Lage, Lage, Lage. Geht es um die Exklusivität einer Immobilie, dann zählt vor allem eines: die Lage eben. In dieser Hinsicht führt in Heidenheim an Schloss Hellenstein kein Weg vorbei. Allerdings wird sich kein Makler finden, der das historische Gemäuer mit seinen beiden Wohnungen prominent in einem Hochglanzkatalog anpreist. Wer einmal dort eingezogen ist, packt nämlich normalerweise nicht so schnell wieder seine Koffer. Ein Mieterwechsel ist somit eher die Ausnahme. Und ziemlich gering die Aussicht, bei der Suche nach einer Bleibe ausgerechnet im Schloss zum Zug zu kommen.
Unmöglich ist es dennoch nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit spielt dann der Zufall die entscheidende Rolle. So wie bei Alexander Kadach. Als er vor zehn Jahren seinen Arbeitsvertrag bei der Stadtverwaltung unterschrieb, war er auch auf der Suche nach einer Wohnung. Der Tipp eines Kollegen brachte ihn dazu, das Wahrzeichen der Stadt in Erwägung zu ziehen.
Zwei Wohnungen im Schloss
Klingt zunächst höchst ungewöhnlich: Wohnen, wo vor Jahrhunderten die Herren von Hellenstein residierten. Wo Heidenheimer auswärtigen Gästen heute einen einmaligen Blick über ihre Stadt schenken. Wo die Opernfestspiele regelmäßig als kultureller Magnet wirken. Geht das wirklich? Tut es. Und Kadach musste daher auch nicht lange überlegen, ehe er zuschlug. Immerhin gibt es lediglich zwei Wohnungen im Schloss. Sie gehören wie die gesamte Anlage dem Land und werden von der Stadt als Pächterin vermietet.
Eine herausgehobenere Lage ist in Heidenheim kaum vorstellbar. Und dann auch noch diese Adresse: Schloss Hellenstein 1. Vornehmer geht’s nun wirklich nicht. Das Interieur der zwischen Marstall und Schlossmuseum gelegenen Wohnung nimmt sich freilich weniger spektakulär aus, als man angesichts der Anschrift erwarten könnte: „Es gibt keine goldenen Wasserhähne und auch keine Kronleuchter an der Decke“, sagt Kadach, „stattdessen eher Bauernhausstil.“ Heißt: knarzende Holzböden und Balken mit verputzten Wandflächen aus Lehm dazwischen.

Die räumlichen Abmessungen beeindrucken gleichwohl. Wohnzimmer, Schlafzimmer, zwei Kinderzimmer, Küche, Bad und der Rest verteilen sich auf 240 Quadratmeter Fläche, wovon jedoch alleine 60 auf zwei unbeheizte Abstellräume und gut 25 auf einen zwölf Meter langen Flur entfallen. Schon die beeindruckende Deckenhöhe von bis zu 330 Zentimetern macht neugierig auf einen Blick in die Räumlichkeiten, aber den will Kadach nicht gewähren: „Das ist privat.“ Und bleibt es ebenso wie die Höhe der Miete.
Immerhin so viel wird im Gespräch schnell klar: Im Schloss herrscht in vielerlei Hinsicht Normalität. Einen Glasfaseranschluss gibt es nicht. Allerdings auch keine Dachschrägen, die beim Aufstellen der Möbel hinderlich sein könnten. Die Sanitäranlagen sind auf dem Stand der Zeit, während eine Gas-Zentralheizung die Räume hinter den doppelverglasten Fenstern auf eine angenehme Temperatur bringt: „Es dauert natürlich ein bisschen, bis es warm ist, aber bei 80 Zentimeter dicken Innenmauern und 150 Zentimeter starken Außenwänden kühlt es dann auch nicht so schnell aus“, sagt Kadach. Unterm Strich ergebe sich ein völlig durchschnittlicher Gasverbrauch.
Party an den Wochenenden
Nachdem Kadach seiner Frau wegen aus Gütersloh an die Brenz gezogen war, musste er sich als „sturer Westfale“, wie er sich selbst bezeichnet, zunächst einmal mit den ihrerseits durchaus eigenwilligen Ostälblern anfreunden. „Das hat gut geklappt“, sagt er rückblickend, „ich komme mit den Menschen hier sehr gut klar.“ Bisweilen wird seine Geduld jedoch auf eine harte Probe gestellt. Dann nämlich, „wenn manche meinen, sie können auf dem Gelände Party ohne Ende und Randale machen“. Vor allem an den Wochenenden gebe es regelmäßig „viel Trouble, aber irgendwann gilt halt auch bei uns Nachtruhe“, sagt der zweifache Familienvater.
Bislang dürfte nur wenigen bekannt gewesen sein, wer im Heidenheimer Schloss wohnt. Kadachs Gesicht kennen aber viele: von seiner Tätigkeit als Hausmeister im Hellenstein-Gymnasium. Wenn er sich an einem schneereichen Wintermorgen dorthin aufmachen möchte, muss er dann zunächst den Schlosshof freischippen, der 1983 mit aus der Prager Altstadt stammenden und damals schon 200 Jahre alten Pflastersteinen befestigt wurde?

„Es handelt sich um ein öffentliches Gelände“, klärt der 48-Jährige auf, „deshalb macht das die Stadt, wobei das Schloss natürlich keine Priorität hat.“ Die Stadtreinigung befreit zudem das ganze Jahr über mit einer Kehrmaschine die Fugen des Belags von Dreck und Scherben.
Ganz ohne Nachteile kommt unterdessen auch die Toplage hoch über den Dächern Heidenheims nicht aus. „Du bist zwar mittendrin, aber irgendwie doch auch ab vom Schuss“, sagt Kadach. Die nächste Bushaltestelle liegt beim Congress-Centrum, die Innenstadt am Fuße eines steilen Weges. Und die beiden Kinder können sich nicht wie in einer ruhigen Nebenstraße eben mal mit ihren Freunden draußen zum Spielen treffen.
Regelmäßig genießt die Familie deshalb die Zeit in einem etwas außerhalb gelegenen Garten, ehe es wieder zurückgeht ins Schloss. „Das ist wunderbar, und solange es nicht notwendig ist und sich auch nichts Passendes aufdrängt, wollen wir hier nicht ausziehen“, sagt Kadach. Er ist nicht der Erste, der so denkt. Sein Vorvorgänger hat es dort satte 37 Jahre ausgehalten.
Der nächste Teil der HZ-Sommerserie bietet einen Rückblick auf bereits erschienene Folgen und bislang unveröffentlichte Fotos.