Kabarett, Kunst und Musik. Eigentlich hätte alles so schön sein können. Doch dann kam ein Trikot dazu. Das Resultat ist eine verwobene Geschichte um politische Positionierungen, Anschuldigungen und Zusammenhalt rund um den Rapper Chefket, der mit bürgerlichem Namen Şevket Dirican heißt und aus Heidenheim stammt.
Aber von vorn: Eigentlich hätte ehemalige Schüler des Schiller-Gymnasiums und heutige Rapper Chefket am 7. Oktober – dem zweiten Jahrestag des Massakers der Hamas an rund 1200 Israelis – im Rahmen einer von Jan Böhmermann, Satiriker und Frontmann des ZDF Magazin Royale, organisierten Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Berlin auftreten sollen.
Antisemitisches Trikot getragen?
Unabhängig davon hatte sich der Rapper zuvor aber in sozialen Medien mit einem Trikot gezeigt, auf dem die Grenzen Israels abgebildet sind – zusammen mit der Aufschrift Palestine. Sein Konzert im HKW wurde daraufhin abgesagt. Auch auf Wirken des Kulturstaatsministers Wolfram Weimer, der die Aktion als antisemitisch wertete. Judenfeindlichkeit habe auf Bühnen nichts zu suchen, so Weimer, der auch die Befürchtung über mögliche weitere antisemitische Bekundungen vorbrachte – vor allem im Hinblick auf das geplante Datum des Konzerts.

Aus Solidarität mit dem Heidenheimer Rapper sagten daraufhin einige Musikerinnen und Musiker, die für Auftritte im HKW eingeplant waren, diese teils medienwirksam, teils kommentarlos ab. Und auch die Veranstalter in den Städten, in denen im Rahmen seiner Tour Konzerte stattfinden sollen, stellten sich hinter ihn, sagte Rapper Chefket im Vorfeld seines Konzerts im Lokschuppen gegenüber der HZ. Kein Konzert seiner aktuellen Tour Dr. Dirican sei abgesagt worden. Das Konzert in Heidenheim war das vierte seiner Tournee.
Dass mehr über ein Trikot gesprochen werde, als über mögliche Hilfe für Menschen in Kriegsgebieten zeige ihm, dass etwas nicht stimme, so Chefket weiter. Solidarische und humanistische Werte sollten Attribute der Mitte sein und nicht als Links gelten, findet der Sänger. Und: „Sich für Palästinenser und deren Sicherheit auszusprechen, bedeutet nicht, dass andere Menschenleben abgewertet werden.“
Spielen die türkischen Wurzeln des Heidenheimers eine Rolle?
Trotzdem: Das Trikot mit Kartendarstellung und dem Schriftzug Palestine erweckte bei vielen den Eindruck, Israel werde hier zum palästinensischen Territorium gerechnet oder bewusst ausgelassen. So sah das wohl auch Wolfram Weimer. Dass die Rückennummer 11 auf dem Trikot des fiktiven „FC Palestine“ die Umrisse des israelischen Staatsgebiets zeigt, ist Chefket aber laut eigener Aussage zuvor nicht aufgefallen. „Es ist absurd“, sagte er zum Ausmaß der Situation. Er glaubt, dass er als muslimischer Deutscher härter kritisiert worden und aufgrund seiner türkischen Wurzeln und seines Glaubens an den Pranger gestellt worden sei.

In seinem neuen Song „Irgendwas im Wasser“, der Mitte Oktober erschien und als Statement und Reaktion zu der Debatte verstanden werden kann, will Chefket jedenfalls mit der rhetorischen Frage „Ist man Antisemit, wenn man gegen Genozid rappt?“ noch einmal klarstellen, dass eine Ablehnung von Mord und Ungerechtigkeit für ihn kein Indiz für Antisemitismus ist. Seit Jahren spreche er in seinen Songs zudem über Themen wie Zusammenhalt und Gleichheit. Für den Rapper ein weiteres Gegenargument zu den Vorwürfen.
Inwieweit sich Politik in Kunst und das Handeln Kulturschaffender einmischen darf, bleibt umstritten. Als Jugendlicher in Heidenheim hätte sich Cheket jedenfalls mehr Veranstaltungen wie sein Konzert im Lokschuppen gewünscht. „Weil Musik ein Medium für ein friedvolles Miteinander sein kann und soll.“ Am Samstag war das der Fall: Rund 400 Menschen verschiedenster Kulturen feierten gemeinsam zu deutsch-türkischem Rap.