Zeitzeuge Wilhelm Rochau erinnert sich

Warum Bächingen am Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren in Flammen stand

Als der Landkreis Dillingen 1945 von den Alliierten eingenommen wird, kämpfen die Nazis in Bächingen weiter. Wilhelm Rochau war damals dort und erzählt von den verheerenden Folgen.

Als die Alliierten Streitmächte im April 1945 den Landkreis Dillingen einnehmen, ist Bächingens Altbürgermeister und Ehrenbürger Wilhelm Rochau fünfeinhalb Jahre alt. Er versteckt sich damals mit seiner Familie in einem Keller außerhalb des Orts, auf einem Grundstück mit einer Scheune. Der Grund dafür ist ein bereits im Voraus vermuteter Fliegerangriff auf das Dorf. Denn obwohl die Amerikaner die deutschen Soldaten auf dem Weg von Ellgau im Donau-Ries nach Günzburg vertrieben hatten, verschanzte sich die SS im Gasthof Hirsch und im Schloss der Gemeinde – und wollte nicht gehen, obwohl die Lage der Nazis aussichtslos war.

„Das war einfach sinnlos“, sagt Rochau heute, 80 Jahre später, „die deutschen Truppen sind nicht abgezogen“. Sie hätten einfach abhauen und Bächingen einnehmen lassen sollen, sagt der Altbürgermeister. Die Gründe der Nazis kennt er bis heute nicht. Denn Bächingen sei im Krieg weder ein strategisch wichtiger Ort gewesen, noch habe es irgendwelche Vorzüge gegenüber anderen Gemeinden gegeben. Als er damals, am 25. April 1945, mit seiner Familie zurückkehrt, zeigt sich ihm ein grauenvoller Anblick. 32 der etwa 150 Anwesen, die zu dieser Zeit Bächingen bildeten, waren „total zerstört“ worden und Löschwasser gab es nicht.

Die Folgen der Zerstörung

Denn die Brenzbrücken wurden zuvor von den Nazis gesprengt, mit ihnen die Wasserleitung ins Dorf. Das hatte nicht nur zur Folge, dass es kein Wasser aus dem Hahn mehr gab, sondern auch, dass die Feuerwehr keines aus den Hydranten pumpen konnte, obwohl zahlreiche Häuser in Flammen standen. Die Behelfslösung: Jauche aus den Gruben der Bauern. Diese wurde genutzt, teils per Handpumpe, erzählt Rochau, um gegen das Feuer anzukämpfen, mit entsprechender Duftnote.

Die stand mit nichts da.

Wilhelm Rochau, Bächingens Altbürgermeister und Ehrenbürger

Die Sprengungen brachten im Übrigen nicht den gewünschten Effekt, nämlich Panzer davon abzuhalten, den Fluss zu überqueren. Die Raupenfahrzeuge fuhren nämlich einfach durch die Brenz. Die Bevölkerung musste das Verhalten der SS ausbaden. Rochau erzählt von einer Frau, die ihren Mann, ihre Tochter und an diesem Tag auch noch ihr Haus verloren hatte. Lediglich das Vieh habe man, aufgrund der vorherigen Vermutung, hinaustreiben können. „Die stand mit nichts da“, so der Altbürgermeister. Das alles hätte sich seiner Meinung nach zu einem großen Teil vermeiden lassen, wären die Nazis einfach zuvor abgezogen.

Ein weiteres Problem, das kurze Zeit darauf den Alltag der Wiederaufbauer zu einem großen Teil bestimmte, war die Knappheit an Baumaterialien. Steine, Holz und Co. waren schwer zu finden. Deshalb wurden die Menschen kreativ, um an ihre Werkstoffe zu kommen. Rochaus Vater etwa, damals Schäfer, habe einen Hammel geschlachtet und dessen Fleisch unauffällig auf dem Leiterwagen versteckt. „Wir Kinder mussten drauf, weil der Verkauf illegal war“, so der heute 86-Jährige. Denn Aufzeichnungen darüber wurden nicht gemacht. Stattdessen wurde das Lebensmittel nach Gundelfingen gekarrt und dort unter der Hand gegen Baumaterialien eingetauscht.

Begegnungen mit den amerikanischen Soldaten

Als der heute 86-Jährige damals nach dem Angriff mit seiner Familie nach Hause kommt, begrüßen ihn und seine Eltern amerikanische Soldaten, die sich dort „niedergelassen haben“, wie er sagt. „Aber zu uns Kindern waren die sehr nett“, so Rochau, „die haben uns Süßigkeiten gegeben. Das haben wir Kinder damals gar nicht gekannt“. Die Soldaten blieben auch noch eine Zeit lang im Haus, erzählt der 86-Jährige, er musste deshalb mit seiner Familie in einem Raum schlafen. Doch sie seien trotzdem froh über die Anwesenheit der Amerikaner gewesen, denn: „Damit war der Krieg für uns vorbei“.

Damit war der Krieg für uns vorbei.

Wilhelm Rochau, Bächingens Altbürgermeister und Ehrenbürger

Wilhelm Rochau, geboren 1938, ist Ehrenbürger der Gemeinde Bächingen. 40 Jahre lang war er Teil des Gemeinderats, 32 davon als Bürgermeister. 2018 veröffentlichte er anlässlich seines 80. Geburtstags ein Buch, in dem er seine Erinnerungen an die Gemeinde aufgeschrieben hat. 2023 folgte eine erweiterte Auflage zu seinem 85. Geburtstag. Der Fliegerangriff auf Bächingen jährte sich am Donnerstag, 25. April, zum 80. Mal. Deshalb findet am Sonntag, 5. Mai, ab 15 Uhr, ein Gedenktag beim Kriegerdenkmal auf dem Gemeindefriedhof statt.

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