Landwirtschaft

Wo man auf der Ostalb den Weinbau neu für sich entdeckt hat

Weinberge sind im Ostalbkreis in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Wo sie stehen und warum sie gepflanzt wurden.

Die Ostalb hat den Weinbau für sich entdeckt – oder genauer gesagt: wiederentdeckt. Bereits vor Jahrhunderten hatten die Reben hier ihren Platz, und es wurde Wein gekeltert. Bestens belegt ist das zumindest für Neresheim. Bis zum 16. Jahrhundert wurde auf dem Härtsfeld Wein angebaut, das haben Bodenproben ergeben. Ein barockes Fresko von 1733 zeigt sogar eine Weinlese-Szene, und historische Bodenproben ergaben, dass schon vor 700 Jahren Erde für Weinberge herbeigeschafft wurde, wie Neresheims Stadtarchivar Dr. Holger Fedyna aufzeigt.

Doch im Zuge der „Kleinen Eiszeit“ und durch die Folgen des Dreißigjährigen Krieges erlosch die Tradition. In den vergangenen Jahren haben Neresheim und auch andere Kommunen einen neuen Anlauf mit „Versuchsweinbergen“ genommen. In einer Kommune wagt man sogar Großes.

Essingen: Solaris für die Remstalgartenschau

Bereits 2015 hat Essingen im Vorfeld der Remstalgartenschau ein Zeichen gesetzt: 99 Rebstöcke der pilzresistenten und kälteunempfindlichen, sogenannten Piwi-Sorte „Solaris“ wurden direkt in dem gemeindeeigenen Weinberg am Remserlebnisweg gepflanzt. „Wir gehörten damit wohl zu den Pionieren“, sagt Bürgermeister Wolfgang Hofer. 2019 konnte dann pünktlich zur Remstalgartenschau der erste Wein verkostet werden. „In diesem Jahr gibt es genügend Mengen, aber im Juni war es doch nass“, so Bürgermeister Wolfgang Hofer vorsichtig zur kommenden Lese. „Wir haben hier nur einen kleinen Wengert, aber der Wein ist gut genießbar und gut zu trinken.“ 200 Flaschen „Remsquelltröpfle“ in 0,375-Liter-Flaschen brachte die erste Lese. Mittlerweile kommt der Wein in Dreiviertelliter-Flaschen, die verschenkt werden.

150 Flaschen Wein gab es aus der Neresheimer Lese im vergangenen Jahr. Rudi Penk

Neresheim: Wiederbelebung unterhalb des Klosters

Seit vier Jahren hat auch Neresheim seinen Versuchsweinberg. In Südhanglage, am Fuße des Neresheimer Klosters, wurden vier sogenannte Piwi-Rebsorten, hier Laurot, Pinotin, Muscaris und Sauvitage, gepflanzt. 99 Rebstöcke, denn mehr dürfen es für einen Versuchsweinberg nicht sein. „Dem Wein geht es gut, die Stöcke hängen relativ gut voll“, berichtet Bürgermeister Thomas Häfele. 150 Flaschen Ertrag habe man im vergangenen Jahr aus der Lese gehabt. „Wir haben nun mal die Pflanzrechte erworben, und es kann sein, dass wir im nächsten Jahr mehr anbauen und so den Ertrag vielleicht verdoppeln.“ Dann könne man den Wein, den es bisher bei Festakten zu probieren gab oder als Dankeschön in die Hand gegeben wurde, vielleicht auch im kleinen Stil verkaufen. Denn der Wein habe fast 90 Öchsle gehabt und sei unerwartet süffig gewesen, so der Neresheimer Schultes.

Oberkochen: Versuchswein kein „Semsakrebsler“

Auch Oberkochens Stadtoberhaupt Peter Traub ist Weinliebhaber. Bereits 2019 wurden in sonniger Südhanglage unterhalb des Tiersteins 99 Rebstöcke Souvignier gris gepflanzt. „Im Jahr 2023 wurde dann der erste Jahrgang, also die Lese von 2022, auf rund 200 Flaschen gezogen und im Remstal abgefüllt“, so Traub. Seine anfängliche Befürchtung, dass ein „Semsakrebsler“ herauskommt, habe sich nicht bestätigt. „Herausgekommen ist ein leichter, fruchtiger und zugleich charaktervoller Weißwein, der mit vielen Standardprodukten, die es landauf landab zu kaufen gibt, locker mithalten kann.“

Das Kochertal eigne sich also sehr gut für den Weinbau. Auch, weil viele Weinanbaugebiete wie an der Mosel oder im Remstal mittlerweile zu viele Trocken- und Hitzephasen haben, die vor allem den Weißweinanbau erschweren. „Das könnte eine Chance für den kühleren Ostalbkreis sein“, so der Bürgermeister. Natürlich schaue er ab und an nach dem Weinberg. „Nomen est omen“, sagt Traub. Allerdings übernehme ehrlicherweise der städtische Bauhof die gesamte Pflegearbeit, weshalb er noch auf der Suche nach Leuten sei, die den Oberkochener Weinberg mit ihm gemeinsam ehrenamtlich pflegen.

Mutlangen: Anbau im Privatgarten

Vor ein paar Jahren wurden in einem Privatgarten in Mutlangen Rebstöcke gepflanzt. Und es gibt sie immer noch. Der Mutlanger Weinberg sei noch in Betrieb, so Dr. Jens Mayer. „Letztes Jahr haben Vögel und Wespen die allerdings stark durch die Trockenheit dezimierten Reben weggefressen“, so Mayer. Im Jahr davor habe er aber mit seinem Nachbarn eigenen Wein keltern können. „Der schmeckt zwar eher wie Traubensaft mit etwas Alkohol, aber immerhin ist es selbst ausgebauter Wein“, sagt der Hobby-Weinbauer. In diesem Jahr werde er wieder eine Weinlese machen und diesen auch verarbeiten. Vermutlich schon am ersten Septemberwochenende.

Bopfingen: Anbau im größeren Stil

Auch in Bopfingen ist man auf den Wein gekommen. Und zwar im größeren Stil. Insgesamt 865 Reben Calardis blanc und Souvignier gris wurden unter dem Ipf bei der Grundschule gepflanzt, um in den nächsten Jahren Ertrag zu liefern. „Das dauert vermutlich bis 2027 oder 2028“, so Henrike Heinicke aus Trochtelfingen. Die ehemalige württembergische Weinprinzessin hatte die Idee für den Weinanbau. Eventuell könne man zwischendurch mal einen Sekt probieren. Die Stöcke würden gehegt und gepflegt, damit die Energie in den Rebstock gehe. Sie selbst sei nicht jeden Tag vor Ort, sondern immer, wenn Arbeit anfalle. „Wir wollen den Weinberg aber auch so nutzen“, sagt Henrike Heinicke. Denkbar wäre im Herbst zum Beispiel ein Besen.

Weinland Ostalbkreis?

Winzer Tobias Schifferer aus Bönnigheim betreut die Reben in Neresheim und erklärt die besonderen Bedingungen für den Weinbau auf der Ostalb: Die liege höher als das Remstal. „Deshalb kann es hier witterungsbedingt auch im Mai noch Spätfröste geben“, so Schifferer. Dann, wenn die Rebe schon austreibe, was diese gefährde. Generell gebe es auf der Ostalb noch stärkere klimatische Schwankungen, als etwa im Remstal. „Die Ostalb ist trotz Klimawandel doch noch etwas rau“, sagt auch Henrike Heinecke aus Trochtelfingen. Und Klimawandel bedeute eben auch Wetterextreme.
Der Wein in Neresheim gedeihe aktuell gut, so Tobias Schifferer. Er rechnet mit einer Lese in der letzten Septemberwoche. Auf seinem eigenen Weingut hat Schifferer übrigens rund 5000 Reben pro Hektar angepflanzt.

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