Neues Buch

Nach Jahrzehnten wiederentdeckt: ein Elser-Roman und sein wahrer Kern

Der Roman „Der Georg Elser Park“ von Christine Mela verknüpft historische Ereignisse mit einem fiktiven Mordfall und beleuchtet die Kontroversen um Georg Elser.

Pfarrer Karger ging es um die Sache: Anfang der 1970er-Jahre unterschrieb er einen Aufruf der DKP, in Schnaitheim einen Park im Gedenken an Georg Elser einzurichten. Elsers erklärtes Bemühen, noch größeres Blutvergießen zu verhindern, erschien es Karger als wert, seine Unterschrift unter den Aufruf zu setzen. Das sollte für Wirbel sorgen, bis hin zu offenen Anfeindungen.

Dieser Konflikt bildet einen der Erzählstränge des Romans „Der Georg Elser Park“ von Christine Mela, der im Verlag Molino erschienen ist. Für Spannung sorgt zudem ein fiktiver Mordfall an einem jungen Mann, der sich im Schnaitheimer Steinbruch zuträgt, zum Erstaunen von Pfarrer Karger aber für weniger Aufsehen sorgt als die Unterschriftenliste der örtlichen Kommunisten. Und weil sich einige Honoratioren schon auf den Gottesmann eingeschossen haben, wird er auch noch in Verbindung mit dem Mord gebracht.

Wie eine Unterschrift für Wirbel sorgte

Christine Mela ist ein Pseudonym, hinter dem ein Mann steht, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen möchte. „Bei diesem Buch ist der Text wichtig und die Auseinandersetzung mit dem Thema“, sagt er im Gespräch mit der HZ. Hinzu kommt, dass ein Teil des Buchs auf eigenem Erleben beruht.

Die reale Umbenennung des Schnaitheimer Pfarrgartens in „Georg-Elser-Anlage“ erfolgte 1971 maßgeblich auf Betreiben der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Wenige Jahre nach diesem Meilenstein lebte der damals junge Autor in Heidenheim und unterschrieb 1975 wie Hunderte andere einen Aufruf, die DKP in den Heidenheimer Gemeinderat zu wählen. Der Aufruf zeigte Wirkung: Seit 50 Jahren ist die Partei im Kommunalparlament vertreten.

Die als Anzeige in der Heidenheimer Zeitung erschienene Unterschriftenliste wurde offenbar aufmerksam gelesen, und dass sich auch Personen mit einer öffentlichen Funktion beteiligt hatten, stieß einigen auf. „Mancher wollte mich in die Wüste schicken“, erinnert sich der Autor, der drei Jahre in Schnaitheim lebte und arbeitete. Es war die Zeit des sogenannten „Radikalenerlasses“, der von der sozial-liberalen Regierung unter Bundeskanzler Willy Brandt beschlossen worden war. Vor allem Mitglieder und Sympathisanten linksextremer Parteien sahen sich zumindest einer Stigmatisierung ausgesetzt.

Vom „Rufmord“ an Elser

Der junge Mann schrieb sich die Erlebnisse damals buchstäblich von der Seele. „Ich habe schon immer geschrieben“, sagt er in der Rückschau. Allerdings notierte er nicht etwa tagebuchartig seine Erinnerungen, sondern fasste sein Erleben in eine Romanhandlung.

Von Georg Elser sei er fasziniert gewesen, seit er die 1964 von Historiker Lothar Gruchmann entdeckten Verhörprotokolle gelesen hatte. Was er vor Ort erlebte, als er 1972 nach Heidenheim kam, habe ihn beeindruckt. „Elser war ein rotes Tuch“, sagt er. Man habe vielfach „Rufmord“ an ihm begangen. Nicht einmal 30 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs habe es noch viele Altnazis gegeben. An einer Stelle im Roman sagt der fiktive Rektor Frank: „Man kann sagen: Der Elser wurde zwei Mal umgebracht.“

Morgen, Sonntag, 9. November, jährt sich Elsers Anschlag auf den Münchner Bürgerbräukeller, bei dem er Adolf Hitler töten wollte, zum 87. Mal. Elsers Weitsicht und sein Mut, allein sein Leben für seine Überzeugung aufs Spiel zu setzen, hätten damals noch nicht die breite Anerkennung gefunden wie heute. „Da spielte auch viel schlechtes Gewissen mit hinein“, glaubt der Autor. Dass hochrangige Militärs wie Stauffenberg im nahenden Untergang den Widerstand wagten, mag nachvollziehbar erschienen sein. Dass ein Handwerker aus der Mitte des Volkes noch vor Kriegsbeginn die heraufziehende Katastrophe erkannte, mag viele, die nicht hatten hinsehen wollen, beschämt haben.

Manuskript nach Jahrzehnten wiederentdeckt

Der angehende Schriftsteller traf damals in Schnaitheim aber auch Menschen, die Elser gekannt hatten und voller Respekt von ihm sprachen. Auch das findet sich im Buch wieder. Das Manuskript für „Der Georg Elser Park“ ging jedoch in mehreren Umzügen verschollen. Zwischenzeitlich entstand mit „Die letzte Braut“ ein zweiter Roman, der 2013 veröffentlicht wurde.

Vor wenigen Jahren dann entdeckte der Autor im Ruhestand das längst verloren geglaubte Manuskript aus den Siebzigern wieder. „Es hat mich umgehauen, wie aktuell das nach 50 Jahren noch ist“, sagt er. Kurz nach Kriegsende geboren, habe er in seiner Familie viel vom Schrecken des Nazi-Regimes gehört. „Jetzt kommt die Kloake wieder hoch, gegen die wir uns damals gewandt haben“, sagt er bedauernd. Er sehe aber auch, dass wieder über Berufsverbote diskutiert werde, heute mit Blick auf Rechtsextremisten. Das betrachte er aus der Erfahrung heraus skeptisch: „Man muss mit der AfD reden, auch wenn es vielleicht keinen Sinn hat.“

Die Arbeit an seinem zweiten Buch hat er erklärtermaßen genossen. Er gab seinem Manuskript Feinschliff, fügte aber nur wenig hinzu. Lachend räumt er ein, dass der Besuch eines HZ-Reporters mit „schmierigem Grinsen“ im Pfarrhaus seiner Fantasie entsprang.

Das Buch im Handel

„Der Georg Elser Park“ von Christine Mela ist als Taschenbuch im Verlag Molino, Sindelfingen, erschienen. ISBN 978-3-948696-99-3.