Klinikluft, weiße Kittel und diese langen, tristen Flure. Eine Mischung aus Zuversicht und Zerbrechlichkeit macht sich breit. Hier im Krankenhaus geschehen Wunder, keine Frage. Hier kann aber auch alles enden. Ganz plötzlich. Oder ganz langsam. Je nachdem.
Und inmitten all dieser Gedanken stehen plötzlich diese beiden auf dem Flur: Liesel und Lotti. Sie wirken wie lebendige Farbkleckse im Klinikgrau. Karierte Hose beziehungsweise Röckchen, Hut, rote Nase, Köfferchen. Ihre geschminkten Münder formen sich zu einem Lächeln. Ihr Blick ist durchdringend, als ob sie im Schnelldurchlauf das Gegenüber in seiner Gesamtheit erfassen wollen. Alle Sensoren sind auf Empfang. „Ich bin Lotti“, sagt ein Clown und streckt die Hand zum Gruß entgegen. „Und ich die Liesel“, sagt der andere Clown (oder müsste man eigentlich Clownin sagen?). Leichtigkeit legt sich über die Flure der Palliativstation. Wir lachen. Wir lachen dort, wo Menschen ihre letzten Wege gehen.
Katrin Jantz und Hanna Münch sind hauptberuflich Clowns
Liesel und Lotti, das sind Katrin Jantz und Hanna Münch. Sie sind Klinikclowns. Hauptberuflich. Die beiden kommen aus Ulm, ihr Einsatzgebiet ist groß: Wachkomastation in Bopfingen, Hospiz in Illertissen, Demenzpatienten in Munderkingen. Kein Tag ist wie der andere. Mit roter Nase und neuem Namen ist es ein wenig so, als ob sie die Welten wechseln. Sie schlüpfen in Rollen – und sind doch echt.
Alle zwei Wochen sind sie am Heidenheimer Klinikum im Einsatz, der Förderverein Palliativmedizin macht das möglich. Die Clowns besuchen die Patienten der Palliativstation und der Onkologie. Sie besuchen Menschen am Sterbebett, Menschen, die aussichtslose Kämpfe kämpfen oder am Chemo-Tropf hängen. „Zapfanlagenzimmer“, nennt Liesel das. Hier auf Ebene 3 kann man die Schwere einatmen. Die Clowns wollen das wenigstens zeitweise ändern.
Aus einem persönlichen Herzenswunsch wurde Wirklichkeit
Und das alles ist eigentlich mit Katrin Jantz entstanden. Sie war es, die vor acht Jahren ins kalte Wasser gesprungen ist und den Verein „Gute Clowns“ gründete, sich damit selbstständig machte. Ausschlaggebend war ein ganz persönlicher Aha-Moment. Katrin Jantz erinnert sich: „Ich war im Krankenhaus und wartete auf das MRT-Ergebnis meines Sohnes. Ich saß traurig auf dem Flur, als ein Clown zu mir kam, aus einem Taschentuch eine Rose formte und sie mir in die Hand steckte. In diesem Moment wusste ich: Das will ich auch.“ Sie wollte zur richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige tun. Und während sie spricht, zwirbelt sie gekonnt aus einem Taschentuch eine Rose. Es funktioniert: Die Blume zaubert ein Lächeln ins Gesicht.

Was zehn Jahre lang als Herzenswunsch mitschwebte, wurde Wirklichkeit: Katrin Jantz machte eine zweijährige Clown-Ausbildung an einer offiziellen Clown-Schule. Hier werden Basics vermittelt, Tricks und Kniffe. Auch die psychologische Ebene wird bearbeitet. Rote Nase auf, die Show beginnt? So einfach ist es nicht. Man muss den Clown mit Leben füllen.
Als dann aus der Bekanntschaft mit Hanna Münch per Zufall ein Clown-Gespann wurde, war klar: jetzt oder nie. So wurden Liesel und Lotti geboren. Und weitere sollten sich dazu gesellen: Heute gehören neun Clowns zum Verein. Mittlerweile sind sie in 30 Einrichtungen zu Gast. Tendenz steigend. „Wir wachsen stetig“, sagt Katrin Jantz. Finanziert wird das großteils über Spendengelder.
Es wird gelacht und geweint: Was geschieht in den Krankenzimmern?
Liesel und Lotti, also Katrin Jantz (53) und Hanna Münch (46), könnten nicht unterschiedlicher sein. Sowohl charakterlich als auch vom beruflichen Hintergrund. Hanna Münch ist ruhig und analysierend, kommt vom Theater, Katrin Jantz, Spaßvogel und Mutter, war Gastronomin, Floristin und leitete Kinderkunstprojekte. Das Potpourri tut heute gut: „Wir profitieren unheimlich von unserem Werdegang“, sind sie sich einig.
Als Clown braucht man Fingerspitzengefühl, sagen die beiden. Mehr noch: Menschenkenntnis, emotionale Intelligenz, Schlagfertigkeit. Denn die Clowns wissen nie, wer oder was sie hinter den Zimmertüren erwartet. Auf der Türschwelle ist Mut gefragt, der Schritt ins Zimmer erfordert tiefes Selbstvertrauen. Hanna Münch sagt: „Manchmal dauert es, aber es entsteht immer was.“ Katrin Jantz weiß: „Wir kriegen sie alle.“ Die Clowns kommen unangemeldet, zu groß wäre die Gefahr, dass der Patient einen Besuch verneint. Das leuchtet ein.
Wir klopfen mit unseren roten Nasen an den Herzen der Patienten an und die öffnen sich in kurzer Zeit.
Katrin Jantz, Klinikclown
Und was ist es, das dort in den Zimmern entsteht? „Wir nehmen auf, was von den Menschen kommt, und können Dinge mit unserer Rolle auf eine andere Ebene heben, Leichtigkeit geben“, sagt Katrin Jantz. Sie machen keine Auftritte, keine Bespaßung, keine platten Witze. Sie machen sich über niemanden lustig. Sie sind Begegnungsclowns. Ansprüche werden beiseitegestellt, es geht um die Interaktion mit dem Gegenüber. Katrin Jantz will es so zusammenfassen: „Wir klopfen mit unseren roten Nasen an den Herzen der Patienten an und die öffnen sich in kurzer Zeit.“ Vor einem Clown muss man sich nicht schämen, er ist nicht vollkommen, nicht perfekt. Ganz im Gegenteil. Das tut gut.
Der Clown ist ein einfacher Gesprächspartner
Da wird auf dem Sterbebett gelacht, es wird geweint oder am Chemo-Tropf ein Liedchen gesungen. Die Ukulele ist immer dabei und das Repertoire der Clowns ist laut eigenen Angaben riesig und reicht vom alten russischen Volkslied bis zu Guns N’ Roses. Es wird mit Luzifer telefoniert und erörtert, inwiefern Kartoffelklöße gegen Liebeskummer helfen. „Es kann wirklich alles passieren“, sagt Katrin Jantz.
Mitleid brauchen die Leute hier nicht.
Katrin Jantz
Den Clowns werden Dinge erzählt, die die Kranken und Sterbenden noch nie jemandem anvertraut haben. Und ganz oft fällt der altbekannte Satz „Hätte ich doch …“. In den Zimmern wird übers Leben philosophiert, über Grabreden debattiert, der Tod diskutiert. Was kommt wohl danach? Der Clown ist ein einfacher Gesprächspartner. Er löst Dinge auf. Im besten Fall nimmt er den Patienten ein Päckchen ab und trägt es aus der Zimmertür. „Mitleid brauchen die Leute hier nicht“, weiß Katrin Jantz.
Die Clowns ziehen viele Erkenntnisse aus ihrer Arbeit
Vor allem die alten Menschen haben es den beiden angetan. „Da steckt einfach ein ganzes Leben drin“, erklärt Hanna Münch. Katrin Jantz ergänzt: „Die Alten sind so echt, so ungefiltert.“ Manche Patienten begleiten die Clowns über Jahre. Sie werden sogar zu Beerdigungen bestellt.
Wenn sie abends aus ihren Rollen schlüpfen, sind sie platt. Der Fokus erfordert Kraft. Dennoch könnten sie sich keinen schöneren Beruf vorstellen. Die beiden nehmen viel mit aus den Begegnungen. Kein Aufschieben, keine Ausreden: Die Clowns ziehen Erkenntnisse aus den Besuchen. Das bereichert: „Wir sehen so viel, wir wissen, dass das Leben schnell zu Ende sein kann“, sagt Hanna Münch. Beide sind sich einig: Im Hospiz haben sie das meiste über das Leben gelernt. Das tragen die Clowns raus in die Welt.
Studie zeigt: Clowns tun gut
Die Arbeit der Klinikclowns (Experten sprechen von Clown-Interventionen) hat durchaus nachweisbare Effekte. Ein Forschungsprojekt der Technischen Hochschule Deggendorf zeigte: „Clown-Interventionen bringen neue Impulse, lenken von Sorgen, Ängsten und Schmerzen ab, erzeugen Freude und Spaß, verbessern die Laune und das Selbstwertgefühl. Sie stärken die vorhandenen Kompetenzen und führen in Einzelfällen auch dazu, verloren gegangene Fähigkeiten wiederzuerlangen.“
Katrin Jantz ergänzt: „Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Patienten bei regelmäßigem Clown-Besuch weniger Schmerzmittel, weniger Schlafmittel und weniger Antidepressiva brauchen.“ Und die beiden sehen es auch selbst: „Hier passieren wirklich Wunder. Demente, die jahrelang nicht gesprochen haben, sprechen wieder, lachen, erinnern sich“, erzählt Katrin Jantz. Die Macht eines Clowns sollte man nicht unterschätzen.
So kann man Kranken ein Lächeln schenken
Wer die Klinikclowns unterstützen möchte, kann direkt an den „Förderkreis Gute Clowns“ spenden. Infos und Kontakt unter gute.clowns.de
Weiter gibt es die Möglichkeit, den Heidenheimer Förderverein Palliativmedizin zu unterstützen. Infos und Kontakt unter palliativmedizin.heidenheim.com
Übrigens: „Die Freunde-schaffen-Freude“-Gründer Inge Grein-Feil und Siggi Feil waren auch viele Jahre ehrenamtlich als Klinik-Clowns unterwegs. Auch jetzt im Ruhestand ist Inge Grein-Feil gelegentlich auf Anfrage im Einsatz.