermäßige Konsum von Tabak und Alkohol, die Einnahme bestimmter Hormonersatztherapien und eine familiäre Vorbelastung, wie es bei der Deutschen Krebshilfe heißt.
Am Heidenheimer Klinikum werden pro Jahr 140 Patientinnen versorgt
Am Heidenheimer Klinikum werden pro Jahr zirka 140 sogenannte primäre Mammakarzinom-Patientinnen behandelt. Chemotherapie, Bestrahlung, Operationen, Nachsorge: Auf jede Patientin wird eine individuelle Therapie zugeschnitten. Jeder Mensch ist anders, jeder Krebs ist anders.
Carina Paschold ist Chefärztin der Heidenheimer Frauenklinik und sagt: „Die Zahlen sind relativ steigend, durch Screening werden mehr kleinere Tumore entdeckt.“ Zudem seien jüngere Frauen sensibilisiert und ließen früher bei Auffälligkeiten die Brust untersuchen.
Sie ordnet ein: „Brustkrebs ist sehr gut behandelbar. Meistens erfolgt eine OP mit anschließender Bestrahlung und endokriner Therapie. Es gibt mittlerweile sehr gute Behandlungskonzepte.“ Moderne Therapien führten zu immer besseren Verläufen. Die Überlebensrate liege über alle Tumorarten der Brust bei 82 Prozent, ordnet die Ärztin ein. Sie rät zur Vorsorge und appelliert an die Frauen: „Geht zum Screening, bei Auffälligkeiten zum Frauenarzt zur Abklärung, einmal im Jahr zur Vorsorge und nach der Geburt rate ich, mindestens sechs Monate zu stillen.“
Immer dienstags war Chemotag für Svenja
Svenja hat in kein Raster gepasst, aber dank der schnellen Reaktion eine Therapie bekommen. Nach der Diagnose ging alles Schlag auf Schlag. Sie kam ans Brustzentrum Aalen. Ganzkörper-MRT, Thorax-CT, Knochenszintigrafie: Die ganze Diagnostik-Maschinerie lief an. Am 19. Dezember 2022 wurde ihr Port gesetzt. Ein dauerhafter Zugang zu einer Vene, um es einfach auszudrücken. Oder so: Von hier lief die Chemo in den Körper. Eine farblose Flüssigkeit aus einem Beutel, die so viel Leben nimmt, aber heilen kann.
Am Donnerstag wollte ich wieder ganz normal seine Mama sein.
Svenja, hat den Krebs besiegt
Für Svenja war immer dienstags Chemotag. Den Start hatte sie nach Weihnachten organisiert. „Ich wollte noch ein Weihnachten haben, an dem ich ganz normal bin. Ich wusste ja nicht, ob es mein letztes Weihnachten sein würde“, erzählt sie. Wenn sie in Aalen war, übernahmen der Papa und die Familie die Betreuung des Sohnes. Alles war eingetaktet. Die damals 29-Jährige hatte sich zum Ziel gesetzt, bis Donnerstag wieder so weit auf den Beinen zu sein, dass sie sich eigenständig um ihren kleinen Sohn kümmern kann. „Am Donnerstag wollte ich wieder ganz normal seine Mama sein. Das hat mich gehalten“, sagt sie. „Und es hat auch immer funktioniert.“
Mit bunten Kopftüchern gegen die Willkür der Welt
Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall: Svenja hat den ganzen Leidensweg erlebt. „Es ist genau so, wie man sich das vorstellt“, sagt sie. Als die ersten Haare ausfielen, rasierte ihr Partner ihr den Kopf kahl. „Ich wollte das selber entscheiden“, betont sie. Verstecken und Kopfeinzehen war nichts für sie: Die junge Mutter hat sich jeden Tag geschminkt, sich die Blicke der anderen mit einem bunten Kopftuch erträglicher gemacht. „Ich wollte nie klein beigeben. Ich wollte immer Frau sein und mich einigermaßen gut fühlen“, erklärt sie.
Svenjas Prognose war gut. Die Ärzte waren von Anfang an zuversichtlich. Zumal es neben den zwei Metastasen in den Lymphknoten keine weiteren Streuungen im Körper gab. Die Chemo schlug an, der Tumor in der Brust wurde fast um die Hälfte kleiner. Im Juli 2023 erfolgte die operative Entfernung des Tumors sowie der meisten Lymphknoten in der rechten Achselhöhle. Vorsichtshalber.
Die Chemotherapie ist erst jetzt zu Ende, der bange Blick bleibt
Die Chemotherapie wurde dann in Tablettenform fortgesetzt. Zudem erfolgte eine Hormontherapie. Svenja wurde in die Wechseljahre versetzt. Eine Vorsichtsmaßnahme, da ihr Tumor hormonell bedingt war. Kinder kann sie keine mehr bekommen. Das ist ihr Preis für eine höhere Chance auf ein langes Leben.
Es kann immer alles passieren. Aber ich bin jetzt hier und lebe.
Svenja, hat den Krebs besiegt
Heute ist ein besonderer Tag. Svenja hat ihr Endgespräch im Brustzentrum, die Chemotherapie ist vorbei. Sie gilt als krebsfrei, aber erst nach fünf Jahren ohne Rückfall ist sie „geheilt“, wie die Mediziner sagen. Vor ihr liegt in einer Plastiktüte eingepackt der Port, über den die Medikamente in ihren Körper flossen. „Den behalte ich als Erinnerung“, sagt Svenja. Ihr Blick verrät, was sie mit ihm verbindet. Ihr Leben hing an diesem Teil.
Offenheit ist Svenjas große Stärke – Heute will sie aufklären
Svenja will kein Mitleid, sie will wachrütteln. „Frauen unter 30 werden in diesen Sachen nicht ernst genommen“, sagt sie. Sie will ermutigen, sich nicht abwimmeln zu lassen, für sich einzustehen, wenn man spürt, dass am Körper etwas nicht stimmt. Wenn diese leise Stimme flüstert: „Da muss etwas sein.“
Früh hatte sie sich entschieden, offen mit ihrer Krankheit umzugehen. „Das war meine Stärke“, sagt sie im Rückblick. Sie will aufklären – und an Tagen wie heute die Botschaft senden: „Geht zur Vorsorge, tastet euch ab, verschließt nicht die Augen. Früherkennung kann euer Leben retten.“
Eine Früherkennung kann Leben retten
Tatsächlich spielt die Früherkennung eine wichtige Rolle. Denn je früher die Krankheit entdeckt und behandelt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen Frauen Früherkennungsuntersuchungen für Brustkrebs ab 30. Dabei werden einmal im Jahr die Brüste abgetastet und die Lymphknoten kontrolliert. Ab 50 bekommen Frauen alle zwei Jahre eine Mammografie (eine Röntgenuntersuchung der Brust) bezahlt. Für Svenja wäre das zu spät gekommen. Sie rät, einmal im Jahr einen Brustultraschall machen zu lassen – wenn es sein muss, auf eigene Kosten.
Svenjas Weg ist nicht zu Ende. Noch ist sie keine fünf Jahre krebsfrei. Immer schwelt da diese Angst vor einem Rückfall, vor einem neuen Tumor, einem neuen Leidensweg. „Logisch, das ist bei jeder Untersuchung da“, lässt sie wissen. Bei dem Gedanken steigen Tränen in ihre Augen. Doch sie lächelt und sagt: „Es kann immer alles passieren. Aber ich bin jetzt hier und lebe.“
Der „pinke Oktober“ will für Brustkrebs sensibilisieren
Der Weltbrustkrebstag findet jedes Jahr am 1. Oktober statt und ist Auftakt für den Brutkrebsmonat Oktober. Weltweit machen Organisationen mit verschiedenen Kampagnen und Aktionen auf die Krankheit aufmerksam. Ziel ist es, zu sensibilisieren, über Themen wie Früherkennung, Vorsorge und Forschung aufzuklären. Insgesamt soll damit ein Zeichen der Solidarität Betroffenen gegenüber gezeigt werden. Zudem soll das Bewusstsein in der Gesellschaft gestärkt werden. Die rosa Schleife – auch „Pink Ribbon“, genannt, gilt als internationales Symbol, durch das Solidarität mit betroffenen Frauen zum Ausdruck gebracht wird.