Naturschutz auf dem Fairway

Wie Golfer und Wildbienen in Hochstatt zueinander finden

Golfplätze gelten als ökologische Problemzonen – doch der Club Hochstatt will es besser machen, mit „GolfBiodivers“. Wildbienen zählen, Blühwiesen pflegen, Lebensräume schaffen. Ist das echter Naturschutz oder nur Imagepflege?

Golf und Naturschutz? Für viele dürfte das nach einem Widerspruch klingen. Bezwungene Natur, kurzgemähte Rasenflächen, viel Wasser, wenig Leben: So könnten Stichworte lauten, die einem Laien wohl eher in den Sinn kommen. Zahlreiche Vorurteile umranken das Golfen. Dabei tun die Clubs seit Jahren vieles, um sich dieser zu entledigen. Einer von ihnen: der Golfclub Hochstatt Härtsfeld-Ries.

Der gemähte Weg für den Spielbetrieb führt mitten durch extensiv bewirtschaftete Naturflächen. Schroem

Mitten in der ländlichen Idylle, hoch droben auf der Albhochfläche bei Neresheim, erstreckt sich der Platz. Verena Ettig-Röhrl, Biodiversitätsbeauftragte und Schriftführerin des Hochstatter Clubs, und Clubmanagerin Beate Eichmeier engagieren sich dort für ein ehrgeiziges Ziel: Sie wollen zeigen, dass Golfplätze nicht nur Spielwiese für gut situierte Sportlerinnen und Sportler, sondern auch Rückzugsraum für Wildbienen, Insekten und seltene Pflanzenarten sein können.

„Golf hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Da ist ein Wertewandel im Gange“, sagt Ettig-Röhrl bei einem Besuch der Heidenheimer Zeitung vor Ort. Eichmeier ergänzt: „Heute geht es nicht nur um das Handicap, sondern auch viel um Verantwortung – gegenüber der Umwelt und gegenüber künftigen Generationen.“

Der Golfclub Hochstatt will zeigen, dass Sport und Naturschutz kein Widerspruch sein müssen. Schroem

Tatsächlich beteiligt sich Hochstatt seit 2023 aktiv am bundesweiten Forschungs- und Aufwertungsprojekt „GolfBiodivers“, welches Artenvielfalt auf Golfplätzen wissenschaftlich fördert und untersucht. Das auf sechs Jahre angelegte Vorhaben wird vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) und dem Bundesumweltministerium (BMUV) mit insgesamt 2,7 Millionen Euro gefördert. Der Deutsche Golf Verband (DGV) koordiniert das Projekt federführend. 64 Golfclubs nehmen deutschlandweit teil – Hochstatt war einer der ersten zwölf. Worum geht es konkret?

Hintergrund und Ziel des Projekts

Der Grundgedanke hinter „GolfBiodivers“ ist es, das ökologische Potenzial von Golfanlagen gesellschaftlich sichtbar zu machen, gezielt zu nutzen und zu fördern. Immerhin nehmen Golfplätze in Deutschland rund 13.000 Hektar Fläche ein und viele Anlagen verfügen über Flächen abseits der Spielbahnen, die kaum oder nur selten genutzt werden. Diese Bereiche – so die Idee – könnten mit der richtigen Pflege und Aufwertung zu wertvollen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen werden.

Schroem

Insgesamt sechs Maßnahmen sollen die Förderung der Artenvielfalt unterstützen. Dazu gehören die Anlage und Pflege von Blühwiesen sowie von Blühstreifen und sogenannten Saumvegetationen. Außerdem die verbesserte Mahd von Mähwiesen, die Anlage von Hecken samt fachgerechtem Rückschnitt und die Installation von Wildbienenhäusern.

Auf dem Hochstatter Golfplatz wurde vieles bereits umgesetzt. Allein: „Es geht nicht nur um das Anlegen von Blühstreifen oder Aufstellen von Wildbienennistkästen, sondern um systematische wissenschaftliche Arbeit, in die die Golferinnen und Golfer aktiv mit eingebunden werden“, erklärt Ettig-Röhrl. „Wir haben zum Beispiel mehrere Teams in Hochstatt, von denen sich jedes um einen Nistplatz kümmert: Regelmäßig zählen wir die Bienen, identifizieren deren Art und dokumentieren unsere Ergebnisse in einer App.“

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Citizen-Science-Projekt auf der Alb

„GolfBiodivers“ ist ein „Citizen-Science-Projekt“. Das bedeutet, dass nicht nur professionell Forschende, sondern auch Laien wie Golfclub-Mitglieder aktiv an der Datenerhebung und Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen beteiligt werden sollen.

In Hochstatt betreut eine Doktorandin der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg das Projekt vor Ort. Sie untersucht, wie sich die verschiedenen Maßnahmen auf die Wildbienenpopulation auswirken. Parallel führen Forschende der Universitäten Kiel, Münster und Freiburg weitere Untersuchungen durch: vom akustischen Vogelmonitoring über Bodenanalysen bis hin zur Beschäftigung mit der Artenvielfalt von Pflanzen, Insekten und anderen Tieren.

Hinsehen erwünscht: Erklärtafeln lenken die Aufmerksamkeit auf ökologische Aspekte des Platzes. Schroem

„Das Projekt vereint ökologische Forschung mit praktischer Anwendung – und wir als Golfclub sind ein lebendes Versuchsfeld“, erklärt Ettig-Röhrl sichtlich begeistert. Es sei ein schönes Gefühl, Teil von etwas zu sein, das wirklich Substanz habe, findet auch Clubmanagerin Eichmeier. Gibt es schon erste Ergebnisse?

Hochstatt als Trittsteinbiotop

„Aktuell ist es so, dass nach den ersten Untersuchungen zur Erhebung der vorhandenen Arten im Jahr 2023 die nächste Erhebung erst 2026 stattfinden wird“, erklärt Jörg Vowinckel-Ewald, Projektmanager beim DGV auf Anfrage der HZ. Warum das so sei, lasse sich leicht beantworten: „Bis sich die entsprechenden Aufwertungen faunistisch, floristisch und terrestrisch auf den jeweiligen Flächen durchsetzen, dauert es in der Regel mindestens drei Jahre.“

Die Artenzusammensetzung verändere sich nur langsam. Verlässliche wissenschaftliche Daten seien deshalb erst gegen Ende der Projektlaufzeit im Jahr 2029 zu erwarten. Dass sich das Engagement lohnen könnte, lasse sich aber schon jetzt erahnen. Aus Sicht des DGV zählt Hochstatt zu den Vorzeigeplätzen: „Der Golfclub Hochstatt ist ein Paradebeispiel für eine engagierte, nachhaltige Umnutzung von intensiv genutzten Agrarflächen hin zu einem von vielen Kleinstrukturen geprägten Trittsteinbiotop im östlichen Baden-Württemberg“, sagt Vowinckel-Ewald. Ein Trittsteinbiotop ist ein kleiner, ökologisch wertvoller Lebensraum, der wie ein verbindendes Element zwischen größeren Naturräumen wirkt und wandernden Arten als Zwischenstation dient.

Artenvielfalt statt Klischees

Golfclub Hochstatt präsentiert: Wie Golfen angebl. auch nachhaltig funktionieren kann Schroem

Verena Ettig-Röhrl, die das Amt der Biodiversitätsbeauftragten in diesem Jahr ehrenamtlich übernommen hat, betont: „Es geht darum, unsere Flächen nicht nur zu pflegen, sondern gezielt ökologisch aufzuwerten.“ Für sie bedeutet das nicht nur Artenförderung, sondern auch, den Mitgliedern den Wert naturnaher Gestaltung zu vermitteln.

Begleitet das Projekt „GolfBiodivers“ in Hochstatt mit organisatorischem Rückhalt: Beate Eichmeier. Schroem

Eichmeier sieht im Projekt eine willkommene Ergänzung zum sportlichen Betrieb: „Golfplätze stehen immer wieder in der Kritik, oft pauschal. Das Projekt gibt uns die Möglichkeit, sachlich zu zeigen, dass eine Golfanlage durchaus naturschutzrelevante Funktionen übernehmen kann, wenn sie entsprechend bewirtschaftet wird.“

Tatsächlich könnten Golfanlagen in Deutschland künftig eine größere Rolle im Naturschutz spielen: Wie bereits erwähnt, bewirtschaften Clubs rund 13.000 Hektar Fläche bundesweit – oft mit extensiv genutzten Arealen jenseits der Spielbahnen. Wo früher Getreide wuchs, blühen heute Margeriten und Glockenblumen, wo Golfspielende Bälle schlagen, nisten Vögel im Gebüsch.

Ein langer Atem

Ergebnisse lassen sich nicht von heute auf morgen messen, das machen die Beteiligten immer wieder deutlich. Aber auf dem Platz in Hochstatt ist bereits spürbar, dass sich etwas verändert: Es blüht, es summt und es bewegt sich etwas – im ökologischen und vielleicht auch im gesellschaftlichen Sinn.

Ein Beispiel für naturnahe Gestaltung: Blühwiesen als Lebensraum für Insekten. Schroem

Wenn’s summt auf dem Grün

Hinter dem Projekt steht ein Verbund aus fünf Partnern: Die Technische Universität München, die Universitäten Freiburg, Kiel und Münster sowie der Deutsche Golf Verband (DGV) arbeiten zusammen, um Artenvielfalt und naturnahe Strukturen auf Golfplätzen zu fördern und deren Entwicklung über mehrere Jahre hinweg zu dokumentieren. Der DGV bezeichnet „GolfBiodivers“ als das derzeit größte Biodiversitätsprojekt auf Golfanlagen in Europa.

Umgesetzt werden die Maßnahmen in Hochstatt von einem Team aus professionellen, sogenannten „Greenkeepern“ unter der Leitung von Volker Bantel.

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