Angeklagter bereut

Sexueller Kindesmissbrauch: 54-Jähriger vom Heidenheimer Schöffengericht zu Bewährungsstrafe verurteilt

Vom Schöffengericht am Amtsgericht Heidenheim wurde ein 54-Jähriger zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er hatte seine Enkeltochter im Intimbereich berührt. Warum die Urteilsfindung dennoch nicht einfach war:

Daraus, dass er seine noch dreijährige Enkeltochter im Januar während eines gemeinsamen Bades in der Badewanne im Intimbereich berührt hatte, machte der 54-jährige Angeklagte bei der Verhandlung vor dem Heidenheimer Amtsgericht kein Hehl. Dass ihm dieses Geschehen sehr leidtut, er keinesfalls vorgehabt hatte, dem Mädchen in irgendeiner Form weh zu tun oder zu schaden, nahm ihm das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Rainer Feil ab.

Angesichts des Geständnisses hatte das Gericht im Wesentlichen herauszufinden, ob der Angeklagte im Zuge der Berührungen einen Finger in das Mädchen eingeführt hatte oder nicht. Denn der Unterschied ist gravierend: Im einen Fall handelt es sich um schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, im anderen um sexuellen Missbrauch.

Mit der Enkelin in der Badewanne

Doch was war vorgefallen? Wie der Angeklagte und seine Tochter, die Mutter des kleinen Mädchens, einvernehmlich schilderten, sei es nicht unüblich gewesen, dass der Opa mit der Enkelin in der Badewanne gebadet habe. Die erwachsene Tochter des Angeklagten lebte zum Tatzeitpunkt mit ihren Kindern noch in der Wohnung der Eltern. An jenem entscheidenden Tag im Januar habe es schon morgens familiäre Streitigkeiten gegeben, woraufhin er eine halbe Flasche Wodka getrunken habe, sagte der Angeklagte aus. Allerdings sei er nicht betrunken gewesen. Um die Mittagszeit sei er dann mit seiner Enkelin auf deren Wunsch hin in die Badewanne gestiegen. Derartige „Badetage“ hätten nicht selten eine Stunde gedauert, so auch an diesem Tag.

Wie immer habe er mit seiner Enkelin in der Wanne gespielt, sie dabei auch berührt, am Körper gestreichelt und massiert. Im Zuge dessen, so räumte es der Angeklagte ein, habe er das Mädchen auch „mit der flachen Hand im Intimbereich“ gestreichelt. Auf Nachfrage von Richter Feil betonte er, dass das nicht von Anfang an geplant gewesen sei. Er räumte aber ein, dass diese Berührung auch „eine sexuelle Komponente“ für ihn gehabt habe. „Ich bin aber nicht auf Kinder aus. Ich hatte einfach sehr lange keinen Sex.“ Der 54-Jährige gestand, dass die Berührung der Enkelin für ihn auch eine Art Ersatzbefriedigung gewesen sei, betonte jedoch mehrfach, nicht mit dem Finger in sie eingedrungen zu sein.

Die Mutter des Kindes, die als Zeugin aussagte, erklärte, dass das Kind wie immer weiter in der Wanne beim Opa bleiben wollte, als sie das Bad beendete. Beim Abtrocknen und Anziehen habe ihre Tochter dann von sich aus erzählt, dass der Opa sie „anders gewaschen und berührt“ habe, als die Mama es tue. Daraufhin, so die Zeugin, sei sie hellhörig geworden, habe ihre Tochter, ohne Bescheid zu geben, zum Kinderarzt gebracht. Der sagte ebenfalls als Zeuge aus. Er sei aufgrund der Erzählung der Mutter von einem sexuellen Missbrauch ausgegangen und habe ihr empfohlen, mit dem Kind ins Klinikum zu gehen.

Keine Hinweise auf Missbrauch

Bei der Untersuchung im Klinikum, die erst abends um 22 Uhr stattfand, konnten keine Hinweise entdeckt werden, die eindeutig auf einen sexuellen Missbrauch hinweisen. Das sagten zwei Ärztinnen im Zeugenstand übereinstimmend aus. Sie befragten das kleine Mädchen auch hinsichtlich des Geschehens in der Badewanne, worauf es mit ja und nein geantwortet habe. Auf die Frage, ob der Opa mit dem Finger in sie eingedrungen sei, habe sie verschüchtert ja gesagt, so eine Kinderärztin. Etwaige Traumatisierungen des Kindes konnten die Ärzte nicht feststellen, und auch die Mutter sagte aus, dass sich ihre Tochter im Nachgang normal verhalten habe und auch jetzt noch immer wieder nach ihrem Opa frage.

Für die Staatsanwaltschaft war das Ja der Dreijährigen zur entscheidenden Frage Beweis genug, eine Verurteilung des Mannes zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs zu fordern. Das Schöffengericht jedoch bewertete die Situation anders. Es sei nicht eindeutig, dass der Angeklagt tatsächlich mit dem Finger eingedrungen sei, zumal das Mädchen diese Aussage nur ein einziges Mal unter einer Stresssituation gemacht habe.

Unter anderem aufgrund der Tatsache, dass der Angeklagte keinerlei Vorstrafen sowie eine günstige Sozialprognose habe, dass er von Anfang an voll geständig gewesen sei und ihm das Geschehen sichtlich leid tue, wurde der Mann wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Haftstraße von zwei Jahren, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, verurteilt. Richter Feil sagte in seiner Urteilsbegründung, bei der Tat habe es sich um ein „Momentversagen“ gehandelt. Zu den Bewährungsauflagen zählt auch, dass der sich einer Sexualtherapie unterziehen muss. Die Verteidigung hatte auf eine Haftstrafe von höchstens zwei Jahren plädiert.

Gravierender Unterschied

Das Strafgesetzbuch unterscheidet klar zwischen sexuellem Missbrauch von Kindern und schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern. Beim sexuellen Missbrauch liegt die Mindeststrafe bei einem Jahr Haft, bei schwerem sexuellen Missbrauch bei zwei Jahren. Bewährungsstrafen sind nur bis zu einer Haftstrafe von zwei Jahren möglich. In beiden Fällen reicht der Strafrahmen bis zu 15 Jahren Haft.

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