Museumsveranstaltung

Kunst im öffentlichen Heidenheimer Raum: Wie steht es um die Zukunft des Rathaus-Piercings?

Über Kunst im öffentlichen Raum und ihre Chancen, alt zu werden, wurde im Kunstmuseum Heidenheim gesprochen. So manche befürchteten dabei, dass die Tage des Rathaus-Piercings gezählt sind.

Der Spruch, wonach das Leben kurz, die Kunst lang sei, mag gelten, aber auch nicht. Franklin Pühn hätte dieses Jahr nach einem sehr langen Leben seinen 100. Geburtstag feiern können. Aus diesem Anlass würdigt das Kunstmuseum Heidenheim derzeit den Heidenheimer Bildhauer mit einer separaten Ausstellung. Bei den Vorarbeiten dazu war Museumsleiter Marco Hompes, der zugleich Geschäftsbereichsleiter Historische Museen und Archiv ist, aufgefallen, dass einige Werke von Pühn, die er für den öffentlichen Raum geschaffen hatte, nicht mehr vorhanden sind.

Dazu gehören die Brunnen vor dem Rathaus und dem Klinikum auf dem Schlossberg. Bei weiteren Recherchen zur grundsätzlichen Frage „Was bleibt, was geht“ in der Kunst im öffentlichen Raum half noch Anja Marrack mit, die Leiterin Bildung und Vermittlung Museen der Stadt Heidenheim.

Kommt das Piercing am Heidenheimer Rathaus zurück?

Bis in die Antike blickten beide Experten nun in einem Vortag vor kleinem Publikum im Museum zur Klärung dieser Frage zurück, doch es gibt auch aktuell Werke in Heidenheim, deren Fortbestand unklar ist. Zum Abbau der Brunnen hatte der im Alter von 95 Jahren verstorbene Franklin Pühn selbst noch seine Zustimmung gegeben. Anstehende Bauarbeiten an Rathaus und Klinikum schienen dieses zu gebieten.

Besorgt war man in der Zuhörerschaft, dass aktuell im Zuge der Rathaus-Sanierung weitere Kunst im öffentlichen Raum verloren gehen könnte: Dazu gehören das Rathaus-Piercing der Gruppe „Inges Idee“, der „Fahrradständer“ an der Grabenstraße von Ina Weber und eine „Form“ im Geiste der Anthroposophie am Eingang des Rathauses. Diese Plastik hat eine Privatperson der Stadt gestiftet. Die beiden erstgenannten Werke sind im Zuge der Bildhauer-Symposien entstanden.

Natürlicher Verfall von Kunst im öffentlichen Raum

Erst vor wenigen Wochen war bei der Auffahrt zum Schloss das Werk „Lärche in Linde“– ebenfalls in einem der Bildhauer-Symposien entstanden – demontiert worden. Dies aber, weil das hölzerne Kunstwerk von Carl Boutard altersbedingt brüchig geworden war. Der Künstler selbst, den man um sein Einverständnis gefragt hatte, war erstaunt gewesen, wie lange das Werk gehalten hatte.

Das Werk „Lärche in Linde“, entstanden bei einem der Bildhauer-Symposien, in der Nähe Schloss Hellensteins.
Das Werk „Lärche in Linde“, entstanden bei einem der Bildhauer-Symposien, in der Nähe Schloss Hellensteins. Foto: HZ-Archiv

Dem natürlichen Verfall ist alle Kunst im öffentlichen Raum ausgesetzt. Doch es gibt auch andere Motive, Kunst wieder aus der Sichtbarkeit zu nehmen. Politische Wechsel waren schon in der Antike ein Motiv. Wie Anja Marrack darlegte, verwendeten die Römer sogar nicht selten Einsatzköpfe. Die Nachbildung des Kopfes des neuen Potentaten wurde einfach in Standard-Rümpfe eingesetzt. „Das bringt eine Kostenersparnis“, meinte Marrack. Politische Umwälzungen führen auch heute noch zum Sturz von Kunstwerken im öffentlichen Raum. Nicht zuletzt kam es nach dem Fall der Mauer in Ostdeutschland dazu.

Rommel-Denkmal in Heidenheim umstritten

In Heidenheim war das Rommel-Denkmal lange Zankapfel und Beschmierungen ausgesetzt gewesen aufgrund unterschiedlicher Bewertung der Bezüge zum Nationalsozialismus. Ein, wenn man so will, Gegendenkmal des Künstler Rainer Jooß hat die Lage befriedet und sichert dem von Franklin Pühn geschaffenen Denkmal ein Überleben.

Geschützt vor dem Verfall werden in der Regel Denkmale für Gefallene in den Kriegen, einen schwierigen Stand hat nach Einschätzung von Marco Hompes Kunst in den Schulen, da diese häufig aus- und umgebaut werden.

Cortenstahl als beliebtes Material

Eine konsequente Förderung erfuhr die Kunst im öffentlichen Raum in der Zeit nach dem Zweitem Weltkrieg als Kunst am Bau. Damals wurde auch der Cortenstahl als Material beliebt, weil er beständig ist und der Kunst ein langes Leben erlaubt. Auch die Größe eines Kunstwerks ist ein Faktor, der es vor dem Verschwinden schützen kann. Denn Diebstahl aufgrund des Materialwerts wird dadurch faktisch ausgeschlossen. Brunnenkunst hat es generell schwer. Deren Reinigung – siehe Römerbrunnen in Heidenheim – erfordert (zu) viel Aufwand, die Pumpen brauchen Strom und sie bergen ein Unfallrisiko.

Und es gilt aus Sicht von Hompes und Marrack noch ein Moment, das die Kunst im Öffentlichen stützt: Mehr Chancen, zu bleiben hat Kunst, die gefällt. Wobei der öffentliche Beifall natürlich auch Stimmungen ausgesetzt sei.