20-jähriges Bestehen

Vom Schulchor zum internationalen Preisträger: Wie sich der Neue Kammerchor Heidenheim entwickelt hat

Seit exakt zwei Jahrzehnten gibt es den Neuen Kammerchor Heidenheim. Zwei langjährige Mitglieder erzählen, wie sie zu dem Chor gekommen sind, und warum er für sie zur Familie wurde.

Wählen dürfte er inzwischen. Lokomotivführer werden auch. Ins Casino gehen – zumindest hier in Baden-Württemberg – noch nicht. 20 Jahre alt wird der Neue Kammerchor Heidenheim (NKC) heuer. Sogar einen exakten Geburtstag gibt’s: Am 3. Oktober 2005 wurde der Chor gegründet. Unzählige Schülerinnen und Schüler des Heidenheimer Schiller-Gymnasiums haben dem Chor seither die Stimme gegeben, mit der er seit nunmehr zwei Jahrzehnten auf regionalen wie internationalen Bühnen auftritt. Zwei dieser Schülerinnen sind Anna Kiesel und Laura Jooß.

Ex-Schülerinnen müsste man eigentlich sagen. Denn die 26-jährige Kiesel und Jooß, 23 Jahre, sind vielleicht nicht mehr Teil des Schulunterrichts. Dem NKC sind sie dafür nach wie vor verbunden. Und in gewisser Weise spiegeln ihre Geschichten diejenigen zahlreicher Mitglieder wider.

Laura Jooß (links) und Anna Kiesel sind dem Neuen Kammerchor vor neun beziehungsweise elf Jahren beigetreten. Foto: Natascha Schröm

„Ich habe den Chor zum ersten Mal in der 5. Klasse bei einem Konzert gehört und war direkt total beeindruckt“, erzählt Laura Jooß. „Die waren alle so groß, so erwachsen, die Stücke so schwierig“ – und für Jooß war klar: Sie wollte unbedingt mitsingen. Anna Kiesel wurde von Chorleiter Thomas Kammel direkt gefragt, ob sie nicht Teil der Gruppe werden wolle. Eine „Schnupperstunde“ in der 8. Klasse habe gereicht, um festzustellen: Sie wollte.

„Am Anfang war ich zugegebenermaßen etwas überfordert und hatte immer Gänsehaut, wenn die anderen gesungen haben“, erinnert sich Kiesel. „Das hat sich aber schnell gelegt – man wird direkt von den Älteren an die Hand genommen.“ Klassenübergreifend, altersübergreifend: Davon lebt der NKC seit jeher. Dem regelmäßigen Klassenwechsel ist es geschuldet, dass auch im Chor ein Kommen und Gehen herrscht. „Das kann nur funktionieren, wenn man sich gegenseitig hilft“, so Kiesel.

Konzertreisen auf der ganzen Welt

Die beiden jungen Frauen sind heute gute Freundinnen, innerhalb des Chores habe es jedoch etwas gedauert, bis sie sich „gefunden“ hatten. Bis zur ersten gemeinsamen Konzertreise, um genau zu sein. Auch diese sind ein Markenzeichen des NKC. Neben Auftritten in der Region hat es den Chor bereits nach Italien, Belgien und Rumänien gezogen, nach Südafrika, Brasilien, Mexiko und Argentinien, um nur ein paar Auftrittsorte zu nennen. „Thomas Kammel sagt immer, vor der Konzertreise ist man ein Chor, nach der Reise eine Familie“, zitiert Laura Jooß den Leiter.

Dieser Zusammenhalt sorgt unter anderem dafür, dass zahlreiche Mitglieder dem Kammerchor auch nach ihrem Schulabschluss verbunden bleiben. „Ich bin noch aktiv im Chor, aber zähle mit 23 zu den Omas“, berichtet Jooß und lacht. Kiesel hat im Juli ihr finales Konzert mit dem NKC gesungen. Jetzt, nach dem Abschluss ihres Studiums, bleibe einfach keine Zeit mehr dafür übrig. Leider, wie sie sagt.

Ich bin noch aktiv im Chor, aber zähle mit 23 zu den Omas.

Laura Jooß, seit 2016 Mitglied beim Neuen Kammerchor Heidenheim

In den elf beziehungsweise neun Jahren, die Anna Kiesel und Laura Jooß den Neuen Kammerchor erlebt haben, hat dieser zwangsläufig Veränderungen durchlaufen. Früher hätten ehemalige Schüler – in der Regel Studierende – nur einen winzigen Teil des etwa 70 junge Menschen umfassenden Ensembles ausgemacht. Drei bis vier Stück seien das gewesen. Heute würden sie, schätzen die beiden jungen Frauen, rund 30 bis 50 Prozent der Mitglieder bilden. „Durch die Pandemie fehlen einfach ein paar Jahrgänge. Um das zu stabilisieren, sind mehr Studis geblieben.“

Auch das Repertoire des Chores habe sich verändert. Weniger Sakrales werde gesungen, dafür mehr Oper, Rock, Pop und Musical. „Es ist heute ein anderer Chor als vor Corona“, findet Jooß. Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit vonseiten der Mitglieder sei früher größer gewesen. „Die Bereitschaft, sich einzubringen, ist unterschiedlich hoch. Manche haben nicht den Ehrgeiz. Aber das ist okay so, es ist letztlich ja ein Hobby, wenn auch ein zeitintensives“, sagt Kiesel. Immer wieder gebe es junge Leute, die den Schulchor nach einem halben Jahr wieder verlassen. Hoffnungslose Fälle? „Die gibt es super selten. Thomas Kammel hat sehr viel Geduld.“

Erfolgreich bei zahlreichen Chorwettbewerben

Mit viel Geduld geht auch ein gewisser Anspruch einher, der sich nicht zuletzt bei Wettbewerben bemerkbar macht. „Ich weiß noch, wie wir 2028 beim Deutschen Chorwettbewerb in Freiburg mitgemacht haben. Da hat man sich schon gedacht: Jetzt darf nichts schiefgehen, jetzt muss man jede Note auswendig können“, erzählt Jooß. Der Druck sei in solchen Momenten da, die Motivation aber auch.

Förderlich sei zudem der Ausblick auf die Reisen und Erlebnisse, die der Chor so mit sich bringe – und die Kontakte, die man dabei knüpfe. „Wunderschön ist immer das Wiedersehen mit Chorfreunden aus aller Welt“, findet Jooß. Für die 23-Jährige geht es beim Neuen Kammerchor um weit mehr als das Singen. „Man lernt, wie man auf einer Bühne steht, wie man sich im Ausland zurechtfindet, wie man füreinander da ist. Man reift dadurch.“ Und Anna Kiesel ergänzt: „Andere Länder, Kulturen und Menschen kennenzulernen, ist etwas Tolles. Ich bin dankbar, diese Möglichkeit gehabt zu haben.“

Jubiläumskonzert im Dezember

Sein Jubiläum feiert der Neue Kammerchor Heidenheim am Samstag, 13. Dezember, ab 19 Uhr im Congress Centrum. Unter dem Titel „Christmas Around The World“ stimmt der NKC zusammen mit seinen Gästen aus Südafrika, dem University of Pretoria Youth Choir, auf Weihnachten ein. Tickets sind ab 3. Oktober unter neuerkammerchor.com erhältlich.

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