Baugebiet auf dem Klinikgelände

Recycling-Beton: Wie auf dem Heidenheimer Schlossberg aus alten Häusern neue werden

Rund ums Heidenheimer Klinikum entsteht das neue Wohngebiet Schlosspark. Die Essinger Wohnbau verwendet dort zum ersten Mal Recycling-Beton, der aus dem Abrissmaterial der alten Bebauung gewonnen wird.

Auf dem Heidenheimer Schlossberg entsteht derzeit ein neues Wohnquartier rund um das Klinikum. Bauherr ist die Essinger Wohnbau, die das Gelände vom Klinikum gekauft hat. Für die neuen Wohngebäude im Schlosspark, wie die Wohnungsbaugesellschaft ihr Projekt nennt, werden die alten Gebäude nach und nach abgerissen. In gewisser Weise bleiben sie aber auf dem Schlossberg erhalten: Beton, Ziegel und Kalkstein aus dem Abbruch der Häuser werden bei der Herstellung des Betons für die neuen Gebäude verwendet.

Zusammenarbeit mit Schwenk

R-Beton steht als Abkürzung für Recycling-Beton und wird von der Essinger Wohnbau zum ersten Mal bei einem Projekt verwendet. Auf dem Schlossberg bietet sich das auch deshalb an, weil sich der Zementhersteller Schwenk in unmittelbarer Nähe befindet und es eine enge Zusammenarbeit gibt. Werner Rothenbacher, Fachbereichsleiter für Anwendungstechnik bei Schwenk, erläutert das Verfahren: „Die Betonherstellung läuft ab wie gewohnt, es wird auch dieselbe Menge an Zement verwendet“, sagt er. Statt Sand und Kies, die eigens dafür abgebaut werden, wird das Abbruchmaterial untergemischt. Es kann am R-Beton einen Anteil von 25 bis 30 Prozent haben.

Sorgfältige Trennung notwendig

Damit dies möglich ist, ist zunächst etwas mehr Aufwand beim Abriss der alten Gebäude notwendig. Die Trennung aller anfallenden Materialien ist dabei ohnehin gesetzlich vorgeschrieben. Das heißt, dass die aus den frühen 1970er-Jahren stammenden Gebäude, in denen Wohnungen für das Personal des Klinikums untergebracht waren, zunächst gründlich entkernt wurden.

Beim Bauen gibt es gerade eine Trendwende.

Architekt Lars Fischer, Essinger Wohnbau

Das Material, das dann beim Abbruch des Mauerwerks anfällt, wird auch getrennt, denn für die Herstellung des R-Betons gibt es bestimmte Anforderungen: „70 Prozent des Materials sollten reiner Beton sein, der Rest darf aus Mauerziegeln bestehen“, so Werner Rothenbacher. Die Körnung darf zwischen vier und 16 Millimetern liegen.

Gemeinsames Ziel Nachhaltigkeit: Lars Fischer (li.) und Horst Enßlin (re.) von der Essinger Wohnbau arbeiten eng mit Werner Rothenbacher von der Firma Schwenk zusammen, damit das Abrissmaterial der alten Gebäude zu R-Beton verarbeitet werden kann. Natascha Schröm

„Beim Bauen gibt es gerade eine Trendwende“, sagt Lars Fischer, Geschäftsführer der Essinger Wohnbau und Architekt. Nachhaltigkeit rückt in den Fokus, auch wenn sie nicht gleich einen finanziellen Vorteil bedeutet: Der R-Beton ist nicht günstiger als die herkömmliche Variante, sondern sogar etwas teurer. „Wir sind aber bereit, neue Wege zu gehen“, so Fischer. Dafür gibt es auch noch andere Varianten in der Bauweise. So wurde beispielsweise beim bereits in Betrieb genommenen Dialyse-Gebäude auf dem Klinikgelände eine Holzhybrid-Bauweise verwendet, die mit deutlich weniger Betonteilen auskommt.

Das Projekt Schlosspark eigne sich auch deshalb so gut für die Verwendung von R-Beton, weil die alten Gebäude schrittweise abgerissen werden und die neuen Häuser nach und nach gebaut werden. Es gibt genug Platz für das Abbruchmaterial und die Nähe zu Schwenk sorgt für kurze Transportwege zum Betonwerk, wo der Recycling-Beton angemischt wird, und wieder zurück. Auch für den Straßenbau innerhalb des Wohngebiets werde Recycling-Material verwendet, so Fischer.

Beispiel MHP-Arena in Stuttgart

Für Werner Rothenbacher ist R-Beton die Zukunft: „Es ist einfach zu schade, hochwertiges Material nur zum Auffüllen zu verwenden“, sagt er. Seit rund zwei Jahren nehme die Nachfrage langsam an Fahrt auf, so der Fachmann. Als prominentes Beispiel für den Einsatz von R-Beton nennt er den Umbau der MHP-Arena in Stuttgart. Dort wurde die alte Tribüne abgebrochen. Aus rund 9000 Tonnen Abbruchmaterial entstanden 5236 Tonnen Splitt, der als Ersatz für Primärrohstoffe dem Baumaterial für die neue Tribüne beigemischt wurde.

Für Architekt Lars Fischer ist R-Beton nicht das einzige Mittel, um die Gebäude rund ums Klinikum nachhaltiger zu machen. Bei der Beheizung der Häuser habe man sich für Wärmepumpen entschieden, die mit eigenem Strom vom Dach betrieben werden. „Dadurch sinken auch die Nebenkosten“, so Fischer. Wärmedämmung, Fußbodenheizung und eine kontrollierte Lüftung der Wohnungen tragen zu einem niedrigen Energieverbrauch bei. Dadurch wird der Standard Effizienzhaus 40 QNG erreicht. Dies bedeutet, dass die Gebäude nur 40 Prozent der Energie verbrauchen, die nach gesetzlichem Mindeststandard für Neubauten vorgeschrieben ist. Darüber hinaus erreichen die Gebäude das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG), wofür 17 Kriterien erfüllt werden müssen, die Themen wie Recycling und Ressourcenschonung, aber auch Komfort und Qualität betreffen.

So weit sind die Bauarbeiten auf dem Klinikgelände

Auf dem Schlossberg beginnt die Essinger Wohnbau demnächst mit dem zweiten Bauabschnitt: Für die nächsten drei Gebäude im Schlosspark soll je nach Witterung im Februar oder März 2026 Baubeginn sein. Die 49 Wohnungen sind bereits in den Verkauf gegangen. Sie haben zwischen zwei und vier Zimmern, im Erdgeschoss teilweise einen Gartenanteil. Das erste Wohngebäude, in dem auch ein fünfgruppiger Kindergarten entsteht, baut die Essinger Wohnbau für die Stadt Heidenheim. Es soll im November im Rohbau fertig sein, die komplette Fertigstellung ist für Dezember 2026 geplant. Die vier weiteren Häuser des ersten Bauabschnitts sollen Mitte bis Ende 2027 fertig werden. Von den 95 Wohnungen, die dort entstehen, seien bereits 95 Prozent verkauft, so Horst Enßlin, Geschäftsführer der Essinger Wohnbau.

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