Das gab es so noch nie. Niemals, nirgends, und vor allem nicht hier, in Heidenheim. Der Doppelabend mit „Gianni Schicchi“ und „Elektra“ bei den Opernfestspielen war sicherlich das kühnste Unterfangen der diesjährigen Saison – und das in einer Spielzeit, in der die Festspiele ihrem Publikum und sich selbst ohnehin noch mehr zugetraut haben als in den Vorjahren. Das Urteil, das Festspielintendant Marcus Bosch und Kulturamtsleiter Matthias Jochner jeweils fällen, fällt in separaten Gesprächen und zugleich absolut unisono: „Viel gewagt, viel gewonnen.“
Mit einer Gesamtauslastung von 95 Prozent und 15.535 Besucherinnen und Besuchern setzen die Opernfestspiele den Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fort und steigern sich im Vergleich zu 2024 noch einmal um zwei Prozent. „Das ist sensationell. Ich bin geflasht“, zeigt sich Bosch begeistert. Die Frage, welcher Aspekt des Festspielmottos „Lachen und Weinen“ bei ihm überwiegt, erübrigt sich damit. Und auch Matthias Jochner ist mehr als glücklich mit dem Ergebnis: „Das war eine hoch spannende, geglückte Saison – etwas Besonderes im Besonderem.“
„Herausforderndes Konzept“ der Doppel-Oper
Mit einer Auslastung von knapp 81 Prozent liegt der Lachen-und-Weinen-Abend um „Gianni Schicchi“ und „Elektra“ (4043 Zuschauer) zwar hinter den Hauptproduktionen der vergangenen Jahre. Mit der Resonanz zeigen sich die Veranstalter aber nichtsdestotrotz mehr als zufrieden. Eine Doppel-Oper sei sicherlich ein herausforderndes Konzept, findet Jochner. Nicht zuletzt aufgrund der „psychologisch aufgeladenen ‚Elektra‘“ mit ihrem keinesfalls leichten Stoff sowie der „nicht unkomplizierten Logistik“ des Ortswechsels. „Aber die Festspiele sind überaus wechselerfahren. Das liegt in ihrer DNA“, so Jochner.
Auch Marcus Bosch weiß natürlich um das Wagnis des Doppelabends. „Ich habe sehr ambivalente Reaktionen zurückbekommen. Die Spannweite hat von ‚Das war nichts für mich‘ bis hin zu ‚Das hat mein Leben verändert‘ gereicht.“ Sämtliche Stimmen hätten allerdings gemeinsam gehabt, dass sie gegenüber Bosch großen Respekt vor ihm und der Leistung der Festspiele geäußert hätten.
Der künstlerische Leiter selbst freue sich unheimlich, dass insbesondere „Schicchi“ und „Elektra“ so gut vom Publikum aufgenommen worden sind. „Vor zehn Jahren wäre diese Spielzeit nicht möglich gewesen. Unser Zuschauer sind mit uns mitgewachsen.“ Nur so konnte dieses ambitionierte Programm Erfolg haben, ist sich Bosch sicher.

Ähnlich ordnen der Festspielintendant und der Kulturamtsleiter die Resonanz auf die Verdi-Oper „Attila“ ein. Die konnte 2066 Zuschauer verzeichnen und durch eine Erhöhung der Platzkapazität eine sagenhafte Auslastung von 112 Prozent erreichen – und das trotz, oder vielleicht sogar insbesondere aufgrund des politischen und menschheitsgeschichtlichen Überbaus der Oper. „Das ist eine Produktion, die nicht kaltlässt“, erklärt Jochner. Dass eine solche Inszenierung selbstverständlich für Diskussionen sorge, empfinde er als gut. Das sei das, was Kunst möchte. „Außerdem erhebt so eine Oper ja keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.“
Marcus Bosch freut sich ebenfalls die diskussionsfreudige Aufnahme dieses Wagnisses, betont jedoch gleichzeitig, dass Provokation kein Selbstzweck sei. „Es geht stets darum, dem Publikum die höchstmögliche Qualität zu bieten. Und es ist besonders schön, wenn das Programm über die Festspiele hinaus in die Tiefe diskutiert wird.“
Junge Oper seit dieses Jahr in der Stadtbibliothek Heidenheim
Ein weiteres Wagnis sind die Opernfestspiele mit dem Umzug der Jungen Oper vom Opernzelt im Brenzpark in den Margarete-Hannsmann-Saal der Stadtbibliothek eingegangen. „Dieser Abschied ist uns nicht leichtgefallen“, gibt Matthias Jochner zu. Mit 1925 Besuchern und einer Auslastung von knapp 95 Prozent liegt „Aschenputtel räumt auf“ zwar leicht hinter dem „Zauberer von Oz“ aus dem vergangenen Jahr, der Standortwechsel hat der Jungen Oper aber offensichtlich keinen wirklichen Abbruch getan. Die Sinfoniekonzerte müssen sich mit 90 Prozent Auslastung und 3116 Zuschauern ebenfalls nicht verstecken.
Das Opernprogramm im nächsten Jahr deutet indes darauf hin, etwas weniger kontrovers auszufallen. Im Doppel-Verdi-Jahr 2026 stehen das Dramma lirico „Otello“ sowie das Melodramma „Macbeth“ auf dem Spielplan.
Doppel-Oper in den Top Ten
Gerade so, aber doch eindeutig, erobert die diesjährige Spielzeit einen Platz in den Top Ten der Opernfestspiele, was die Gesamtbesucherzahl anbelangt. Die aktuelle Rangfolge:
1. Spielzeit 2018: Hauptoper „Nabucco“, insgesamt 19.700 Besucher
2. 2016: „La Bohème“, 18.400
3. 2017: „Der fliegende Holländer“, 17.762
4. 2015: „Macbeth“, 17.631
5. 2024: „Madama Butterfly“, 17.143
6. 2019: „Pique Dame“, 16.837
7. 2023: „Don Carlo“, 16.632
8. 2014: „Bajazzo“ / „Cavalleria rusticana“, 15.997
9. 2025: „Gianni Schicchi“ / „Elektra“, 15.535
10. 2012: „Carmen“, 15.038