Ein schwerer Verkehrsunfall in Mexiko veränderte das Leben der Familie Staub-García aus Königsbronn schlagartig. Der zweijährige Oliver wurde dabei so schwer verletzt, dass er heute querschnittsgelähmt ist und intensivmedizinisch betreut werden muss.
Zum Zeitpunkt des Unfalls befanden sich Laura Staub-García, ihr Ehemann Stefan Staub und ihre drei kleinen Kinder – die bald fünfjährigen Zwillinge Julian und Sebastian sowie der zweijährige Oliver – auf einer sechswöchigen Reise in Mexiko, um Lauras Familie zu besuchen.
Zusammenstoß mit Geldtransporter
In der zweiten Woche ihres Aufenthalts – am 17. April – war die Familie mit dem Auto auf dem Weg zu einem Strandcafé, als sie eine dreispurige Straße überqueren wollten. Die Sicht war durch Bäume und Palmen eingeschränkt. Als sie sich langsam vortasteten, wurden sie von einem Geldtransporter mit hoher Geschwindigkeit erfasst, denn dieser fuhr statt den erlaubten 50 Kilometern pro Stunde, deutlich mehr als 100 Stundenkilometer, so Stefan Staub.
Alle drei Kinder saßen in nach vorn gerichteten Kindersitzen. Obwohl in Mexiko keine gesetzliche Kindersitzpflicht besteht, war es den Eltern wichtig, ihre Kinder sicher zu transportieren. Während die Zwillinge mit leichteren Verletzungen davonkamen, erlitt Oliver, der auf der anderen Seite saß, die schwersten Verletzungen. Stefan Staub konnte seine Kinder trotz einer gebrochenen Rippe aus dem zerstörten Fahrzeug retten. Oliver war zu diesem Zeitpunkt leblos.
Kritischer Zustand von Oliver
Oliver musste sowohl auf der Rückbank als auch im Krankenhaus reanimiert werden. Familienangehörige brachten ihn unmittelbar nach dem Unfall in eine Klinik, später wurde er per Flug nach Mexiko-Stadt transportiert. Dort wurde eine Notoperation durchgeführt, um die Wirbelsäule zu entlasten. Der Vater reiste mit den Schwiegereltern hinterher.
Laura Staub-García, die selbst verletzt im Krankenhaus lag, wurde später ebenfalls nach Mexiko-Stadt verlegt. Sie musste an Gesicht, Oberarm und einer Arterie unter dem linken Auge operiert werden. Die behandelnden Neurologen informierten die Eltern, dass Oliver möglicherweise innerhalb weniger Tage an seinen Verletzungen sterben werde. Die Familie bereitete sich auf das Schlimmste vor und hatte die Unterlagen zur Organspende bereits in der Hand. Doch Oliver überlebte.
„Er war schwach, aber wach.“
Der kleine Junge wurde von dort an über Wochen hinweg intensivmedizinisch versorgt. Ein Korsett stabilisierte seinen Oberkörper, eine Halskrause seinen Hals, um weiter Schäden zu vermeiden. Er erhielt einen Luftröhrenschnitt, eine Magensonde und einen Katheter. „Oliver hatte den Mund voller Schläuche, war schwach, aber wach“, erzählt Staub. In Mexiko wurde ihnen dann gesagt, dass er das Korsett tragen muss und in sechs Monaten die Verletzung ausheilen würde, er dann aber querschnittsgelähmt sei. Die Prognose ist, dass er seinen Kopf drehen kann.

Nach 39 Tagen auf der Intensivstation in Mexiko durfte er zu den Großeltern entlassen werden. Dort hatte der Großvater einen Raum umgebaut, mit Sauerstoffversorgung und ebenerdigem Zugang und die Eltern mussten einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren, um Oliver pflegen zu dürfen. Ein Rückflug nach Deutschland war ausgeschlossen – zu riskant bei seinem Zustand. Die größte Gefahr laut den Ärzten: Keime in der Klinik. 24 Stunden pro Tag kümmert sich das Elternpaar, im Wechsel mit einer Krankenschwester, um ihren zweijährigen Sohn. „Ein zweijähriges Kind sollte eigentlich mit Bauklötzen spielen und die Welt erkunden, aber das geht jetzt natürlich nicht“, sagt Stefan Staub.
Behandlung in Chicago
Durch viele Recherchen wurden die Staubs schließlich auf den US-amerikanischen Neurochirurgen Dr. Mohamad Bydon aufmerksam. Durch ein Telefonat erklärten sie ihm den Fall ihres Sohnes und schickten ihm Bilder zu. Er erklärte, dass Kinder mit diesen Verletzungen normalerweise gar nicht lebend ins Krankenhaus kommen.
Dr. Bydon wechselte zum ersten Juli zur University of Chicago Medicine und empfahl eine Operation, welche für den elften Juli angesetzt wurde. Oliver musste per medizinischem Flug nach Chicago gebracht werden – vier Stunden Hochrisikotransport, Kosten: 36.000 US-Dollar pro Strecke. Das Paar hatte die Kosten bereits im Voraus kalkuliert, doch beim Krankenhaus haben sie sich komplett verkalkuliert. Insgesamt waren für die Operation, Intensivstation und Betreuung 300.000 US-Dollar angesetzt worden.
Spende und Hilfe von Überall
Die Krankenversicherung, die Auslandskrankenversicherung, sowie die Versicherung, die sie in Mexiko bereits davor abgeschlossen hatten, haben zwar einen Teil der Kosten übernommen – doch längst nicht alles. Für die Operation in Chicago hatte die Familie alle Rücklagen aufgelöst – Altersvorsorge, Aktien, Auto, das Haus in Königsbronn steht zum Verkauf. Und auch die Spenden, die sie über eine Gofundme-Spendenaktion bekamen, die ehemalige Fußballmitspieler von Staub aus Steinheim kurz nach dem Unfall einrichteten, nutzen sie zur Ermöglichung der Operation in Chicago.
Stefan Staub schrieb schließlich in einem letzten Versuch eine E-Mail an die Toni-Kroos-Stiftung – ohne große Hoffnung. Doch am nächsten Tag kam ein Anruf. Eine Mitarbeiterin der Stiftung fragte, wie viel Geld noch benötigt würde. Als klar wurde, dass der Bedarf die üblichen Summen deutlich überstieg, sprach die Stiftung mit dem Vorstand – Toni Kroos, dessen Frau und einem Anwalt. Dann die Zusage: Die Stiftung übernimmt die fehlenden Kosten vollständig. „Ohne die Toni-Kroos-Stiftung hätten wir Oliver nicht nach Chicago bringen können“, sagt Staub.
Länger in Chicago als geplant
Die erste OP dauerte neun Stunden. Olivers Knochen waren so weich, dass sie mit plastischer Chirurgie und fixierenden Elementen stabilisiert werden mussten. Drei Tage später folgte eine zweite Operation zur weiteren Fixierung, diese erfolgte von vorne durch einen Schnitt am Rachen. Doch es kam zu Komplikationen: Bei der Absaugung traf eine Krankenschwester versehentlich einen geschwollenen Nerv – Olivers Herz blieb stehen. Er musste wiederbelebt werden. Einen Tag später hatte er einen Schlaganfall und Oliver war am Tag danach komplett abwesend und seine Augen waren nach links gedreht. Doch nun geht es Oliver schon etwas besser. Das jüngste MRT zeigte noch Flüssigkeit im Kopf, aber der Zustand stabilisiert sich. Die Familie hofft auf eine vollständige Heilung, weiß aber, dass es ein jahrelanger Weg wird – und dass nichts mehr ganz so sein wird wie früher.
Statt der geplanten zwei Wochen wird die Familie länger in Chicago bleiben müssen. Oliver trägt inzwischen nur noch eine Halskrause. Die Zwillinge Julian und Bastian sind weiterhin bei den Großeltern in Mexiko. „Wenn wir noch länger bleiben, holen wir sie her – Familie gehört zusammen“, sagt Staub.
„Wir leben von Tag zu Tag“
Der finanzielle und seelische Druck ist enorm. Stefan kann seinen Beruf bei Hartmann aufgrund der Entfernung derzeit nicht ausüben. „Kein Krankengeld, kein Kindergeld, keine Sozialhilfe – alles, was wir in Deutschland hätten, bekommen wir in Mexiko nicht.“, so der Familienvater. „Aber nach Deutschland können wir nicht, da hierfür die wohnliche Situation vorbereitet werden muss – unser derzeitiges Haus ist nicht barrierefrei.“
Trotzdem ist er dankbar: „Stand heute geht es Oliver gut. Uns geht es gut. Wir sind müde, weil wir uns mit den Krankenschwestern abwechseln und immer jemand bei Oliver ist.“ Auch eine weitere Spendenaktion läuft – durch eine Vermittlung der Toni-Kroos-Stiftung. Die Familie sagt viele Presseanfragen ab: „Es tut weh, wenn es nicht stimmt. Wenn andere Zeitungen sich Sachen zusammensuchen und die dann nicht einmal stimmen“, so Stefan. „Wir wollen ehrlich bleiben – das ist unser echtes Leben. Kein Filter mehr.“
Jeder Euro, so betont die Familie, fließt vollständig in Olivers medizinische Behandlung. Am Ende könnten die Gesamtkosten über eine Million US-Dollar betragen. „Oft reicht ein einfaches Danke gar nicht aus“, sagt Stefan Staub. Ihm und seiner Frau ist es besonders wichtig, dass jeder Beitrag – egal wie groß oder klein – wertgeschätzt wird.