Schädling

Schilf-Glasflügelzikade: Wie groß ist das Problem im Landkreis Heidenheim und was kann gegen das Insekt unternommen werden?

Mit dem Fortschreiten des Klimawandels breitet sich die Schilf-Glasflügelzikade in Deutschland immer weiter aus. Es gibt Mittel gegen den Schädling, aber diese haben auch unterschiedliche Nachteile.

Ein unscheinbares Insekt sorgt in Deutschland für immer mehr Schlagzeilen: die Schilf-Glasflügelzikade. Denn sie kann bakterielle Krankheitserreger an Nutzpflanzen übertragen, sodass diese weniger Ertrag liefern oder gar nicht mehr zu Verzehr und Verarbeitung geeignet sind. Baden-Württemberg gilt als einer der Hotspots für die Zikade, und auch im Landkreis Heidenheim tritt sie inzwischen auf.

Das berichtet Hubert Kucher, der Kreisvorsitzende des Bauernverbandes Ostalb-Heidenheim. Allerdings sei die Situation hier noch nicht so schlimm wie anderorts, was an mehreren Faktoren liege. Zum einen daran, dass am ehesten große Bestände von Kartoffeln und Zuckerrüben gefährdet sind, und es die in der Region nur vereinzelt gibt. Das Problem sei aber, dass die Zikade immer wieder neue Pflanzen erschließe: „Zum Beispiel Mais, Gemüse und Obst; der Kreis der geschädigten Pflanzen wird immer größer“, warnt Kucher.

Ein weiterer Faktor, der der Region im Moment noch gegen die Zikade hilft, ist das örtliche Klima. „Bei uns auf der Ostalb ist es immer einen Kittel kälter“, sagt Kucher. Aber auch das ändere sich aktuell durch den Klimawandel. Wenn die Vegetationsphasen länger werden, könnten auch mehr Schädlinge hier überleben. „Alle Bauern werden in Zukunft darauf reagieren müssen“, so Kucher.

Chemie wohl nur begrenzt hilfreich

Doch eine einfache Lösung für das Problem gibt es nicht. Das liegt an der Art, wie die Schilf-Glasflügelzikade Pflanzen befällt: Nachdem die Zikaden zwischen Mai und August in Pflanzenbestände einfliegen, ernähren sie sich von Pflanzensaft und legen ihre Eier in den Boden nahe der Wirtspflanzen. Dort saugen dann die Nachkommen, auch Nymphen genannt, über den Winter Pflanzensaft aus den Wurzeln.

Die Gefahr der Übertragung der bakteriellen Krankheiten ist dadurch über einen langen Zeitraum gegeben, gleichzeitig findet die Infektion damit sehr schnell statt. Daraus folgt: „Die Infektion mit den bakteriellen Erregern mittels chemischer Kontrolle der Zikade zu erreichen, erscheint daher unwahrscheinlich“, so die Einschätzung des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat auf dessen Website.

Um Landwirte beim Schutz ihrer Pflanzen zu helfen, hat die Bundesregierung trotzdem Sonderzulassungen für Pflanzenschutzmittel ermöglicht. Wie das Landratsamt Heidenheim als zuständige Stelle im Landkreis auf Nachfrage mitteilt, gab es auch hier schon Fälle, in denen die speziell dafür zugelassen Spritzmittel freigegeben wurden. Möglich sei das immer erst nach einer amtlichen Feststellung der Zikade durch die untere Naturschutzbehörde.

Leere Felder als Lösung?

Es gibt jedoch noch eine andere Methode, die den Zikaden das Leben schwer machen könnte: Der Einsatz von Schwarzbrachen, also Ackerflächen, die im Herbst und Winter vorübergehend vegetationslos gelassen werden. Das ist in der Landwirtschaft unter normalen Umständen selten, denn ohne Bepflanzung bestehen Gefahren wie Erosion und Nährstoffverlust. Im Biolandbau, in dem keine Pflanzenschutzmittel verwendet werden dürfen, kommt noch hinzu, dass dann Unkraut ungehindert wachsen kann.

Deshalb sehen die Regeln der EU-Agrarförderung auch vor, dass der größte Teil der Flächen eines Betriebs zu jeder Zeit bedeckt sein muss. Doch gegen die Schilf-Glasflügelzikade hat die Schwarzbrache den Effekt, dass die Nymphen im Winter keine Nahrung finden und ihre Anzahl deutlich verringert werden kann. Deshalb hat die Bundesregierung inzwischen durch eine Ausnahmeverordnung mehr Spielraum für Landwirte geschaffen.

Für Hubert Kucher ist die Schwarzbrache trotzdem keine Option: „Ich glaube nicht, dass wir uns das leisten können“, sagt Kucher und verweist darauf, dass durch den fehlenden Anbau von Wintergetreide Einnahmen verloren gehen. Auch gebe es viel Vieh in der Region, für das man das Futter brauche. Deshalb kämpfe der Bauernverband für „zuverlässige Pflanzenschutzmittel und langfristige Zulassungen“ für diese.

Untersuchungen zeigen erste Erfolge

Ob das alleine reichen wird, daran haben manche Zweifel; so zum Beispiel auch Bioland-Fachberater Christian Landzettel. „Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Landwirte Mittel wollen, die man einfach aufs Feld spritzen kann“, sagt Landzettel, er erwartet davon aber wegen der Mobilität der Zikade und der ökologischen Breite, auf die sie sich eingestellt hat, nur stellenweise Erfolge. Und ob jeder Landwirt einen Stoff ausbringen wolle, der so giftig ist, dass er die Insekten schon bei kurzem Kontakt tötet oder den Boden bis in Wurzeltiefe vergiftet, sei fraglich.

Im Gegensatz dazu gebe es bei der Schwarzbrache bereits Ergebnisse von Untersuchungen aus Modellregionen, die zeigen, dass durch das fehlende Nahrungsangebot im Winter bis zu 80 Prozent der Nymphen verhungern. Auch Landzettel weiß um die Nachteile dieser Methode, „aber bevor ich mir die ganze Ernte vernichten lasse, beiße ich lieber in diesen sauren Apfel“. Aktuell sei in den Teilen von Deutschlands, die noch nicht so schwer befallen sind, noch Zeit, das „Lernen durch Schmerzen“ zu vermeiden.

„Wir werden, nach dem, was wir heute wissen, uns auf eine Anpassung der Fruchtfolge in weiten Teilen Deutschlands einstellen müssen“, so lautet Landzettels Fazit. Das Thema betreffe alle Landwirte, ganz egal, ob diese konventionelle oder biologische Landwirtschaft betreiben würden. Man sei in einer Phase, „in der wir im Schulterschluss einen Weg finden müssen“.

Forschung in alle Richtungen

Da die Schilf-Glasflügelzikade ein relativ neues Problem für die Landwirtschaft ist, sind die Optionen zu ihrer Bekämpfung noch nicht abschließend erforscht. Neben Fruchtfolge, pflanzenstärkenden Mitteln und Insektiziden wird zum Beispiel auch in der Pflanzenzucht nach resistenten Sorten gesucht. Bioland-Fachberater Christian Landzettel, dessen Fachgebiet Kartoffeln sind, erklärt, dass es hierbei noch keine wertigen Ergebnisse zu widerstandsfähigen Sorten gebe, dass aber zum Beispiel Frühkartoffeln gar nicht von Ernteausfällen durch Zikaden betroffen seien.