Fließende Kunst auf drei Etagen

Was die neue Ausstellung „Flow“ im Heidenheimer Kunstmuseum so besonders macht

Unter dem Titel „Flow“ zeigt das Kunstmuseum Heidenheim ab 26. Oktober Werke von Luka Fineisen, Enya Burger und Tatjana Vall. Auf drei Etagen interpretiert jede Künstlerin das Thema Fließen auf ihre Weise. Wie Kreisläufe und Bewegungen in den Arbeiten erfahrbar werden.

Der englische Begriff „Flow“, zu Deutsch „Fließen“, hat längst Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden. In der Medizin beschreibt er den Durchfluss von Flüssigkeiten im Körper, in der Psychologie einen Zustand völliger Vertiefung und Konzentration. In der Musik steht „Flow“ für den rhythmischen und sprachlichen Fluss, und in vielen Unternehmen ist er als „Workflow“ für Arbeitsabläufe gebräuchlich.

Unter dem Begriff „Flow“ präsentieren drei Künstlerinnen – Luka Fineisen (Kalifornien), Enya Burger (Düsseldorf) und Tatjana Vall (München) – ihre Werke im Kunstmuseum Heidenheim. Vom 26. Oktober bis 15. Februar bespielt jede Künstlerin eine Etage: Fineisen den Hugo-Rupf-Saal, Burger den kleinen Wechselausstellungssaal, Vall die Hermann-Voith-Galerie. Die Ausstellung erinnert an die ursprüngliche Nutzung des Hauses als Schwimmbad und zeigt Werke, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Fließen auseinandersetzen. „Ein Großteil der Arbeiten wurde eigens für die Räume entwickelt oder an sie angepasst“, sagt Marco Hompes, Leiter des Kunstmuseums Heidenheim. Mit visuellen und klanglichen Elementen wollen die Künstlerinnen das Museum im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung versetzen.

Die Vernissage findet am Samstag, 25. Oktober, um 17 Uhr statt, vorab wird ab 16.30 Uhr vor dem Museum die neue Außenskulptur von Malte Bruns eingeweiht. Am Sonntag, 26. Oktober, führt Hompes ab 11.15 Uhr erstmals durch die Ausstellung.

Physikalischer, biologischer und digitaler Kreislauf

In der Hermann-Voith-Galerie zeigt Tatjana Vall ihre Installation „morning rose styx“. Auf dem Boden der ehemaligen Schwimmhalle liegen transparente Schläuche, verbunden mit einem Tisch, der ein Wasserbecken enthält – an der Stelle des früheren Schwimmbeckens. „Die Idee der Künstlerin ist, dass Besucher zusätzlich Wasser hineinschütten oder hineinspucken können“, so Hompes. Dieses fließt dann durch die Schläuche. Ein neben einem Aquarium installierter Computer nutzt das Wasser zur Kühlung, während das durch Bewegungsmelder gesteuerte Licht die Photosynthese einer Pflanze unterstützt. Vall thematisiert so Kreisläufe und Abhängigkeiten zwischen Mensch, Umwelt und Technologie.

Der Computer betreibt zudem das Programm „CERN at home“, das weltweit Rechenleistung freiwillig teilnehmender Rechner bündelt. So entsteht ein Geflecht aus Wasser, Strom, Technik und Pflanzen – ein physikalischer, biologischer und digitaler Kreislauf. „Besucher werden durch das Hineingeben von Wasser oder Speichel symbolisch zu einem Bestandteil dieses Systems, das Koexistenz, Flow und Zusammenarbeit sichtbar machen soll“, so der Museumsleiter.

Das Aquarium mit einer Wasserpflanze ist Teil eines Kreislaufs von Mensch, Technik und Natur. Geschaffen von Tatjana Vall, steht es in der Hermann-Voith-Galerie des Kunstmuseums. Natascha Schröm

Schleim als Informationssystem

Im kleinen Wechselausstellungssaal zeigt Enya Burger ihre Installation „guided by memories“. Besucher bewegen sich durch ein Labyrinth aus Glaswänden und Kabeln, die zu kleinen Butterfässern führen, die als Lautsprecher dienen. Sie geben die Klänge wieder, die der gelbe Schleimpilz Physarum polycephalum erzeugt. „Der Einzeller erzeugt Ströme, die in Klang übersetzt werden sollen, um so noch eine klangliche Komponente miteinzubringen“, sagt Hompes. Er besitzt weder Wurzeln noch ein Nervensystem, zeigt aber trotzdem eine Form von Intelligenz. Lern- und Orientierungsvermögen ermöglichen ihm, in komplexen Systemen den kürzesten Weg zu finden – eine Fähigkeit, die auch in Wissenschaft und Stadtplanung untersucht wird.

Burger greift die ambivalente Bedeutung von Schleim auf, etwa in Verbindung mit dem weiblichen Zervixschleim oder als Virenträger, und beleuchtet diese aus verschiedenen Perspektiven. Mythologie und Wissenschaft verknüpft sie in ihrer Arbeit, etwa mit Bezug auf den nordischen Milchhasen-Mythos, um alternative Wissenssysteme zu thematisieren.

Mythologie trifft auf Wissenschaft: In ihrer Installation verknüpft Enya Burger den Schleimpilz mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem mythischen Wesen des Milchhasen. Natascha Schröm

Scheinbar Flüssiges wird fest, Festes wirkt weich

Luka Fineisen arbeitet mit unterschiedlichen Aggregatzuständen und Materialien, um deren Wirkung zu verändern. Im Hugo-Rupf-Saal knüpft sie an die Geschichte des Hauses als Volksbad an und experimentiert mit Stoffen, die zunächst fest erscheinen, dann aber in Bewegung geraten oder zu fließen scheinen. Verschiedene Viskositäten, feste und schwebende Substanzen kommen zum Einsatz. Die Brunnen des Hauses integriert sie in ihre Arbeiten: In „In Gratitude“ scheint Milch zu fließen, tatsächlich ist es formbares Gießharz. Aus dem zweiten Brunnen fließt scheinbar Gold, mit dem Namen „Essence“ als Gegenstück zum Werk „Bulk“, das aus den bewusst eingesetzten Stellwänden des Museums besteht.

In „Drip“ nutzt Fineisen die gesamte Raumhöhe: Eine Rosette an der Decke verwandelt das Belüftungsgitter in eine Quelle, aus der zähe, schwarze Masse in ein Becken tropft – visuell und klanglich füllt das Werk den Raum. Museumsleiter Marco Hompes freut sich besonders über diese Ausstellung, da die Künstlerin die Größe des Hugo-Rupf-Saals gezielt einbringt – eine Möglichkeit, die er künftig öfter im Museum einsetzen möchte. Auch „Matrix“ nutzt das Saalvolumen und arbeitet mit Gegensätzen: Aus der Nähe wirkt das große Werk geometrisch und fest, aus der Ferne leicht und wolkenhaft.

Luka Fineisens „Matrix“ aus Metall und Kunststoff spielt mit Perspektiven: Nah soll die Komposition streng und klar wirken, aus der Ferne soll die Form sich auflösen und luftig wie eine Wolke erscheinen. Natascha Schröm

Ein Zusammenspiel im Flow

Alle drei Künstlerinnen greifen das Thema „Flow“ auf und beziehen sich dabei zum Teil subtil auf die Geschichte des Hauses als ehemaliges Volksbad. Vall macht Kreisläufe aus Wasser, Technik und Natur erfahrbar, Burger untersucht alternative Intelligenz- und Wissenssysteme, Fineisen spielt mit Material, Raum und Wahrnehmung. Ihre Werke verschmelzen zu einer Hommage, in der Bewegung, Transformation und Verbindung auf sinnliche, visuelle und klangliche Weise erlebbar werden sollen.

Begleitprogramm des Kunstmuseums

Im Rahmen der neuen Ausstellung gibt es im Kunstmuseum Heidenheim nach der öffentlichen Vernissage am 25. Oktober noch mehr Programm. So findet am selben Tag, ab 11.15 Uhr, „Krümelview“ statt: Noch vor allen Erwachsenen erkunden Kinder zusammen die neue Ausstellung. Die Veranstaltung richtet sich an Kinder ab sechs Jahren, eine Begleitperson ist erlaubt, der Eintritt ist frei.

Am Freitag, 31. Oktober, von 9 bis 11 Uhr, können Kinder bei „Marmorieren in den Ferien“ mit Mustern aus Wasser und Farbe experimentieren. Die Veranstaltung ist für Kinder ab acht Jahren geeignet. Die Teilnahme kostet 38 Euro pro Kind, eine Anmeldung ist erforderlich, und die Gruppe ist auf maximal acht Kinder begrenzt. Geleitet wird die Werkstatt von Kathrin Vahle-Jochner.

Und am Mittwoch, 12. November, lädt das Museum ab 18 Uhr zum dritten Mal zu „Female Attraction“ ein: ein Abend für Frauen zwischen den Positionen der drei Künstlerinnen, mit Fingerfood, Getränken und einem Ausflug in kreative Techniken. Die Teilnahme kostet acht Euro pro Person, eine Anmeldung ist erforderlich, und der Abend wird von Romina Ferrarotti und Anja Marrack begleitet.