Produktionsverlagerung nach Ungarn und China

Tränen und Fassungslosigkeit: TDK plant massiven Abbau von Arbeitsplätzen in Heidenheim

Der Elektronikkonzern TDK kündigt den Abbau von 300 Arbeitsplätzen am Standort Heidenheim an. Der Betriebsrat ist entsetzt über diese Maßnahme, von der er nicht vorab informiert wurde. Wie es jetzt weitergeht:

Das Unternehmen TDK nennt es eine „Neuausrichtung des Standorts Heidenheim“. In erster Linie verbirgt sich hinter dieser Ankündigung jedoch ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen: Von den derzeit rund 540 Arbeitsplätzen sollen rund 300 in den Jahren 2025 und 2026 wegfallen.

Die Mitarbeitenden wurden darüber in einer internen Versammlung am Dienstagnachmittag informiert. Tränen, Fassungslosigkeit und Verzweiflung, aber auch massive Enttäuschung und Unverständnis über diesen Schritt der Geschäftsführung seien die Reaktionen gewesen, schildert Florian Grandy, stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats.

Eine Pilotlinie für Prototypen

Momentan gibt es in Heidenheim 21 Fertigungslinien, auf denen elektronische Bauelemente (Induktivitäten) für die Automobilindustrie hergestellt werden. 13 dieser Linien sollen schrittweise an die TDK-Standorte Szombathely in Ungarn sowie Hongqi in China verlagert werden. Drei Produktionslinien sollen ganz auslaufen. In Heidenheim bleiben werden nach Wunsch des Unternehmens vier Produktionslinien und eine Pilotlinie, auf der Prototypen gefertigt werden sollen.

Als Gründe für die harte Maßnahme nennt TDK in einer Pressemitteilung die schwache Konjunktur, steigende Fertigungskosten und einen extrem verstärkten internationalen Wettbewerb aus Asien. „Wir bedauern sehr, diesen Schritt gehen zu müssen, aber es gibt dazu für uns leider keine Alternative“, so der Standortleiter Thomas Dörken. Der Standort Heidenheim soll zu einem Kompetenzzentrum für Produkt- und Prozesstechnologie umstrukturiert werden. Dörken spricht von „schmerzhaften Maßnahmen“: „Die bereits angespannte Wettbewerbssituation hat sich vor allem im vergangenen Jahr weiter massiv verschärft“, erläutert er. Es seien keine signifikanten Veränderungen der Rahmenbedingungen zu erwarten.

Betriebsrat nicht einbezogen

„Wir wussten schon seit einem Jahr, dass es Probleme mit Aufträgen und massiven Preisdruck gibt“, sagt Marion Beylschmidt, Vorsitzende des Betriebsrats. Allerdings sei nie mit dem Betriebsrat über mögliche Maßnahmen gesprochen worden, sondern er wurde genauso wie die Mitarbeitenden vor vollendete Tatsachen gestellt. „Es wären auch alternative Lösungen möglich gewesen“, sagt IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Philipp Boyer. Beispielsweise hätte man über Ergänzungstarifverträge verhandeln können, um die schwierige Situation zu überbrücken. „Den Betriebsrat nicht in solche Überlegungen einzubeziehen, ist ein klarer Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz“, so Hans-Jörg Napravnik von der IG Metall.

Details des massiven Stellenabbaus müssen noch ausgearbeitet und mit den Arbeitnehmervertretern verhandelt werden, so das Unternehmen. Es seien jedoch nicht so viele betriebsbedingte Kündigungen zu erwarten wie Stellen abgebaut werden, da ein Teil des Abbaus durch bereits getroffene Vereinbarungen wie Altersteilzeit oder den Renteneintritt von Mitarbeitenden erfolgen solle. Nach Einschätzung des Betriebsrats treffe dies auf rund ein Drittel der betroffenen Beschäftigten zu, sodass von ungefähr 200 Kündigungen ausgegangen werden müsse.

Angst um die Existenz

Die Mitglieder des Betriebsrats werden in den nächsten Tagen zunächst Gespräche mit den Mitarbeitern führen. „Sie haben alle Angst um ihre Existenz“, sagt Marion Beylschmidt. „Gerade für die jungen Beschäftigten, die gerade dabei sind, sich hier eine Zukunft aufzubauen, ist das ein Schlag ins Gesicht“, so Philipp Boyer. Der Verlust von 300 Arbeitsplätzen sei für die ganze Region schwierig. Tobias Bucher, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Heidenheim, sieht auch den Staat in der Pflicht, um Rahmenbedingungen für die Standortsicherung zu schaffen. Er kündigt an, die gewerkschaftliche Schlagkraft zu stärken: „Wir werden das nicht dulden“, so Bucher.

Für den Betriebsrat von TDK geht es jetzt zunächst darum, sich auf die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber vorzubereiten. „Wir werden dabei eng mit der IG Metall zusammenarbeiten“, so Marion Beylschmidt. Die Arbeitnehmervertreter wollen dazu einen Rechtsbeistand und möglicherweise auch einen Finanzsachverständigen mit ins Boot holen. „Wir müssen erstmal die Zahlen auf den Tisch bekommen, um zu sehen, wo Ansatzpunkte sein könnten, um den Standort Heidenheim wieder konkurrenzfähig zu machen“, erläutert Gewerkschaftssekretär Hans-Jörg Napravnik.

Eine wechselhafte Unternehmensgeschichte

Das Unternehmen in den Seewiesen gibt es in Heidenheim bereits seit 1947 und war zunächst ein Siemens-Werk für Rundfundgeräte und Bauelemente. Im Lauf seiner Geschichte wechselte nicht nur der Firmenname mehrmals, es gab auch immer wieder Entlassungswellen und Schwankungen bei den Mitarbeiterzahlen. Unter dem Namen Epcos wurden 2002 und 2006 massiv Arbeitsplätze abgebaut worden. Seit 2009 befindet sich das Unternehmen unter dem Dach des Elektronikkonzerns TDK mit Sitz in Tokio. 2017 feierte man das 70-jährige Standortbestehen mit damals 430 Mitarbeitern. Heute sind 600 Menschen am TDK-Standort Heidenheim beschäftigt, die sich auf 540 Vollzeitstellen umrechnen lassen.

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