Erst am Freitag wurde die Grundsteinlegung für die neue Bibris-Grundschule gefeiert. Fertig soll sie zum Schuljahr 2026/2027 sein und dann auch ein Ganztagsangebot für Kinder aller Klassenstufen im Repertoire haben. Das ist zumindest der Plan. Denn zunächst muss die Herbrechtinger Verwaltung noch einen Antrag auf Einrichtung als Ganztagesschule beim Regierungspräsidium stellen und dafür brauchte sie grünes Licht vom Gemeinderat, das in der jüngsten Sitzung auch einstimmig gegeben wurde.
Hintergrund ist der bundesweit ab 1. August 2026 geltende Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung von Grundschulkindern, der dann schrittweise in Kraft tritt. Der Anspruch auf ganztägige Betreuung (acht Stunden) gilt zunächst für Kinder der ersten Klasse und wird bis zum Schuljahr 2029/2030 auf alle Grundschuljahrgänge ausgeweitet. Um dem gesetzlichen Anspruch gerecht zu werden, ist die Einführung einer Ganztagesschule allerdings nicht zwingend notwendig. „Der Anspruch bezieht sich nicht auf die Schule, sondern auf die Betreuung“, erläuterte Tobias Schramek, Fachbereichsleiter Schule, Sport und Kultur. „Es wäre ausreichend, Betreuungsplätze in einem Hort zur Verfügung zu stellen.“ Und hier sei man in Herbrechtingen bereits sehr gut aufgestellt. „Wir haben Hortangebote an allen Schulstandorten und mehr als 1000 Kinder werden dort bereits nachmittags betreut.“
Hort vs. Ganztagesschule
Nach einer Elternbefragung und intensivem Austausch mit der Schulleitung habe man aber entschieden, an der Bibris-Grundschule einen neuen Weg einzuschlagen, so Schramek weiter. Man möchte eine Ganztagsgrundschule in Wahlform einführen. Eltern sollen also selbst entscheiden, ob ihre Kinder nach dem Regelunterricht betreut werden oder nicht. Und das jedes Schuljahr aufs Neue. „Das wird organisatorisch für die Schule eine Herausforderung, aber wir halten das für das beste Modell.“ Die neuen Räume der Grundschule böten auch neue Möglichkeiten. Vom Förderunterricht über Bewegungs-, Kreativ- und Musikangebote oder Arbeitsgemeinschaften.
Kostenlos, aber es gilt Schulpflicht
Geeinigt hat man sich mit der Schule auf ein 4×8-Modell. Das heißt, dass der Ganztagsbetrieb an vier Tagen pro Woche, also von Montag bis Donnerstag, jeweils acht Zeitstunden umfassen soll. Ein Benefit für Eltern: Die Betreuung nach der regulären Schulzeit wäre kostenlos. „Das ist insbesondere für Eltern interessant, die sich das Entgelt für einen Hort nicht leisten können“, erläuterte Schramek. Aber: So flexibel wie der Hort wird das Ganztagsangebot an der Grundschule nicht sein. Dort wird Schulpflicht bestehen. Hat man sich also dafür entschieden, muss die Betreuung auch für das gesamte Schuljahr genutzt werden und nicht nur tageweise wie in einem Hort möglich.
Im Gemeinderat kam die Frage auf, wer das Angebot am Nachmittag übernehmen soll. Schramek dazu: „Unser Wunsch ist, die Betreuung durch Lehrkräfte abzudecken, falls das nicht gelingt, führen wir schon Gespräche mit außerschulischen Kooperationspartnern.“ Dazu zählen beispielsweise die Musikschule, Sportvereine, Jugendhilfe oder die Kirchen.
„Das ist eine Chance für Eltern, die sich keinen Hortplatz leisten können“, merkte Petra Reiss, Stadträtin (Freie Wähler) und Leiterin des evangelischen Kinderzentrums in Herbrechtingen, an. „Aber wir haben selbst einen Hort und es macht einen riesigen Unterschied, ob das Angebot von einer pädagogischen Fachkraft oder von Laien gestaltet wird.“ Wie groß überhaupt die Chance sei, innerhalb so kurzer Zeit außerschulische Partner zu finden? „Die Leute sind berufstätig, wer macht das nachmittags?“ Auch Cornelia Stahl (Grüne) sah darin Schwierigkeiten. „In den Schulen fällt ja selbst schon viel Regelunterricht aus. Wie realistisch ist es, dass man genügend Lehrer findet?“
Finanzielle Anreize für Vereine und Co.
Schramek erläuterte die finanziellen Anreize, die dafür sorgen könnten. Je nach Inanspruchnahme des Ganztagsangebots wird der Schule durch das Land eine bestimmte Anzahl an Lehrerwochenstunden zugewiesen. Diese können anteilig in Geld umgewandelt werden. Eine Lehrerwochenstunde hat laut Schramek derzeit einen Gegenwert von 2142 Euro. Pro Ganztagsgruppe könnten im angedachten Modell acht Lehrerwochenstunden monetarisiert werden. Somit stünden pro Ganztagsgruppe und Schuljahr 17.136 Euro zur Verfügung. Dieser Betrag könnte eins zu eins an den jeweiligen Verein oder die Einzelperson weitergegeben werden. „Durch diesen finanziellen Anreiz stellen wir natürlich auch gewisse Qualitätsanforderungen.“
Die einen zahlen, die anderen nicht
„Dann haben wir Kinder, die das Ganztagsangebot kostenlos in Anspruch nehmen können und welche, die das nicht können“, gab Martin Müller (Freie Wähler) zu Bedenken. Theoretisch könnten sie, entgegnete Schramek: „In dem Fall müssten Eltern aus Bissingen oder Bolheim nur einen Wechsel des Schulbezirks beantragen.“ Die Elternbefragung habe jedoch ergeben, dass das Interesse gering sein dürfte. Zum Vergleich: Der monatliche Elternbeitrag für ein Kind im Hort Bissingen beträgt für eine Betreuung von fünf Tagen pro Woche 291 Euro und für vier Tage 233 Euro.
Cornelia Stahl bekundete dennoch die Sorge, dass die Verteilung der kostenlosen Plätze bei Eltern zu Unmut führen könnte. „Wer bekommt einen Platz, wenn sich doch mehr für die kostenlose Betreuung entscheiden?“ Hier gab Schramek Entwarnung: Geplant werde zwar derzeit mit zwei Gruppen á 25 Schülern. „Ab 29 angemeldeter Kinder wird es aber eine weitere Gruppe geben und wenn 80 Kinder angemeldet werden, wird es eben vier Gruppen geben.“
Der Antrag zur Einrichtung der Ganztagesschule wird nun über das staatliche Schulamt Göppingen beim Regierungspräsidium gestellt. Mit einer Entscheidung rechnet die Verwaltung spätestens bis zum Ende des Jahres. „Und dann könnten die Eltern ab März 2026 wählen, ob ihr Kind ganztags betreut werden soll oder nicht“, so Schramek.