Same procedure as every year – dasselbe Prozedere wie in jedem Jahr: Fast schon bescheiden klang die Bemerkung von Dr. Helmut Weimert bei der Übergabe seines dritten Bandes des „Heidenheimer Steuerbuches“ am Dienstagnachmittag an Oberbürgermeister Michael Salomo. Was sich anhört wie eine lockere jährliche Routine, ist in Wahrheit eine enorme Fleißarbeit. „Ein Dreivierteljahr bis ein Jahr lang“, hat der Stadtarchivar im Ruhestand an dem 476 Seiten dicken Werk akribisch gearbeitet. „Aber länger als eine Stunde am Stück geht das nicht. Dann muss man etwas anderes tun.“
Alte Handschriften entziffert
Weimert hat sich durchgekämpft durch die mitunter nur schwer zu entziffernden Handschriften der damaligen Stadtschreiber, die die Vermögensverhältnisse der Heidenheimer Haushalte zwischen 1664 und 1698 in Form von Häusern, Grundstücken, Äckern und Wiesen festgehalten haben. Eine Menge an Namen, Örtlichkeiten und Zahlen hat der in Kleinkuchen wohnende (Un-)Ruheständler transkribiert (also übertragen), Tabellen und Statistiken erstellt und die Besonderheiten kommentiert.
Vor allem das Zusammenstellen des Registers, mithilfe dessen sich geografische Angaben, sämtliche erwähnte Familiennamen und auch sachliche Begriffe (von abgebrannten Höfen und Häusern bis zum Zollhaus) schnell im Zusammenhang auffinden lassen, forderte Weimert einiges ab. „Die Registerarbeit bringt mich jedes Jahr an den Rand.“ Aus der Vielzahl an Zahlen und Daten lässt sich einiges ableiten. Im Jahre 1664 entfiel auf 148 erwähnte Heidenheimer Haushalte ein Liegenschaftsvermögen im Wert von rund 38.000 Gulden. Allein 5500 Gulden dieses Vermögens entfielen auf drei Gastwirte: Bernhard Hafner vom Pflug, Leonhard Schlumperger vom Hirsch und Georg Hörterich von der Krone.
Wie schon 1625 gehörten damit auch 1664 (also 16 Jahre nach Ende des Dreißigjährigen Krieges) die meisten Liegenschaften den Gastwirten, von denen allein sieben unter den genannten zehn Spitzenvermögen auftauchen. Zwischen den zehn größten Liegenschaften würden allerdings keine so deutlichen Lücken mehr klaffen wie noch 1625, bemerkte Weimert.
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Tabelle im Anhang des Buches, aus der sich auch ableiten lässt, welche Berufe die Heidenheimer im 17. Jahrhundert ausübten. Unter anderem als Garnsieder, Nagler, Hafner, Nachtwächter, Kornmesser, Kantengießer, Erzknappen oder Schlosswächter verdienten sie ihr Geld. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges habe Heidenheim rund 1000 Einwohner gezählt, nach Ende desselben (1648) dürfte sich die Einwohnerzahl um die Hälfte reduziert haben. „Die Jahre nach dem Krieg verliefen ruhig, sodass sich der Bevölkerungsstand nach und nach erholt hat“, mutmaßt Weimert. Dass 1664 in der Heidenheimer Stadtschreiberei nicht alles in geordneten Bahnen verlief, lässt sich aus einer amüsanten Vorbemerkung des damaligen Stadtschreibers ableiten, der in einer „Notatio“ beklagte: „Ist kein eingebunden[es] new Steürbuech da gewest als nur versudelte Sechstern.“ Unter Sechstern verstand man eine Papierlage aus sechs Doppelblättern.
Helmut Weimert verfasste 24 Bände zur Stadtgeschichte
Oberbürgermeister Salomo hob angesichts des nun vollendeten dritten Bandes über Heidenheims Steuerbücher die „wertvolle Arbeit für die Stadtgeschichte“ hervor, die Weimert alljährlich leiste. Das Stadtarchiv habe vor 50 Jahren mit Veröffentlichungen begonnen. 33 Bände seien seitdem erschienen, allein 24 davon verfasste Dr. Helmut Weimert – „stets in seiner Freizeit und danach im Ruhestand“. Der Autor gab das Lob an die Stadtverwaltung und das Stadtarchiv unter Leitung von Dr. Heike Weishaupt zurück, die „immer hinter den Publikationen standen“ und ihn nach Kräften unterstützten. Vor allem aber dankte er seiner Frau Christine: „Wir machen alles zusammen, und ohne sie könnte ich das nicht.“ In Sachen elektronischer Datenverarbeitung durfte sich Weimert einmal mehr auf die PC-Kenntnisse seines Sohnes Joseph verlassen.
Die Steuerbuch-Trilogie ist nunmehr beendet, doch Heidenheims Stadtarchivar im Ruhestand hat schon sein nächstes Projekt im Visier. Dabei geht es um Kirchengeschichte. Einst wurde angesichts des Sittenverfalls ein Kirchenkonvent eingeführt, der im Städtchen wieder für moralische Ordnung sorgen sollte. Aus dessen Protokollen sind Berichte über Ehestreitigkeiten, häusliche Gewalt oder auch Überziehen der Sperrstunde zu entnehmen. Nicht nur Weimert ist überzeugt: Das hört sich spannender an als die Steuergeschichte.
Band drei ab sofort erhältlich
Das „Heidenheimer Steuerbuch, ca. 1664 – ca. 1698“ ist der dritte Band einer Serie, die Dr. Helmut Weimert in den vergangenen drei Jahren herausbrachte. Inhaltlich beginnt die Trilogie ab 1618. Das neue Buch erscheint in einer Auflage von 60 Exemplaren und kann im Heidenheimer Kunstmuseum sowie in den Buchhandlungen Konold und Thalia erworben werden.