Früher, ganz früher, trieben die Menschen ihr Vieh noch in den Wald, um es dort weiden zu lassen. Diese Praxis reicht noch über das Mittelalter hinaus. Doch seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese Art der Weidehaltung kaum noch praktiziert. Das hat auch Auswirkungen auf die Natur, denn die Ziegen, Schafe, Kühe, Esel und Pferde fanden in den Wäldern nicht nur ausreichend Nahrung, sie sorgten auch dafür, dass sich die Wälder nicht unkontrolliert ausbreiteten. Durch Holzverbiss und dadurch, dass sich das Vieh an den Bäumen schrubbert, kam es dazu, dass die alten Bäume zwar stehen blieben, von unten jedoch relativ wenig nachwuchs. Außerdem konnte verhindert werden, dass die Heideflächen verbuschten und später verwaldeten. Die Wälder, in denen die Tiere weideten, wurden Hutewälder genannt.
Einen solchen Hutewald gab es dereinst auch in Schnaitheim und zwar im Enggaß. Auf einem kleinen Bergrücken zwischen Enggaßsstraße und Steigstraße lässt sich gut erkennen, was geschieht, wenn Heideflächen nicht regelmäßig beweidet werden und sich der Wald die Landschaft erobert. „Es gibt hier einige vereinzelte große alte Bäume, der Rest wächst natürlich nach“, erläuterte Stadtförster Christian Eder den Mitgliedern des Gemeinderats beim Waldbegang. Und in der Tat ist gut zu sehen, dass der Hügel schon deutlich verwaldet. „Deshalb wollen wir hier ein neues Projekt beginnen und einen Hutewald schaffen. Das ist nur dort erlaubt, wo es früher schon Hutewald gab und das ist hier der Fall“, so Eder.
13 Hektar großes Gelände
Geplant ist, das infrage kommende Gelände, das etwa 13 Hektar umfasst, von denen rund sechs Hektar Wald sind, komplett zu umzäunen. Aufgeteilt werden soll es in acht Bereiche, die mit mobilen Zäunen begrenzt werden. „Wir teilen das Gelände auf, um den Weidedruck auf einzelne Bereiche erhöhen zu können“, erklärte Eder. Die Anzahl der Tiere wäre sonst für das große Gelände zu gering. Beweidet werden soll das Areal mit Ziegen, Schafen, Eseln, aber auch mit alten Kuhrassen. „Die Kühe schälen durch das Kratzen die stärkeren Bäume, die dann absterben. Ziegen und Schafe fressen Gras und die dünneren Büsche“, so der Stadtförster. Forstarbeiten sind hier nicht vorgesehen, die Natur und die Tiere sollen alles allein regeln. „Wir hoffen, dass im Laufe der Jahre alles dünne verschwindet und nur ein paar dicke, alte Eichen übrigbleiben.“
Die Tiere sollen nicht das ganze Jahr über auf der Heide und im Hutewald weiden. Deshalb ist vorgesehen, in den Zaun auch acht Tore einzubauen, um das Gelände für Fußgänger zugänglich zu machen. Außerdem ist geplant, Aussichtspunkte zu schaffen und mit Infotafeln auf das Naturschutzprojekt aufmerksam zu machen. „Schon jetzt ist das Gelände als Refugium eingestuft, wird also nicht bewirtschaftet. Aber einen Hutewald in dieser Größe gibt es in weiter Umgebung bisher nicht“, sagt Eder. Das Gelände ist 1,2 Kilometer lang, die Breite variiert zwischen 50 und 150 Metern.
Ob es den Hutewald tatsächlich geben wird, hängt maßgeblich vom 1. FC Heidenheim ab. Denn der plant die Erweiterung der Voith-Arena und müsste dafür auch Bäume fällen. Dafür wiederum sind Eder zufolge Ausgleichsmaßnahmen notwendig und eine davon könnte die Finanzierung des Hutewaldes sein. Für die Ausgleichsmaßnahme wäre zwar der Verein zuständig, das Gelände bleibt jedoch in städtischem Eigentum. Derartige Projekte sind über einen Zeitraum von rund 25 Jahren angelegt. Wann der Hutewald eingerichtet werden soll, ist noch offen. Abhängig vom Genehmigungsverfahren für die Waldweide ist ein Start des Projekts im kommenden Jahr möglich.
Ausgleich ist zwingend
Wenn Bäume gefällt werden, ist ein forstrechtlicher Ausgleich zwingend erforderlich. Wird beispielsweise ein Hektar Wald gefällt, muss an anderer Stelle aufgeforstet werden. Verantwortlich dafür ist dabei derjenige, der die Rodung vornimmt, im Falle der geplanten Stadionerweiterung also der FCH. Doch ist es mit dem Pflanzen von Bäumen in gleicher Menge in diesem Fall nicht getan.
Der Wald beim Stadion ist qualitativ hochwertig, weil große alte Bäume beinhaltet. Aus diesem Grunde ist auch sogenannter funktionaler Ausgleich notwendig. Ein solcher wäre die Gestaltung eines Hutewaldes als Naturschutzmaßnahme.