Jetzt sind sie weg, in Schutt und Asche verwandelt, dem Erdboden gleichgemacht. Die Kühltürme von Block B und C sind Geschichte. Und das ging ganz schön schnell. Nicht einmal 45 Sekunden hat es gebraucht, um die beiden niederzulegen, wie es im Fachjargon heißt. Dreimal hat es dafür gekracht. Der erste Knall um Punkt 12 war eine Vergrämungssprengung, um Vögel und andere Tiere in der Nähe zu verscheuchen. Wenige Sekunden danach dann der zweite Bums. Turm B kippte leicht zur Seite und sackte fast schon unprätentiös in sich zusammen. 15 Sekunden später die dritte Explosion und Turm C fiel als wäre er aus Pappmaschee.
Gundremminger Kühltürme – doch kein „Jahrtausendbauwerk“
Rund 600 Kilogramm Sprengstoff in insgesamt 1800 Bohrlöchern waren erforderlich, um die beiden Türme – die in der Betriebsphase laut dem Energiekonzern RWE nie mit Radioaktivität in Berührung gekommen sind – umzuwerfen. Übrig bleiben 56.000 Tonnen Schutt. Es waren ja auch zwei Stahlbeton-Giganten. Mit 160 Metern fast so hoch wie das Ulmer Münster und mit einem Durchmesser von bis zu 130 Metern hätte man in jedem Turm locker ein Fußballfeld unterbringen können. Von einem „Jahrtausendbauwerk“ hatte RWE beim Bau gesprochen. Tatsächlich wurden die Kühltürme – zwischen 1977 und 1980 gebaut – nun aber nicht einmal 50 Jahre alt.
30.000 Zuschauer rund um die Sperrzone
Der befürchtete Nebel war am Samstag jedenfalls ausgeblieben, es gab freie Sicht. Und der Regen, der kurz vor der Niederlegung einsetzte, sorgte dafür, dass sich die Staubwolke in Grenzen hielt. Bestes Sprengwetter also. Schon morgens hatten sich die ersten Zuschauer rund um das stillgelegte Atomkraftwerk versammelt. Manche hatten in Wohnmobilen am Rand der Sperrzone die Nacht verbracht. Bis zum Mittag waren es laut Schätzungen der Polizei 30.000 Zaungäste – ausgerüstet mit Decken, Campingstühlen und Getränken. Auch im Kreis Heidenheim hatte man sich auf Anhöhen versammelt und auch hier herrschte Partystimmung und stellenweise verstopfte Straßen.

Einer, der die Sprengung nicht hautnah verfolgt hat, war Raimund Kamm. Seines Zeichens Atomkraft-Gegner und Vorsitzender des Vereins „Forum – Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik“. Für ihn war die Sprengung kein historisches Ereignis, sondern „belanglos“. Das überrascht insofern, als Kamm schon seit gut drei Jahrzehnten vor Atomkraft warnt und Gundremmingen zum Sinnbild und Ort seines Widerstands geworden ist. „Über die Kühltürme wurde jetzt sehr viel gesprochen, weil sie so präsent und sichtbar waren“, erklärt er seinen Standpunkt. „Der Todesmüll, der hier lagert, den sieht man nicht – aber der bleibt.“
Das Zwischenlager für Atommüll bleibt
Mit Todesmüll meint Kamm den radioaktiven Abfall, der aktuell in Gundremmingen in 153 Castor-Behältern lagert. Es ist das größte von insgesamt 16 Atommüll-Zwischenlagern in Deutschland und genehmigt bis 2046. Der hochradioaktive Abfall soll hier bis zu seiner Ablieferung an ein Endlager aufbewahrt werden. Ein Standort dafür wird allerdings seit Jahrzehnten gesucht und weltweit ist noch kein einziges Endlager in Betrieb. Kamm sagt: „Der Müll, der hier in Gundremmingen durch das Spalten von Uran und Plutonium erzeugt wurde, wird über eine Million Jahre tödlich strahlen. Das sind unvorstellbare 30.000 Generationen.“ Die Kühlturm-Kolosse waren also nicht für die Ewigkeit – die radioaktive Mülldeponie dagegen schon.