Man stelle sich vor, der Strom fällt aus. Nicht nur für 15 Minuten, nicht nur in einem Straßenzug oder einem Stadtviertel. Es geht um einen großen Stromausfall, auch Blackout genannt. Flächendeckend, also im gesamten Landkreis, in ganz Süddeutschland oder gar im ganzen Land bricht die Stromversorgung zusammen. Stunden- oder gar tagelang. Oder noch länger. So unwahrscheinlich ist dieses Szenario nicht, denn vor großen Unwettern oder anderen Katastrophen kann man sich kaum schützen. Auch die Gefahr von Cyberattacken auf die kritische Infrastruktur ist heute größer denn je.
In diesem Szenario gibt es in weiten Gebieten über einen sehr langen Zeitraum hinweg keinen Strom. Das bedeutet, dass die Supermärkte nicht öffnen können. Dass nach wenigen Stunden das Kommunikationsnetz zusammenbricht. Dass kein Wasser mehr aus den Hähnen kommt, weil die Pumpen mit Strom arbeiten. Auch die Abwasserentsorgung und -klärung funktioniert nicht mehr. Kühlschränke quittieren sofort ihren Dienst, nachts ist es völlig dunkel, es gibt keine Möglichkeit mehr zu kochen – oder Lebensmittel einzukaufen.
Wie kann man sich auf eine solche Situation vorbereiten? Vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt es seit vielen Jahren entsprechende Empfehlungen für den Einzelnen. Doch wer kennt die schon? Wer rechnet schon damit, dass er je in einen Blackout gerät? Und wie kann man sich auf so eine Situation vorbereiten? Daniele Schweikhart vom Forum Ernährung und Michael Zimmermann, Fachbereichsleiter für Brand- und Katastrophenschutz, sind beim Heidenheimer Landratsamt beschäftigt. Sie versuchen, die Bevölkerung mit Vorträgen und bei Veranstaltungen für das Thema Vorsorge im Krisenfall zu sensibilisieren. Doch worum geht es dabei? Ein Interview:

Frau Schweikhart, Herr Zimmermann, Sie beschäftigen sich mit der Vorsorge im Krisenfall. Ich bin überrascht, dass Sie keine Tarnanzüge tragen.
(lachen) Zimmermann: Wir sind Zivilisten.
Aber sogenannten Preppern wird ja nachgesagt, sie seien gerne so unterwegs.
Zimmermann: Ja, man verteufelt das vielleicht und macht es lächerlich. Aber im Grunde genommen ist eine Vorsorge in bestimmten Bereichen und eine Vorhaltung von Ressourcen und Dingen des täglichen Lebens einfach notwendig.
Warum?
Zimmermann: Weil es den Behörden in einer Krisensituation dann möglich ist, Zeit zu gewinnen. Wir müssen uns dann nicht im Kleinklein verlieren, sondern können uns um lebensbedrohliche Lagen kümmern.
Warum versuchen Sie gerade jetzt, die Bevölkerung in Vorträgen zu diesem Thema zu sensibilisieren?
Zimmermann: Im Sinne des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes beschäftigen wir uns auch immer mit der Vorsorge. Die Gemengelage unserer Zeit sorgt dafür, dass wir versuchen, mehr Menschen zu sensibilisieren. Nicht, weil es Hinweise auf irgendeine Bedrohungslage gibt, aber Corona hat uns gezeigt, wie schnell es zu Mangelversorgungen kommen kann.
Auf welche Notlagen sollten die Menschen hierzulande vorbereitet sein? Ein Vulkanausbruch ist eher unwahrscheinlich, Flutwellen und Tsunamis ebenfalls. Wir befinden uns nicht mal in einem stark von Erdbeben betroffenen Gebiet.
Zimmermann: Hochwasser kann es hier durchaus geben, wenn auch sehr selten. Wenn es aufgrund eines Hochwassers zu einem Stromausfall kommen würde, oder durch Starkregen, von dem Umspannwerke betroffen sind und Hochspannungsleitungen in Mitleidenschaft gezogen werden, sind wir relativ schnell an dem Thema dran, dass der Strom fehlt. Und genau darum geht es. Das ist aber nur ein mögliches Szenario. Auch durch einen großen Brand, ein Sturmereignis, einen Gefahrstoffaustritt in größerem Umfang könnte es notwendig werden, dass sich ein Teil des Landkreises oder sogar der ganze für einen gewissen Zeitraum selbst versorgen muss.
Passieren kann also jederzeit etwas?
Zimmermann: Wir müssen da ein bisschen zurückblicken. Nach dem 2. Weltkrieg waren die Strukturen sehr gut ausgebaut, der Katastrophenschutz sehr gut aufgestellt. Durch politische Entscheidungen wurde das dann sukzessive heruntergefahren nach dem Kalten Krieg. Der Abbau von Sirenen, die Rückabwicklung von Schutzräumen. Die Bevölkerung denkt seitdem, es sei alles gut, es sei ständig alles verfügbar, es wird schon nichts passieren. Deshalb müssen wir in der Bevölkerung ein Umdenken hin zur Selbsthilfe-Fähigkeit schaffen.
Warum ist das notwendig?
Zimmermann: Einfach gesagt: Die Menschen müssen verstehen, dass der Staat in Krisensituationen nicht drei Mahlzeiten am Tag zur Verfügung stellen kann, und auch noch das Handy geladen wird.

Haben die Menschen früher eine andere Vorsorge betrieben?
Schweikhart: Die Generation, die Krieg und die Nachkriegszeit, somit den Mangel erlebt hat, schon. Dann kam die Generation, die mit der immer funktionierenden Vollversorgung aufgewachsen ist, in der immer alles verfügbar ist. Man kann alles im Supermarkt, an der Tankstelle oder im Internet kaufen. Aber wir sollten trotzdem auch für eine gewisse Zeit autark leben können, weil man Naturgewalten nicht unterschätzen darf. Deshalb ist es einfach schlau, vorzusorgen.
Zimmermann: Hier in der ländlichen Region war die Vorratshaltung schon immer eher ein Thema und auch eher möglich.
Schweikhart: Es war und ist ja auch mehr Platz verfügbar. In vielen Häusern gibt es Vorratsräume und Keller, wo man die Dinge lagern kann.
Zimmermann: Deshalb geht unser Blick auch eher auf die Menschen in den Städten.
In einer Ein-Zimmer-Wohnung ist Vorratshaltung nur schwer möglich.
Zimmermann: Vorratshaltung ist in einer Studentenwohnung mit wenigen Zimmern natürlich schwieriger. Aber wenn man sich abspricht und versucht, sich gegenseitig zu helfen, geht auch das. Wenn man auf Getränkekisten eine Holzplatte legt, hat man auch einen Tisch. Man kann sich auch absprechen, wer was in seinem Zimmer lagert. Um die Menschen im ländlichen Raum machen wir uns da weniger Sorgen, auch weil man sich hier besser kennt und auch die Nachbarschaftshilfe noch eine Rolle spielt. Das Wichtigste ist, einen Plan zu haben und sich gut vorzubereiten. Vielleicht kann man am Wochenende ja auch mal „trainieren“ unter dem Motto „Kochen ohne Strom“.
Man sollte sich also darauf vorbereiten, ohne Strom klarzukommen. Das bedeutet, man hat keine Möglichkeit, einzukaufen, Essen warm zu machen. Und zunächst ist keine fremde Hilfe zu erwarten?
Schweikhart: Ja, genau.
Und für welchen Zeitraum sollte man vorbereitet sein?
Schweikhart: Einige Tage wären schon sehr hilfreich, eine Woche ist schon richtig gut.
Zimmermann: Ich wäre schon glücklich, wenn wir es schaffen, die Bevölkerung flächendeckend drei Tage autark zu haben. Dann wäre schon viel gewonnen.
Schweikhart: Wichtig dabei ist auch Küchenhygiene, also die Frage: Wie spüle ich meine Hände oder Geschirr. Das ist in solchen Zeiten besonders wichtig, weil niemand braucht dann eine Darmerkrankung. Ein Thema ist auch die Information. Man sollte Power-Banks fürs Handy haben, man will ja die Verwandtschaft informieren. Sinnvoll wäre auch, ein batteriebetriebenes oder ein Kurbel-Radio zu Hause zu haben.
Zimmermann: Man muss wissen, dass das Handy-Netz bei einem flächendeckenden Stromausfall nach wenigen Stunden zusammenbrechen wird. Die Städte und Gemeinden bereiten in Zusammenarbeit mit den Feuerwehren und den Hilfsorganisationen Notfalltreffpunkte vor, um Grundinformationen transportieren zu können. Das gibt auch ein Gefühl von Sicherheit.
Was gehört noch zu einer guten Vorbereitung?
Zimmermann: Bestenfalls hält jeder immer Notfallgepäck bereit für den Fall, dass er schnell das Haus verlassen muss. Wichtig sind dabei Medikamente und Dokumente. Welche, muss jeder selbst entscheiden. Jeder sollte in der Lage sein, im Falle einer Evakuierung innerhalb von 15 Minuten das Nötigste zusammenzupacken. Und natürlich sind Artikel für die Körperhygiene unverzichtbar.
Sie sagten vorhin, Sie wären schon froh, wenn sich alle Menschen drei Tage lang autark versorgen könnten. Was passiert danach?
Zimmermann: Nach dieser Zeit sollten die staatlichen Mechanismen auch spätestens greifen. Dann kommen die Ernährungssicherstellungsgesetze zum Tragen. Diese beinhalten gewisse Befugnisse für staatliche Organisationen. Wir sprechen hier aber tatsächlich von flächendeckenden Ereignissen, die die gesamte Bundesrepublik betreffen. Klar ist, um die staatlichen Mechanismen der Notfallversorgung anlaufen zu lassen, braucht es etwas Zeit. Und diese gewinnen wir durch persönliche Vorbereitung.
Was bedeutet das?
Zimmermann: Das bedeutet, dass der Staat im Katastrophenfall eingreifen darf. Grundsätzlich ist die Katastrophenbekämpfung Ländersache. Der Zivilschutz obliegt dem Bund.
Dann dürfte das Technische Hilfswerk das Netto-Lager in Dettingen öffnen und Lebensmittel verteilen?
Zimmermann: Nein, es gibt eine staatliche Notfall-Bevorratung von Lebensmitteln und es geht darum, darauf hinzuwirken, dass die Lebensmittelhändler von sich aus die Ausgaben organisieren. Auch in den Markt könnte dann der Staat eingreifen, um somit die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Schweikhart: Deutschland bevorratet viele Lebensmittel, von Getreide über Reis bis hin zu Bedarfsgegenständen. Aber diese großen Lager sind vorwiegend in der Nähe von Ballungszentren. Das wird vermutlich jedoch kaum für alle reichen. Deshalb sollte auch jeder privat vorsorgen. Der Vorteil ist: Man kann auch das bevorraten, was dem eigenen Geschmack und Ernährungsstil entspricht.
Was empfehlen Sie konkret zur Bevorratung? Muss man dabei auch auf Nährstoffe achten?
Schweikhart: Das ist in dem Moment ein Luxusproblem. Das Wichtigste ist, dass Sie satt werden. Und dass Sie Lebensmittel haben, die Sie kalt essen können.
Zimmermann: Energieriegel zum Beispiel kann man lange aufbewahren, sie brauchen wenig Platz zum Lagern und können dem Körper Energie geben.
Wieviel Wasser braucht man?
Schweikhart: Ich würde 1,5 bis zwei Liter pro Person und Tag zum Trinken empfehlen. Und mindestens die gleiche Menge nochmals als Brauchwasser und für die Hygiene. Auch Entkeimungsmittel und Wasserfilter, die es im Outdoorhandel gibt, können sehr nützlich sein.
Was gilt es sonst noch zu beachten?
Schweikhart: Man sollte Bargeld zu Hause haben, möglichst in kleinen Scheinen. Wenn es keinen Strom gibt, kann man nicht mit Karte zahlen und kein Geld abheben.
Ab wann sollte man unruhig werden, wenn der Strom ausfällt?
Zimmermann: Das ist sehr schwer zu sagen, man weiß ja in der Situation nicht, wie lange es dauert. Ruhe bewahren ist immer wichtig.
Schweikhart: Ob man sich Sorgen machen muss, hängt auch davon ab, wie gut man vorbereitet ist.