Was als gewöhnlicher Barbesuch in Heidenheim begann, endete in einem körperlichen Übergriff. Zwei junge Männer müssen sich deshalb wegen gemeinschaftlichen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Ellwangen verantworten. Bisher fanden zwei Verhandlungstage statt, weitere vier Termine sind noch angesetzt.
Angriff in der Nacht
Nach den Ermittlungen der Polizei und der Aussage des 24-jährigen Opfers verließ der Mann im April dieses Jahres gegen 2.30 Uhr eine Bar in der Heidenheimer Innenstadt, als ihn zwei Männer ansprachen und Geld sowie Drogen forderten. Als er erklärte, weder das eine noch das andere zu haben, eskalierte die Situation: Einer der Täter soll ihn mit einem Schlagstock auf den Hinterkopf geschlagen, der andere mit Fäusten attackiert und seine Taschen durchsucht haben. Während des Angriffs wurde dem Opfer eine Gucci-Mütze im Wert von rund 200 Euro entwendet.
Der 24-Jährige erlitt zwei Kopfplatzwunden und eine Schädelprellung. Trotzdem kehrte er in die Bar zurück, wusch sich das Blut ab und ging nach Hause. Er suchte erst Stunden später selbstständig das Klinikum auf, wo seine Verletzungen festgestellt wurden. Laut Polizei stand der Mann in jener Nacht unter Alkoholeinfluss und erstattete erst zwei Tage später Anzeige.
Über einen Bekannten identifizierte er die mutmaßlichen Täter schließlich über die App Snapchat. „Bei den beiden – da bin ich mir zu 1000 Prozent sicher, dass sie mich geschlagen haben“, sagte der 24-Jährige vor Gericht. Auch der Betreiber der Bar bestätigte als Zeuge bei der Verhandlung, dass der Mann kurz nach der Tat blutverschmiert zurückgekehrt sei – den Angriff selbst habe er jedoch nicht gesehen.
Zwei Angeklagte
Auf der Anklagebank sitzen zwei Männer: ein 27-Jähriger aus Heidenheim und ein 22-Jähriger aus Setzingen, der eine Lebensgefährtin in Nattheim hat. Dem Älteren wird vorgeworfen, den Schlagstock eingesetzt zu haben; er sitzt seit der Tat in Untersuchungshaft. Der Jüngere soll das Opfer durchsucht und mit Fäusten geschlagen haben.
Überraschendes Alibi sorgt für Streit im Gerichtssaal
Für einen unerwarteten Moment sorgten bei der Verhandlung zwei Frauen, die als mögliche Alibizeuginnen für den 22-Jährigen auftreten wollten. Sie hatten zuvor besprochen, erst vor Gericht eine Aussage zu machen. Als Gründe, warum sie zunächst nicht bei der Polizei ausgesagt haben, sagten sie, sie seien beschäftigt gewesen, hätten zunächst keinen Anwalt gehabt, sich aber nicht bewusst geweigert, auszusagen – „es war halt so“, erklärten sie. Eine von ihnen ist die Lebensgefährtin des jüngeren Angeklagten.
Nach eigenen Angaben waren die beiden Frauen zusammen mit dem Lebensgefährten unterwegs. Man sei zu dritt in die Bar gegangen und an einem Tisch gesessen. Der Geschädigte sei wiederholt zu ihnen gekommen, habe sie belästigt und nach Drogen gefragt, was sie als nervig empfunden hätten. Er wirkte nach ihrer Einschätzung als wäre er „komplett auf Drogen“. Irgendwann sei das spätere Opfer weggegangen, ihnen sei es danach nicht mehr begegnet. Gegen 23 Uhr hätten alle drei die Bar verlassen und seien in die Wohnung der Lebensgefährtin in Nattheim gegangen, sagten die beiden Frauen aus.
Falschaussagen der Zeuginnen?
Da die Zeuginnen weder bei der Polizei noch bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt hatten, standen sie zunächst nicht auf der Zeugenliste. Ihre überraschenden Aussagen sorgten im Gerichtssaal spürbar für Spannung. Zwischen dem Vorsitzenden Richter Bernhard Fritsch und Manuel Reiger, dem Verteidiger des 22-jährigen Angeklagten kam es zu einem offenen Wortwechsel. Als der Anwalt den Richter wiederholt unterbrach, sagte dieser: „Kriegen Sie es nicht mit, wohin Sie den Karren hinsteuern?“ Der Verteidiger entgegnete darauf: „Ich steure den Karren nirgendwo hin.“
Im Anschluss warf der Verteidiger des 22-jährigen Angeklagten dem Gericht Voreingenommenheit vor und stellte einen Befangenheitsantrag. Der Richter hatte die Zeuginnen zuvor mehrfach gewarnt, dass falsche Aussagen strafrechtliche Folgen für sie selbst und möglicherweise auch für die Angeklagten haben könnten. Das Gericht wies den Befangenheitsantrag als unbegründet zurück.
Video aus Casino wird neu geprüft
Ein weiterer Streitpunkt betrifft ein Überwachungsvideo aus einem Heidenheimer Casino. Das Opfer gab an, dort wenige Tage nach der Tat einen der Angeklagten erkannt zu haben – angeblich an der gestohlenen Gucci-Mütze. Die Verteidigung bezweifelt die Identität der Personen auf dem Video und beantragte ein anthropologisches Gutachten. Sie argumentierte, Körpergröße und Erscheinung passten nicht zu den beiden Mandanten. Das Gericht ordnete an, die Aufnahmen erneut zu prüfen.
Zweiter Angeklagter nun ebenfalls in U-Haft
Die Verteidigerin des 27-Jährigen beantragte, ihren Mandanten unter Auflagen aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Es bestehe keine Fluchtgefahr, da die Beweislage widersprüchlich sei. Das Gericht lehnte dies ab: Der dringende Tatverdacht bestehe weiterhin, ebenso die Annahme der Fluchtgefahr.
Im weiteren Verlauf des Prozesses ordnete das Landgericht schließlich auch für den 22-jährigen Mitangeklagten Untersuchungshaft an. Nach Auffassung der Kammer hatten seine Lebensgefährtin und deren Freundin falsche Alibizeugnisse abgegeben. Damit sei der Tatverdacht erhärtet, zudem bestehe Fluchtgefahr. Angesichts der Schwere der Vorwürfe sei im Falle einer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu rechnen.
Beweisaufnahme wird fortgesetzt
Das Gericht kündigte an, weitere Zeugen zu hören – darunter einen Freund des Opfers – und die Videoaufnahmen erneut auszuwerten. Für diesen Zweck sind noch vier weitere Verhandlungstage angesetzt. Erst danach soll entschieden werden, ob sich die schweren Vorwürfe gegen die beiden Angeklagten bestätigen.
Ablehnung eines Richters
Ein Richter kann von einem Prozessbeteiligten abgelehnt werden, wenn begründete Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern ob objektive Umstände bestehen, die ein vernünftiger Beteiligter als Anlass für Misstrauen an der Unvoreingenommenheit ansehen können.
Eine Ablehnung ist nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die auf eine unsachliche Einstellung, Willkür oder persönliche Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger oder seinem Anliegen hindeuten.
Paragraf 24 der Strafprozessordnung regelt die Ablehnung eines Richters sowohl in Fällen gesetzlicher Ausschlussgründe als auch wegen Besorgnis der Befangenheit. Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu. Ziel dieser Regelung ist es, die Neutralität des Verfahrens zu gewährleisten und das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schützen.