Bauernprotest

Warum sich Landwirte im Landkreis Heidenheim an der Protestwoche der Bauern beteiligen

Auch Landwirte im Landkreis Heidenheim wollen sich ab 8. Januar an einer bundesweiten Protestwoche der Bauern beteiligen. Hubert Kucher, Vorsitzender des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim, erklärt, warum.

"Ohne Bauern kein Bier", "Ohne Landwirte keine regionalen Lebensmittel" – mit Slogans wie diesen wollen Landwirte derzeit in ganz Deutschland auf ihre Situation aufmerksam machen. Auch in Sontheim/Brenz sind die Schriftzüge vor Läden und Gaststätten zu sehen. „Die Solidarität in der Bevölkerung ist groß“, sagt Hubert Kucher, der Vorsitzende des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim. „Wir bekommen viel Zuspruch, insbesondere aus dem Handwerk.“ Und der Protest ist nicht vorbei. Ab kommenden Montag, 8. Januar, hat der Bauernverband zu einer Woche des Protests aufgerufen. Auch im Kreis Heidenheim wird es Aktionen geben.

Gegen geplante Einsparungen im Agrarsektor

Die Bäuerinnen und Bauern wehren sich damit gegen die geplanten Einsparungen der Bundesregierung im Agrarsektor: So soll die teilweise Rückerstattung der Energiesteuer beim Agrardiesel beendet werden. Bisher erhalten Land- und Forstbetriebe 21,46 Cent Steuerrückerstattung pro Liter verbrauchtem Agrardiesel. Und auch die Befreiung landwirtschaftlicher Maschinen von der Kfz-Steuer soll gestrichen werden.

Auch in Hürben wurde in dieser Woche ein Ortsschild auf den Kopf gestellt. Der Stiefel ist ebenfalls Zeichen des Protests. Ob in solchen Fällen der Straftatbestand der Sachbeschädigung in Betracht kommt, hängt laut der Polizei davon ab, ob bei der Manipulation von Verkehrs- und Ortsschildern ein Schaden entstanden sei. Edgar Deibert

Für einen durchschnittlichen Betrieb würden so pro Jahr zwischen 10.000 und 12.000 Euro fehlen, sagt Kucher. „Das ist viel Geld und ein Riesenproblem.“ Zumal man seit Jahren mit erhöhten Auflagen und Verordnungen zu kämpfen habe. „Die Landwirte werden mehr und mehr in ihrer Entscheidungsfreiheit beschränkt. Und das ist jetzt nicht der Tropfen, sondern der Liter, der das Fass zum Überlaufen bringt.“ Der Zuschuss zur Sozialversicherung sei bereits gekürzt worden, ebenso die Betriebsprämien der EU.

"Wir sind dem Einzelhandel ausgeliefert"

Dass sich die geplante Streichung der Agrarsubventionen stark auf die Preise für Verbraucher auswirken würden, glaubt Kucher nicht. Und zwar aus einem Grund: „Wenn mir 1.000 Euro im Monat fehlen und deshalb mein Milchpreis um ein paar Cent steigen muss, dann sagen Aldi, Lidl und Co: Das interessiert uns nicht.“ Man sei dem Einzelhandel zu weiten Teilen ausgeliefert. „Und wenn man deren Bedingungen nicht akzeptiert, weichen die auf den Weltmarkt aus.“ Als Beispiel nennt er Rindfleisch aus Brasilien.

Hubert Kucher ist Vorsitzender des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim. Bauernverband

Nun müssen, aufgrund der aktuellen Finanzlage im Bundeshaushalt, auch andere gesellschaftliche Gruppen Kürzungen hinnehmen. Warum sollte man nicht auch die immensen Agrarzuschüsse in den Blick nehmen? „EU-weit haben wir in Deutschland die günstigsten Lebensmittelpreise und das ist politisch so gewollt. Die Landwirtschaft wird subventioniert, um die Preise für Verbraucher so gering wie möglich zu halten“, sagt Hubert Kucher. Und diese Subventionen könne der Staat nicht von jetzt auf gleich streichen. „Wie sollen wir so arbeiten? Der Staat darf nicht nur fordern, er muss auch verlässlich sein.“

Sind die Lebensmittelpreise zu niedrig?

Aber wäre es dann nicht der richtige Ansatz, über faire Lebensmittelpreise zu diskutieren? „Das können wir machen“, antwortet Kucher. „Aber wenn wir Landwirte wirklich nur von den Preisen leben müssten, dann verdoppeln oder verdreifachen sich die. Dann ist für die Mittelschicht der Urlaub passé und die vielen Geringverdiener können sich das Essen nicht mehr leisten.“ Die Landwirte seien angewiesen auf staatliche Ausgleichszahlungen. „Der Staat hat das so gewollt, also muss er sich jetzt auch daran halten.“

Schilder unterstützen in Sontheim/Brenz den Bauernprotest. Rudi Penk

Dass im Bund ein Haushaltsloch klaffe, sei nicht die Schuld der Landwirte. „Wenn ich in meinem Betrieb einen gesetzeswidrigen Haushalt aufstellen würde, wäre der ganz schnell weg vom Fenster“, so Kucher. „Hier wurde etwas entschieden, ohne an die Konsequenzen für Familienbetriebe zu denken.“ Insbesondere Junglandwirte fragen sich laut Kucher, ob sie den Beruf überhaupt noch ausüben sollen.

Kucher betont, dass man als Landwirt mit den genannten Vergünstigungen nicht reich werde. „Selbst mit der Steuerrückerstattung zahlen die deutschen Landwirte für den Diesel mehr als in anderen Ländern der EU.“ Zudem würden die Steuern auf Kraftfahrzeuge und Diesel auch erhoben, um die Infrastruktur, etwa Straßen und Brücken, zu bauen und instand zu halten. „Wir Landwirte fahren zwar auch auf der Straße, aber zu 80 Prozent auf Feldern. Wir nehmen diese Infrastruktur also kaum in Anspruch.“

Kucher distanziert sich von Sachbeschädigungen

Der Protest der Bauern wird aber nicht nur unterstützt. Kritik gab es etwa an Galgen mit aufgehängten Ampel-Schildern, Verunglimpfungen und Verkehrsbehinderungen. „Zu einer Demonstration gehören auch Behinderungen, aber wir distanzieren uns ganz klar von jeder Sachbeschädigung und Beleidigung“, so Kucher. „Wir kämpfen hart, aber wir kämpfen fair. Wir machen nichts kaputt und beleidigen auch niemanden. Das ist mir sehr wichtig.“

Demos und Kundgebungen

Der Bauernverband hat ab 8. Januar zu einer Woche des Protests aufgerufen, an der sich die Landwirte im Ostalbkreis und im Kreis Heidenheim beteiligen wollen. Unter anderem geplant ist eine Kundgebung am Donnerstag an den Seewiesen in Heidenheim. Außerdem kommt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am 10. Januar zum Kalten Markt nach Ellwangen. Auch hier planen Landwirte im Vorfeld eine Demonstration gegen die aktuelle Landwirtschaftspolitik.

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