Empörung ist oft eine einfache Sache. Bloß hilft sie meistens nicht weiter. Und nicht selten suchen gesellschaftliche Gruppen, die sich laut empören, überhaupt nicht nach Lösungen. Darüber, und auch über einiges mehr zum Thema, sprach, verständlich und humorvoll, Dr. Katharina Ceming in der Heidenheimer Stadtbibliothek.
Beim Thema des Abends ging es also nicht um Yoga. Es ging vielmehr um Entspannung bei schwierigen gesellschaftlichen Themen. Ceming betonte, dass es zwei Formen von moralischer Empörung gebe. Jede Veränderung, jede Revolution beginne mit berechtigter Empörung über ein Unrecht, bei der eine große Anzahl von Menschen gesellschaftliche Veränderungen ins Rollen bringe. Auf der anderen Seite gebe es die moralistische Empörung extremer Randgruppen, rechts wie links, die mit bestimmten Mitteln nicht nur den gesellschaftlichen Diskurs außer Kraft setze, sondern gemeinsame Lösungen geradezu verhindere.
Die Fundamentalisten
Ceming nannte fünf Aspekte, die sie mit Beispielen illustrierte. Was den moralischen Fundamentalismus anbetreffe, so führten hier durch die Herausnahme aus dem Kontext dessen, wie Äußerungen zu bestimmten Themen eigentlich gemeint seien, in vielen Fällen zu sogenannten Shitstorms in den sozialen Medien. Die öffentlichen Auswirkungen haben hier wenig bis nichts mehr mit der eigentlichen Ursache zu tun.
Beim zweiten Aspekt geht es um Lebensbereiche, die nicht zwingend mit moralisch-ethischen Begriffen zu tun haben, zum Beispiel Kunst, Kultur, Sport, die aber unter den Generalverdacht von Diskriminierung gestellt werden. Als Beispiel diente ein 1938 gemaltes Bild von Balthus, bei dem eine junge Frau mit hochgeschobenem Rock dargestellt ist und das 2017/2018 für einen internationalen Skandal sorgte.
Die Selbstdarsteller
Spannend war auch der dritte Aspekt: die Begründunglosigkeit. Viele Moralisten seien so überzeugt von ihrem Standpunkt und dem Gefühl, im Recht zu sein, dass sie nicht in der Lage wären, ihre Überzeugungen und vor allem ihre Methoden auf den Prüfstand zu stellen. Das führe dazu, dass Ziele, die eigentlich eine große Mehrheit der Bevölkerung befürwortet, durch fragwürdige Methoden und die Inanspruchnahme, moralisch besser als alle Gesprächspartner zu sein, nicht mehr gesellschaftlich adäquat besprochen und mit gemeinsamen Lösungsansätzen, die auch Kompromisse beinhalteten, umgesetzt würden. Die große Mitte verstumme immer mehr oder drifte ebenfalls zu den Extremen ab.
Viele Verhaltensweisen von empörten Moralisten in den sozialen Netzwerken, so Ceming, dienen der Selbstdarstellung. In der eigenen „Bubble“ (Blase), in der niemand die schnellen Äußerungen, die Posts infrage stellt, sei es bequem und sicher. Die Posts würden immer dramatischer – aber: „Man handelt nicht, man empört sich.“ Tatsächliches Handeln aus gerechtfertigter Empörung über ein Unrecht dagegen erfordere langfristiges Engagement, Gesprächsbereitschaft und Kompromisse.
Die Lautstarken
Im letzten Punkt wies Ceming darauf hin, auf welche Art und Weise öffentliche Empörung zum Ausdruck gebracht wird. Durch lautstarkes Verurteilen des Gegenübers würden Dinge überdramatisiert und keine Lösungen gesucht.
In der Fragerunde gab Ceming zu, keine schnellen Veränderungsmöglichkeiten parat zu haben. Individuell könne man besser zuhören, relativieren und Gespräche mit vielen Teilen der Bevölkerung führen. Gesellschaftlich sei es schwieriger, die mediale Darstellung vor allem der Extremen zu verändern. Ihr Plädoyer: Die Mitte möge sich wieder mehr zu Wort melden. Ruhig und kompromissbereit, um gemeinsam Lösungswege für Probleme zu erarbeiten.
Philosophin und Theologin
Dr. Dr. habil. Katharina Ceming studierte Philosophie und katholische Theologie. Sie lehrte an Universitäten in Deutschland und Österreich, arbeitet seit 2011 als freiberufliche Dozentin und Publizistin und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht.