„Neun Monate im Jahr müssen wir keinen Strom kaufen und sind komplett autark – das ist doch eine Hausnummer“, sagt Martin Plaseller und lacht äußerst zufrieden – ebenso wie seine Frau Verena: „Wir freuen uns jeden Tag, wenn der Stromspeicher voll ist. Es ist einfach toll, wenn man die Spülmaschine abends nochmal einschaltet, ohne dafür bezahlen zu müssen.“ Und seit man sich ein Hybrid-Auto angeschafft hat, tankt man quasi auch noch kostenlos. „Da fährt man mit einem breiten Grinsen an der Tankstelle vorbei.“ Ein weiterer Benefit sei der Notstrom. „Bei einem Stromausfall wird bei uns ein Inselnetz aufgebaut und das Haus wird mit Strom versorgt, während die Nachbarn im Dunkeln sitzen. Das ist schon ein paar Mal passiert.“
Seit drei Jahren ist die PV-Anlage auf dem Dach
Vor elf Jahren wurde das Haus in Herbrechtingen gebaut und seit 2022 ist die Garage der Plasellers mit insgesamt 26 Solarpaneelen bestückt. Die Anlage hat eine Leistung von 10,4 Kilowattpeak (kWp). Eine gut gedämmte Gebäudehülle sei ihnen bei Bau wichtig gewesen, so Verena Plaseller. Es sei ein "Fast-Passiv-Haus". Beheizt wird es mit einem Holzvergaser, der auch für warmes Wasser sorgt. Den Namen Vergaser hat die Holzheizung, weil sie das Holz im wahrsten Sinne des Wortes in Gas verwandelt. Dieses Holzgas wird dann unter hohen Temperaturen verbrannt. „So wird ein hoher Wirkungsgrad erreicht und die Heizung sorgt für weniger Emissionen“, erklärt die am Heidenheimer Schiller-Gymnasium tätige Lehrerin. Aber warum kam die PV-Anlage erst Jahre später? „Wir haben lange überlegt und priorisiert, was wir uns leisten können“, sagt ihr Mann Martin, der sein Geld als Physiotherapeut verdient. „Aber wenn wir 2014 schon gewusst hätten, wie viel eine Solaranlage bringt, hätten wir gleich eine aufs Dach gemacht.“
26.000 Euro hat die Familie in die Solaranlage und damit in ihre private Energiewende investiert. „Inzwischen sind die Preise für die Module aber gesunken“, sagt Jörg Weber. „Bei den meisten amortisiert sich eine Anlage in weniger als zehn Jahren.“ Weber ist Geschäftsführer von Enerix Heidenheim, Fachbetrieb für dezentrale Energiesysteme, und stand den Plasellers mit Rat und Tat zur Seite. „Viele in der Branche bieten Pauschallösungen an, wir suchen individuelle Lösungen für unsere Kunden.“ Dazu gehört die an den Verbrauch angepasste Größe des Stromspeichers ebenso wie die Ausrichtung der PV-Anlage. Denn es muss nicht immer die Südseite sein.

Im Fall der Plasellers wurden die Solarpanels auf der Garage in zwei verschiedene Richtungen ausgerichtet – nach Osten und Westen. „Eine PV-Anlage an der Südseite erzielt zwar einen höchsten Gesamtertrag, aber der Vorteil einer Ost-West-Ausrichtung ist, dass die Anlage über den ganzen Tag verteilt Strom produziert. Für Eigenverbrauchen ist das die bessere Variante“, erklärt Jörg Weber.
Verena Plaseller bestätigt das: „Es ist Wahnsinn, was da sogar abends noch reinkommt.“ Und auch im Winter erzeuge die Anlage Strom, insbesondere wenn es kühl und klar ist. Auch Nebel ist laut Jörg Weber irrelevant. „Ein Grundrauschen für die Versorgung von Elektrogeräten, wie Kühlschrank und Tiefkühltruhe, ist praktisch immer vorhanden.“ Über eine App lässt sich die produzierte Menge Strom genau ablesen. Im Dezember 2024 erzeugte die Anlage der Plasellers 138 Kilowattstunden (kWh) Strom, im Juni waren es 1332 kWh. Vor Inbetriebnahme einer PV-Anlage musste sie beim jeweiligen Netzbetreiber angemeldet werden. Und laut Energiefachmann Weber ist auch eine Netzüberlastung kein Hindernis für einen Anschluss. „Dann wäre der Netzbetreiber verpflichtet, das Netz zu verstärken oder auszubauen.“
Sechs Euro pro Monat für Strom
Rund 3700 Kilowattstunden Strom verbraucht die vierköpfige Familie pro Jahr. Vor der Solaranlage bezahlte man monatlich 124 Euro. Heute sind es 40 Euro pro Monat für die Zeiten, in denen man Strom zukaufen muss. Und über die Einspeisevergütung in Höhe von 7,7 Cent pro Kilowattstunde, für den überschüssigen Strom, der ins öffentliche Netz eingespeist wird, nehmen die Plasellers 34 Euro pro Monat ein. Die Vergütung ist für 20 Jahre garantiert. Allerdings hängt die Einspeisevergütung für neue Photovoltaik-Anlagen von der Anlagengröße ab und ob man den Strom ganz oder teilweise einspeist.
Dass die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Katharina Reiche, unlängst laut darüber nachgedacht hat, die Einspeisevergütung für private Betreiber von Solaranlagen zu kürzen oder ganz streichen, sorge für große Verunsicherung bei Kunden, so Jörg Weber. Doch noch ist nichts entschieden. Würde Familie Plaseller den Schritt erneut gehen, notfalls auch ohne die Vergütung? „Zu 100 Prozent würden wir es wieder machen“, sagt Martin Plaseller. „Es geht ja auch um die Frage, was wir hinterlassen. Verheize ich weiter fossile Brennstoffe oder investiere ich in die Zukunft meiner Kinder.“ Natürlich habe die Anlage auch einen gewissen Fußabdruck und die Komponenten müssten hergestellt werden, „aber wir betreiben trotzdem einen gewissen Umweltschutz und vor allem sind wir eben unabhängiger“.
In Österreich kann man Solarstrom mit Nachbarn teilen
Schade sei, dass der Strom nicht mit Nachbarn geteilt werden kann, wenn gerade zu viel da ist, findet Verena Plaseller. In Österreich sei das gang und gäbe. Und tatsächlich geht das dort schon seit Jahren, indem man eine Energiegemeinschaft gründet. So ist es Haushalten, Gemeinden oder Betrieben möglich, Solarstrom gemeinsam zu erzeugen und zu nutzen. Das Ganze läuft unter dem Begriff Energy Sharing und auf EU-Ebene gibt es bereits eine Richtlinie zum Thema. Das Gesetz, das ab Juli 2026 in der gesamten Europäischen Union umgesetzt werden soll, sieht vor, dass jeder, der zu viel Strom produziert, den Strom einfach mit Nachbarn teilen und den Preis dafür mitbestimmen kann. In Deutschland gilt derzeit: Wenn Solarbesitzer ihren Strom verkaufen, werden sie zu Stromlieferanten - mit Verträgen, Bilanzen und einer Liefergarantie. „Das ist natürlich viel zu kompliziert und wird sich durch die EU-Richtlinie ändern. Aber wohl erst auf den letzten Drücker“, glaubt Weber.
„Der Energiefachmann hat aber noch einen Tipp für Kommunen: „In Städten oder Gemeinden mit vielen PV-Anlagen, sollte man in einen Batteriegroßspeicher investieren", sagt Weber. „Nicht nur, um Netzschwankungen auszugleichen. Man könnte den überschüssigen Strom abends verkaufen. Das wäre sogar ein Geschäftsmodell.“ Erst vergangene Woche hat am Standort des stillgelegten Atomkraftwerks Gundremmingen der Spatenstich für einen riesigen Batteriespeicher stattgefunden.„RWE würde das nicht machen, wenn es sich nicht finanziell für sie lohnen würde“, meint Jörg Weber. Außerdem würde es die Stromnetze entlasten. „Der Strom müsste dann ja nicht aus dem Norden zu uns in den Süden transportiert werden.“
Jeder sechste Haushalt hat eine PV-Anlage
Die Energiewende schreitet in deutschen Wohngebäuden voran. Mehr als ein Drittel (33 Prozent) der Privathaushalte, also 13,5 Millionen, nutzt bereits mindestens eine der einschlägigen Technologien der Energiewende. Das geht aus dem „Energiewendebarometer“ der staatlichen KfW-Bank hervor. Zu den Technologien zählen Wärmepumpe, Photovoltaik, Solarthermie, Batteriespeicher, Kraft-Wärme-Kopplung, Holzpelletheizung und Elektroauto. Besonders verbreitet sind PV-Anlagen, jeder sechste Haushalt in Deutschland hat inzwischen eine. Bei der repräsentativen Studie gaben zudem 83 Prozent an, dass die Energiewende wichtig oder sehr wichtig ist. Im Vorjahr waren es 82 Prozent. Allerdings sind weniger Haushalte bereit, die Energiewende auch durch eigene Aktivität voranzutreiben.