Vor mehr als 110 Jahren begann der Bau von einer von insgesamt drei Druckwasserleitungen der Landeswasserversorgung durch den Landkreis Heidenheim. Nun muss die älteste dieser Leitungen erneuert werden. In Herbrechtingen hat sich jedoch im Laufe der Zeit rund um einen Abschnitt der Leitung ein Wohngebiet gebildet, das durch die bevorstehenden Sanierungsarbeiten beeinträchtigt wird.
Eine Schneise durch das Wohngebiet
Wer das Wohngebiet Kirchhöfle im Osten Herbrechtingens einmal von oben gesehen hat, wird sich vermutlich gefragt haben, warum dort eine gerade, unbebaute Linie durch das Viertel verläuft. Die Antwort ist einfach: Dort verlaufen drei Leitungen der Landeswasserversorgung. Deshalb durfte dort nie gebaut werden – für künftige Instandhaltungsmaßnahmen. „Da haben unsere Urgroßväter zum Glück mitgedacht“, sagt Frieder Haakh, technischer Geschäftsführer der Landeswasserversorgung, in der jüngsten Gemeinderatssitzung in Herbrechtingen.
Gemeinsam mit Alexander Geiger, Leiter der Abteilung Bauplanung und -ausführung beim Zweckverband Landeswasserversorgung, verwies Haakh auf Sicherheitsbedenken bei der zwischen 1914 und 1917 erbauten Leitung. Diese besteht aus Grauguss – einem Material, das mit der Zeit durch Korrosion und sogenannte Spongiose nicht länger sicher für den Transport großer Mengen Trinkwasser ist. Das zeigten auch zwei Rohrschäden bei Hürben (2020) und in Itzelberg (2013), bei denen große Mengen nutzbaren Trinkwassers verloren gingen. „Die Erneuerung ist absolut notwendig“, betont Haakh.
In den vergangenen Jahren wurde die Leitung abschnittsweise entlang des Landkreises modernisiert. Nun ist das Gebiet rund um das Kirchhöfle an der Reihe. Auf einer Strecke von rund 620 Metern wird die erste Druckleitung nach und nach ausgetauscht. Als neues Material kommt verschweißter Stahl zum Einsatz – wie bei den beiden anderen Leitungen in unmittelbarer Nähe. „Dort erwarten wir noch eine Lebensdauer von etwa 30 Jahren“, sagt Haakh über die in den 1950er-Jahren erbauten Leitungen.
Entschädigung für Stadt und Anwohner
Trotz der Entscheidung, den Bereich der Leitungen unbebaut zu lassen, wird bei den Austauscharbeiten Eigentum der Stadt, von Landwirten und teilweise von Anwohnern in Anspruch genommen oder muss ersetzt werden. Dafür hat bereits Anfang Oktober ein Gutachter die Sachlage geprüft. Eine genaue Kostenberechnung steht noch aus. „Wie bei sämtlichen Bauvorhaben entschädigen wir hier die Eigentümer für die Räumung“, so Haakh. Vier Privatgrundstücke werden von der Maßnahme betroffen sein. Die Entschädigung für landwirtschaftliche Flächen beläuft sich im Baujahr auf volle 100 Prozent des Ertragswerts für das verlorene Land während der Ernte. Auch in den Folgejahren erhält der Landwirt noch einen bestimmten Prozentsatz als Entschädigung, selbstverständlich nur für den vorgesehenen Bereich der Maßnahme.
Auch der Spielplatz im Kirchhöfle muss für die Bauarbeiten vorübergehend geräumt werden. Dabei wurde im Vorfeld geprüft, welche Spielgeräte ersetzt werden müssen und welche wiederverwendbar sind. Zudem wird der Feldweg am Galgenberg, der nur für Anlieger und landwirtschaftliche Fahrzeuge freigegeben ist, aufgerissen. Auf Nachfrage von Gemeinderat Thomas Beißwenger erklärte Haakh, man müsse dort mit Beeinträchtigungen von etwa einer Woche rechnen. Außerdem seien der Bauleiter und sein Team während der gesamten Maßnahme vor Ort. Im Zuge der Planung hat der Zweckverband auch naturschutzrechtliche Prüfungen veranlasst, die das Vorhaben bekräftigen.
Veranstaltung für Anwohner
Am Mittwoch, 5. November, findet voraussichtlich eine Informationsveranstaltung statt, bei der Anwohner ihre Fragen und Anregungen einbringen können. Die ersten Räumungen beginnen im Januar des kommenden Jahres, die eigentlichen Bauarbeiten erfolgen von März bis Juni. Die neue Leitung soll bestenfalls im September in Betrieb genommen werden. Während der Bauzeit bieten die beiden anderen Leitungen ausreichend Kapazität, um den temporären Ausfall zu kompensieren. Die Kosten für den Zweckverband schätzt Haakh auf 4000 bis 5000 Euro pro laufendem Meter. Bei 620 Metern ergibt das eine Summe von rund 2,48 bis 3,1 Millionen Euro.
Bürgermeister Daniel Vogt begrüßte das Projekt: „Für uns ist es selbstverständlich, dass man den Hahn aufdreht und sauberes, genießbares Wasser herauskommt. Für viele Menschen auf der Welt ist Wasser nach wie vor ein Luxusgut.“ Auch der Gemeinderat hatte außer einigen Verständnisfragen keine Einwände gegen das Vorhaben.
Was ist Spongiose?
Spongiose im Grauguss bezeichnet eine unerwünschte, schwammartige Porenstruktur im Gefüge von Gusseisen mit lamellarem Grafit. Grauguss entsteht durch Erstarren einer Eisen-Kohlenstoff-Schmelze, bei der der Kohlenstoff in Form von Grafitflocken vorliegt. Wenn während des Gießprozesses Gase nicht vollständig entweichen können oder die Schmelze beim Erstarren ungleichmäßig schrumpft, bilden sich Hohlräume oder Lunker. Diese führen zu einer spongiosen, also porösen Gefügestruktur. Die Hauptursachen für Spongiose sind Gasporosität, Schwindungslunker, eine zu hohe oder zu niedrige Gießtemperatur sowie unzureichende Formfüllung oder Entgasung der Schmelze. Das Ergebnis ist ein Gefüge mit vielen kleinen Hohlräumen, das an einen Schwamm erinnert.