Von den Fraktionen des Kreistags gab es am Montag einhellige Zustimmung zur Klinikstrategie 2030, die vom Aufsichtsrat des Klinikums bereits einstimmig beschlossen wurde. Im Publikum der Kreistagssitzung waren einige Mitarbeitende des Klinikums, die mit Plakaten ihre Sorge über einen möglichen Personalabbau zum Ausdruck brachten. Dieser soll 21 bis 48 Stellen im Klinikum umfassen und eine Einsparung zwischen 2,0 und 4,6 Millionen Euro ermöglichen.
Dabei geht es nicht um Stellen in der Pflege, denn diese werden vollständig refinanziert und beeinflussen die Finanzlage des Klinikums nicht. Laut der Unternehmensberatung WMC Healthcare, die die möglichen Einsparungen errechnet hat, sei das Personal im Bereich ärztlicher Dienst, medizinisch-technischer Dienst und Verwaltungsdienst „im Vergleich zu anderen Kliniken unterproduktiv“. In welchen Bereichen genau mit weniger Personal gearbeitet werden könnte, geht aus der öffentlich vorgestellten Präsentation nicht hervor.
Operatives Ergebnis ist negativ
Hintergrund der Klinikstrategie ist das negative Ergebnis, das das Heidenheimer Klinikum seit einigen Jahren erwirtschaftet. Dieses besteht aus dem operativen Ergebnis (Ebitda), das der Betrieb erbringt, und dem Gesamtergebnis, in das auch die Finanzierung der Kliniksanierung miteinfließt. 2022 war das operative Ergebnis mit rund 1,9 Millionen Euro noch positiv, auch wenn das Gesamtergebnis bei einem Verlust von 3,2 Millionen Euro lag. 2024 rutschte nicht nur das Gesamtergebnis auf fast 10 Millionen Euro Verlust ab, sondern auch das operative Ergebnis war mit fast -4,5 Millionen Euro negativ.
Das übergeordnete Ziel sei es, das Klinikum in kommunaler Hand zu halten, leitete Landrat Peter Polta das Thema ein. Die finanzielle Lage habe sich aber drastisch verschlechtert. „Der Landkreis kann es nicht alleine wuppen“, so Polta. Deshalb strebe man an, im operativen Ergebnis wieder eine schwarze Null zu erreichen, längerfristig soll ein positives Ebitda dazu beitragen, die Verpflichtungen aus der Kliniksanierung zu finanzieren. „Wir kommen dem Klinikum entgegen, aber das Klinikum muss auch seinen Beitrag leisten“, sagte Polta.
Alle Abteilungen bleiben erhalten
Wie dieser Beitrag aussehen soll, hat die Unternehmensberatung WMC Healthcare mit Sitz in München ausgearbeitet. Einige Punkte hob Landrat Polta hervor: Wichtig sei, dass es keine Anpassungen am Portfolio des Klinikums geben soll, also alle Abteilungen erhalten bleiben. Für die Reduzierung des Personals gebe es keine festgelegte Zahl, sondern nur einen Richtwert. WMC Healthcare habe drei Szenarien entwickelt, wobei man sich nicht für die Umsetzung eines konkreten Szenarios entscheide, sondern es der Klinikgeschäftsführung überlasse, geeignete Maßnahmen daraus auszuwählen.
Elena Anneken von WMC Healthcare zeigte die Ergebnisse ihrer Arbeit auf. Seit Mitte April hat sich die Beratungsfirma mit den Strukturen und Finanzen des Heidenheimer Klinikums beschäftigt. Die Mitarbeitenden griffen dabei auch auf Vorarbeit zurück, die Klinikgeschäftsführer Dr. Dennis Göbel mit seinem Team schon geleistet hatte. Daneben wurden einzelne Interviews mit ausgewählten Gesprächspartnern geführt, vor allem aber Daten aus dem Controlling ausgewertet und mit denen anderer Kliniken verglichen.

Den entscheidenden Hebel, um das Klinikum finanziell erfolgreicher zu machen, fand WMC dabei nicht. Oder um es anders auszudrücken: Die Unternehmensberatung bescheinigte, dass sehr vieles heute schon richtig gemacht wird. Alle Fachabteilungen mit Ausnahme der Strahlentherapie haben einen positiven Deckungsbeitrag. Dies bedeutet, dass sie die Kosten ihrer eigenen medizinischen Leistungen selbst abdecken. „Das ist ein Bild, das nicht unbedingt üblich ist für Kliniken dieser Größe“, lobte Elena Anneken. Dass das Klinikum trotzdem Verluste macht, liegt an der unzureichenden Finanzierung der Kosten der gesamten Klinikinfrastruktur.
Während man vor der Corona-Pandemie noch davon ausging, dass steigende Fallzahlen zu einer besseren Einnahmesituation im Klinikum führen würden, weiß man heute, dass dies nicht passieren wird: Der medizinische Trend geht zu immer mehr ambulanten Behandlungen.
Mehr Einnahmen, weniger Ausgaben
Wie soll also nun mehr Geld in die Klinikkasse kommen? Neben den oben genannten Personaleinsparungen hat WMC eine Summe von jährlich 0,5 bis 0,7 Millionen Euro identifiziert, die man durch die Neuverhandlung des Vertrags mit der Strahlentherapie mehr einnehmen könnte. Der Erlös im Bereich von Wahlleistungen bei Privatpatienten ist laut WMC noch steigerbar, ebenso würde das Klinikum mehr Geld bekommen, wenn Patienten, die momentan noch auf anderen Stationen behandelt werden, in der Akutgeriatrie aufgenommen würden. Zusammen sollen hier Mehreinnahmen zwischen 0,9 und 1,3 Millionen Euro möglich sein. Außerdem wurde noch Einsparpotenzial bei Sachkosten in den Bereichen Labor, Speisenversorgung sowie Betriebs- und Gebäudetechnik gefunden. Hier sollen zwischen 0,9 und 1,2 Millionen Euro weniger ausgegeben werden.
Insgesamt errechnet die Unternehmensberatung so ein Potenzial von zwischen 4,0 und 6,4 Millionen Euro, wodurch das operative Ergebnis des Klinikums – wenn man die Zahlen des Jahres 2024 zugrunde legt – in den positiven Bereich rutschen würde. Diese Rechnungen gelten allerdings „ceteris paribus“, also unter der Annahme, dass die übrigen Bedingungen gleich bleiben.
Das sagt der Kreistag dazu:
Dieter Henle, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Kreistag, betonte, dass die Erhaltung des Leistungsspektrums im Klinikum eine gute Nachricht sei. Wichtig sei jetzt, das Personal im Klinikum „transparent und eng mit auf den Weg zu nehmen.“ Zudem solle die Strategie nicht zulasten der Versorgungsqualität gehen. Die Freien Wähler wollen, dass die externe Begleitung durch WMC weitergeführt wird.
Rainer Domberg sprach als langjähriges Aufsichtsratsmitglied des Klinikums für die CDU-/FDP-Fraktion. Er sprach von einer unzureichenden Vergütungsstruktur und fehlender Refinanzierung der Baumaßnahmen im Klinikum. Gleichzeitig sei aber keine Hilfe aus Stuttgart oder Berlin zu erwarten. „Eine weitere negative Entwicklung ist nicht verkraftbar, sonst erwürgt die Kreisumlage die Gemeinden“, so Domberg. Man habe ambitionierte Erwartungen an die Klinikgeschäftsführung, „die Klinikstrategie ist aber keine Drohkulisse, sondern pure Notwendigkeit.“ Auch CDU und FDP forderten eine Weiterbeschäftigung der Unternehmensberatung.
Heiko Röllig (AfD) wandte sich demonstrativ an die anwesenden Klinikmitarbeitenden. Auch seine Fraktion stimme der Strategie zu, es gebe keinerlei Alternativen, den Haushalt und das Klinikum zu sichern. Die Angestellten müssten jetzt den Kopf hinhalten für eine verfehlte Sozialpolitik, so Röllig.
Martin Grath (Fraktion Grüne/ÖDP) bedankte sich bei WMC und befand: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Gleichzeitig erinnerte er daran, dass Leasing-Personal, das man bei Engpässen einsetzen muss, zweieinhalbmal so viel koste wie angestelltes Personal. „Wir könnten das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn wir zu schnell vorangehen.“
Für die SPD-Fraktion sprach Erwin Krajewski, der Mitglieder des Klinikaufsichtsrats verärgerte mit der Aussage: „Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht.“ Der SPD sei es wichtig, dass keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. An dieser Stelle betonte Landrat Polta, dass es diese zu vermeiden gelte. Auch die SPD sei sehr dafür, externe Berater weiterhin dabeizuhaben. „Wir brauchen anständige Prozesse, das können nur die Beteiligten“, so Krajewski.
Beratungsfirma spezialisiert auf Gesundheitssektor
Die Beratungsfirma WMC Healthcare hat ihren Sitz in München, gehört aber seit 2020 mehrheitlich der Vivecti Group GmbH mit Sitz in Ulm. WMC hat sich auf Beratungsleistungen im Gesundheitssektor spezialisiert und bietet diese sowohl für Kliniken als auch für Pharmaunternehmen oder Krankenkassen und -versicherungen an. „In den kommenden Jahren ist nach Ansicht der Gesellschaft auch weiterhin mit einer Konsolidierung der Leistungserbringer im Gesundheitsmarkt zu rechnen. (…) Hierdurch entsteht aktuell und mittelfristig ein relevanter Bedarf für unsere Beratungsdienstleistungen“, heißt es im letzten veröffentlichten Jahresabschluss von WMC Healthcare. Wie viel Geld WMC für die Erarbeitung der Klinikstrategie bereits bekommen hat, teilt der Landkreis nicht mit. Auf eine entsprechende Anfrage der HZ heißt es: „Hierbei handelt es sich um interne Angelegenheiten des Klinikums als Auftraggeber. Dazu kann die Landkreisverwaltung keine Auskunft geben.“