Aus nach einem halben Jahrhundert

Weshalb das Modehaus Reinhard in Heidenheim schließt

1976 bezog das Modehaus Reinhard ein neues Gebäude an der Heidenheimer Hauptstraße. Jetzt steht die Geschäftsaufgabe kurz bevor. Das sind die Gründe:

Die Zahl der inhabergeführten Geschäfte in der Heidenheimer Innenstadt geht seit Jahren zurück. Jetzt folgt ein weiteres: Reinhard Mode an der Hauptstraße schließt voraussichtlich Mitte Januar 2026 für immer seine Türen.

Ausgerechnet im 50. Jahr seines Bestehens stellt das auf Damen-Oberbekleidung spezialisierte Haus dann seinen Betrieb ein. Ein schwerer Schritt für Geschäftsführer Alexander Reinhard, der aus Sicht des 51-Jährigen aber alternativlos ist: „Wir machen einfach zu wenig Umsatz.“

Immer weniger Laufkundschaft

So kurz die ernüchternde Feststellung, so vielfältig die Gründe: Dass in den vergangenen Jahren etliche Traditionsgeschäfte die Segel streichen mussten, hat Reinhards Frau Aline (51) zufolge eine Kettenreaktion in Gang gesetzt: Mit jedem Verschwinden eines Ladens gehe Laufkundschaft verloren. Dieser Effekt sei auch deutlich spürbar gewesen, nachdem Schlecker als unmittelbarer Nachbar weggefallen war.

Mittagstische gastronomischer Betriebe vermögen daran nach Aline Reinhards Einschätzung nicht grundlegend etwas zu ändern: „Die Menschen kommen zum Essen und gehen danach gleich wieder zur Arbeit.“ Außerdem stimme die Gewichtung nicht, was den Branchenmix angeht, die Vielfalt sei verloren gegangen: „Bei den zahlreichen Brillengeschäften und Immobilienmaklern handelt es sich meistens um Zielkäufe, von denen die anderen Geschäfte nichts haben.“

Sperrung der Grabenstraße wirkt sich negativ aus

Auch die Sperrung der Grabenstraße für den motorisierten Verkehr wirkt sich laut Aline Reinhard negativ auf Kundenfrequenz und Umsatz aus: „Wenn früher jemand auf den Bus warten musste, ist er halt noch zehn Minuten bummeln gegangen, aber die Haltestelle gibt es ja nicht mehr.“ Alexander Reinhard betont, dass gleichzeitig das Modell der grünen Wiese auch deshalb funktioniere, weil die Kunden mit dem Auto bis vor die Eingangstür fahren könnten, „während bei uns in der Innenstadt die Bereiche der Nichterreichbarkeit immer weiter ausgedehnt werden“.

Aline Reinhard vermisst eine Wohlfühlatmosphäre rund um die Hauptstraße, deren Beleuchtung unzureichend sei, sodass sich viele Passanten dort häufig nicht sicher wähnten. Und wenngleich die Gleitschutzwände am Eugen-Jaekle-Platz und an verschiedenen Zugängen zur Fußgängerzone bepflanzt adretter aussähen als zuvor, wirkten sie nach wie vor wie eine optische Bremse.

Das Unternehmerpaar will allerdings nicht nur städtische Entscheidungen für die wirtschaftlichen Probleme verantwortlich machen, verweist stattdessen auf eine Reihe kaum zu beeinflussender Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit. So hat Corona Bremsspuren hinterlassen, „obwohl es schon rührend war, wie super unsere Stammkunden uns die Stange gehalten haben“, sagt Alexander Reinhard rückblickend.

Gleichzeitig wandelten sich aber Kleidungsstile. „Vieles ist legerer geworden und kann sowohl bei der Arbeit als auch privat getragen werden“, so Aline Reinhard, „und folglich wird weniger gekauft.“ Der Versuch, während der Pandemie den Onlineverkauf zu forcieren, brachte nur bedingt das erwünschte Resultat. An die großen Handelsplattformen zu entrichtende Verkaufsgebühren und das Porto bei Retourenquoten jenseits von 50 Prozent verursachten hohe Kosten.

Ruf nach einem City-Manager

Was müsste sich konkret ändern, um dem Heidenheimer Handel nachhaltig wieder auf die Beine zu helfen? „Ohne City-Manager geht es nicht“, hält Alexander Reinhard kategorisch fest. Ausgestattet werden müsse dieser mit größtmöglicher Unabhängigkeit, „um auch mal sagen zu können: Das funktioniert so nicht.“ Arbeitsschwerpunkt sollten das Leerstands-Management und Gespräche mit Gebäudeeigentümern über die Höhe der Mieten sein. Der Heidenheimer Dienstleistungs- und Handelsverein vermöge diese Aufgabe nicht alleine zu stemmen.

Den passenden Zeitpunkt für einen Schlussstrich festzulegen, ist grundsätzlich schwierig. Auch in diesem Fall. „Vielleicht wäre es besser gewesen, schon vergangenes Jahr aufzuhören und nicht nochmal zu investieren“, sagt Aline Reinhard. Jetzt aber steht fest: Am 1. Oktober beginnt der Ausverkauf, und im Januar 2026 ist die Geschichte von Reinhard Mode zu Ende.

Mitarbeiterin seit Beginn im Unternehmen

Mit dem nahenden Ende sind viele Emotionen verbunden, „denn damit geht ja auch viel von den Werten und der Liebe verloren, die wir in das Geschäft gesteckt haben, um uns einen Namen zu machen und uns von anderen abzuheben“, sagt Aline Reinhard. Sie erinnert an zahlreiche Aktionen, um stets auf der Höhe der Zeit zu sein: Modeschauen, Cocktailnächte, Live-Shopping während Corona, ein Zimmerpflanzenflohmarkt, der auf große Begeisterung stieß. Ein Bemühen, das offenkundig auch bei der Belegschaft gut ankam. Immerhin hält die dienstälteste Mitarbeiterin dem Hause Reinhard seit Anbeginn die Treue.

Und was kommt jetzt? „Im schlimmsten Fall geht für alle das Licht aus“, sagt Alexander Reinhard mit Blick auf die beiden Teilzeitkräfte, die beiden Minijobber, sich und seine Frau. Gleichwohl bleibe die Hoffnung, dass sich trotz allem eine heute noch nicht abzusehende Lösung finden lasse, „aber auf jeden Fall nicht mit dem jetzigen Konzept.“

Die Historie des Modehauses

1958 gründeten Alexander Reinhards Großeltern ein Textilfachgeschäft in Mergelstetten. Sein Vater Josef Magnus und dessen Bruder Edgar erwarben 1974 das sogenannte Conrad-Haus an der Heidenheimer Hauptstraße 47. Der dort untergebrachte Laden trug den Namen „Textil 2000“. Nach eineinhalb Jahren, im März 1976, wurde das Gebäude abgerissen und durch einen bereits im Oktober desselben Jahres bezogenen Neubau ersetzt. Josef Magnus und Edgar Reinhard führten das moderne Modehaus gemeinsam. Nachdem Letzterer Anfang der 2000er-Jahre ausgeschieden war, trat Alexander Reinhard, der wie seine Frau Aline ein Textilfachstudium in Nagold absolviert hatte, in das Unternehmen ein. Seit 2011 ist er alleiniger Geschäftsführer.