Wird Sabine Rahns Mörder nach 42 Jahren doch noch geschnappt? Die Reaktionen auf die am 5. März im ZDF ausgestrahlte Fahndungssendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ machen jedenfalls Hoffnung. Immerhin 25 Hinweise gingen bislang im Studio und beim Ulmer Polizeipräsidium ein. Was aufhorchen lässt: Es wurden auch konkrete Namen genannt.
Exakt 15 Minuten dauerte der Film, den die „XY“-Sonderausgabe Cold Cases dem Mordfall Sabine Rahn widmete. 15 Minuten, in denen die vielen offenen Fragen zur Sprache kamen, die bis heute mit dem gewaltsamen Tod der damals 18-Jährigen verbunden sind. Aber auch 15 Minuten, die der Öffentlichkeit bisher nicht bekannte Details lieferten.
Täter hat blaue Augen und eine helle Hautfarbe
Die Ermittler haben kein Phantombild des Täters. Aber sie verfügen über eine weitaus genauere, weil unverwechselbare Beschreibung seiner Person – seinen genetischen Fingerabdruck. Und dank der sogenannten DNA-Phänotypisierung steht seit wenigen Jahren fest: Der Gesuchte hat blaue Augen, eine helle Hautfarbe und – zumindest zum Zeitpunkt der Tat im März 1983 – blonde Haare.
Die Aussagekraft dieser Angaben ist laut Manuel Köhler, dem Sachbearbeiter des Falls, sehr hoch. Bei der Augenfarbe liege die Wahrscheinlichkeit zwischen 90 und 95 Prozent, bei der Hautfarbe sogar bei 98 Prozent, sagte er im Gespräch mit „XY“-Moderator Rudi Cerne. Dieses Maß an Gewissheit könnte ein Trumpf für die Ermittlungsbehörden sein.
Verdacht kann zweifelsfrei überprüft werden
Vorstellbar ist nämlich folgendes Szenario: Jemand trägt schon lange die Vermutung in sich, eine ihm bekannte Person sei der Täter. Geäußert hat er den Verdacht aber nie, weil er befürchtete, einen Unschuldigen zu denunzieren. Die wissenschaftlich fundierte Kenntnis der genannten körperlichen Merkmale könnte jetzt zu einem Umdenken führen.
Das Ziel der ein Millionenpublikum erreichenden Fernsehfahndung war es Köhler zufolge, in der Öffentlichkeit ein Zeichen zu setzen, dass es sich zwar um einen als Cold Case eingestuften, also ausermittelten Fall handelt, dieser gleichwohl nicht vergessen ist. Der 43 Jahre alte Kriminalhauptkommissar hatte keine konkrete Erwartung, was die Resonanz angeht: „Ich wusste nicht, was auf mich zukommt und bin jetzt froh über jeden Einzelnen, der sich gemeldet hat.“ Bis Freitagmorgen waren 25 Anrufe eingegangen – ein Fünftel davon im Studio, die restlichen im Ulmer Polizeipräsidium.
Hinweise auf konkrete Personen
Nach einer ersten Bewertung befindet Köhler: „Wir haben wirklich gute Hinweise erhalten, darunter auch personenscharfe.“ Heißt: Es wurde zumindest ein Name genannt. Möglicherweise waren es auch mehrere. Aber das bleibt aus ermittlungstaktischen Gründen bis auf Weiteres offen. Sicher ist hingegen, dass die Polizei nun zunächst überprüft, ob die jeweiligen Männer bereits in Erscheinung getreten sind. Anschließend wird sie an verschiedenen Türen klingeln und um eine DNA-Vergleichsprobe bitten. „Wir setzen zunächst immer darauf, dass das freiwillig geschieht“, sagt Köhler. Sollte es nicht gelingen, könne nach einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls über die Staatsanwaltschaft beim zuständigen Gericht ein Beschluss erwirkt werden – sofern sehr konkrete Hinweise vorliegen, dass die Person als Täter in Betracht kommt.
Rund 400 Männer haben im Zusammenhang mit dem Mordfall Sabine Rahn bislang schon Speichelproben abgegeben. „Die Bereitschaft dazu war groß“, so Köhler. Den von manchen geäußerten Bedenken hinsichtlich des Umgangs mit der DNA tritt er entgegen: „Es handelt sich um einen Direktabgleich. Ist also der Abgleich beim Landeskriminalamt mit den Spuren des mutmaßlichen Täters negativ, dann wird die Probe vernichtet, und es erfolgt keine Speicherung.“ Er wolle keine Hexenjagd eröffnen auf blonde und blauäugige Männer, fügt Köhler an, „aber der eine oder andere Unschuldige wird schon Besuch von uns bekommen“.
Leiche war vollständig bekleidet
Sabine Rahn hatte am Freitag, 11. März 1983, gegen 20.20 Uhr die elterliche Wohnung in Schnaitheim verlassen. Sie wollte sich mit einer Freundin in der Diskothek Coupé an der Heidenheimer Wilhelmstraße treffen, kam dort jedoch nicht an. Drei Tage später, am Montag, 14. März, fanden Kinder ihre vollständig bekleidete Leiche in einer Fichtenschonung am östlichen Ortsrand von Nattheim in Richtung Fleinheim.

Sabine Rahn wurde vergewaltigt und mit ihrem eigenen Halstuch erdrosselt. Abwehrspuren gibt es nicht, und der Fundort des Leichnams ist nicht der Tatort. Es könnte sein, dass die junge Frau mit einem Pkw in das Waldstück gebracht wurde. Zu dieser Annahme passt die bisher nicht publizierte Aussage einer in der Nähe wohnenden Frau, in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1983 gegen 0.15 Uhr Schreie und wenig später den aufheulenden Motor eines sich entfernenden Fahrzeugs gehört zu haben. „Ich glaube, dass diese Wahrnehmung im Zusammenhang mit der Tat stehen könnte“, sagt Köhler.

Ebenfalls erst im Rahmen der „XY“-Sendung rückte ein Gegenstand ins breite Licht der Öffentlichkeit, der die vergangenen 42 Jahre in der Asservatenkammer verbrachte: eine rote Tierfigur aus Plastik an einer zerrissenen gelben Schnur. Sie stellt eine Maus dar, möglicherweise auch einen kleinen Elefanten, und lag seinerzeit etwa 150 Meter vom Auffindeort Sabine Rahns entfernt. Köhler sieht darin einen Gegenstand, „der typischerweise am Rückspiegel eines Fahrzeugs gehangen haben könnte“.
Ulmer Polizei bittet um Hinweise
Hinweise zum Mord an Sabine Rahn nimmt auch weiterhin das Polizeipräsidium Ulm entgegen. Es ist erreichbar unter Tel. 0731/188-0. Für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat führen, ist eine Belohnung von 6000 Euro ausgesetzt.