Situation der Brauereien

Krise beim Bier – auch im Landkreis Heidenheim?

Bundesweit klagen regionale Brauereien über sinkenden Absatz und veränderte Trinkgewohnheiten. Wie begegnen Brauhäuser im Landkreis Heidenheim diesen Entwicklungen? Ein Lagebericht aus Dunstelkingen, Nattheim, Oggenhausen und Giengen:

Abends zum Feierabend, mit Freunden beim Grillen oder klassisch im Biergarten: Wo früher ganz klar ein Bier getrunken wurde, gibt es heute Dutzende Alternativen von Spritz bis Inger-Minz-Limo, die nicht selten gegenüber dem Bier bevorzugt werden. Es ist ein Trend, der seit Jahren anhält und weiter fortschreitet. Mit Folgen für die Brauwirtschaft im Land.

Lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Bier bundesweit 2017 noch bei 98 Litern pro Jahr, sank er laut Deutschem Brauer-Bund bis 2024 schrittweise auf 88 Liter. Allein zwischen 2023 und 2024 schlossen 52 der rund 1500 Brauereien in Deutschland für immer. Im Landkreis Heidenheim traf es die Söhnstetter Brauerei, wenn auch hier andere Gründe mit ausschlaggebend waren.

Einen gegenläufigen Trend gibt’s beim alkoholfreien Bier: Hier steigt der Konsum seit Jahren, allerdings auf niedrigem Niveau. Waren 2017 noch etwa 7,5 Prozent des getrunkenen Biers alkoholfrei, beläuft sich dieser Anteil inzwischen auf gut 10 Prozent.

Die Jüngeren trinken weniger Bier

Doch woran liegt’s? Die Gründe sind vielfältig. Zum einen gilt die Generation Z als gesundheitsbewusster und entsprechend weniger trinkfreudig. Und bei vielen derzeitigen Gesundheits- und Ernährungstrends wird selbst der maßvolle Umgang mit Alkohol kritisch gesehen. Zum anderen gab es in den vergangenen Jahren ein geradezu explosionsartig gewachsenes Angebot an Mix-Getränken mit und ohne Alkohol, die dem Bier als Durstlöscher den Rang streitig machen.

Treffen diese Entwicklungen auch im Landkreis Heidenheim zu? Wird auch hier inzwischen weniger Bier gebraut und getrunken? Vor welchen Herausforderungen stehen die vier verbliebenen Brauereien im Kreis?

Produktionsmengen bleiben stabil

Gleich vorweg: Die genauen Mengen an Bier, die gebraut werden, verrät keine der hiesigen Brauereien. Aber sowohl bei Schlumberger in Nattheim als auch bei Schlüssel in Giengen sind die Produktionsmengen bisher nicht gesunken, heißt es von dort auf HZ-Anfrage. Maximilian Schlumberger von der Privatbrauerei Nattheim ordnet dies für seinen Betrieb so ein: „Angesichts der württembergischen oder gesamtdeutschen Entwicklung ist das sicher nicht so verkehrt.“

Maximilian Schlumberger ist Brauer in Nattheim. Foto: Rudi Penk

Keine Aussage zu Veränderungen bei der Produktionsmenge macht Königsbräu in Oggenhausen. Geschäftsführerin Christiane Majer-Allgeier sagt dazu auf HZ-Anfrage: „Veränderungen und Wandel, Anpassung an neue Trends gehörten schon immer zu unserem Handwerk.“ Eine Ausnahme bildet die Härtsfeld-Brauerei in Dunstelkingen. Dort sei die Menge des gebrauten Biers in den vergangenen Jahren sogar gestiegen, so Eigentümer Christoph Hald.

Insgesamt, und das attestieren alle vier Brauereien, wird im Sommer mehr Bier getrunken als im Winter. Dies liege nicht nur am Wetter, sondern auch an privaten wie öffentlichen Festen und der Biergartensaison. Überhaupt: Saisonale Angebote und Spezial-Biere prägen das Sortiment aller regionalen Brauer.

Sondersorten: nette Ergänzung, aber keine Umsatzbringer

Ob Maibock, Festbier im Advent, Glühbier für Weihnachtsmärkte oder spezielle Craft-Biere für das ganze Jahr – ohne Sondersorten geht es bei den meisten nicht. Sie sind quasi ein Muss, um das Angebot rund um Helles, Weizen und Pils zu ergänzen. Wobei Maximilian Schlumberger von der Nattheimer Brauerei die Euphorie um diese Sorten durchaus bremst: „Craft-Bier ist weder Volumen- noch Umsatzträger“, sagt er. Unter Craft-Bier versteht man handgebraute Biersorten mit speziellen Zutaten und Verfahren. Craft-Bier wird zudem meist nur in geringer Menge produziert. Dass Schlumberger von der Craft-Bewegung insgesamt wenig hält, wird deutlich, wenn er sagt: „Craft-Bier hat sich mittlerweile als das Kasperltheater offenbart, das es auch ist.“ Wichtig findet er indes die saisonalen Sorten, obwohl er auch hier einschränkt: „Saisonale Biere sollten mehr forciert werden, aber auch konsequent begrenzt. Wenn ich von März bis Juni meinen Maibock verkaufe, schaut das komisch aus.“ Zudem: „Riesige Umsätze“ lassen sich seiner Erfahrung nach auch mit ihnen nicht generieren. Diese Sorten seien „eher Ausdruck unserer Leidenschaft zum Bier“, so der Brauer.

Nicht mehr jeden Trend mitmachen will man auch bei Hald. Dort hat man das Sortiment inzwischen sogar reduziert. „Wir haben uns besser konzentriert, was uns zum aktuellen Erfolg verholfen hat“, so Christoph Hald. Und er nennt ein weiteres Problem: „Es macht für uns kleine Regionalbrauer keinen Sinn, jeden Trend aufzugreifen, denn hier fehlt letztendlich dann jedem der Werbeetat.“  

Keine Brauerei ohne eine „ordentliche Halbe“

In Oggenhausen hingegen hat es vor einigen Jahren eine Sondersorte, die ursprünglich als zeitlich begrenzt gedacht war, fest ins Sortiment geschafft. Wie Christiane Majer-Allgeier berichtet, sei das „Zwickel“ eigentlich nur anlässlich des 175-jährigen Bestehens der Firma gebraut worden. Hernach sei die Nachfrage aber so hoch gewesen, dass es blieb. Den Craft-Bier-Trend habe man 2017 mit der Sorte „Hopsoul“ bereichert, so Majer-Allgaier. „Dennoch ist unser Spezial unser traditioneller Klassiker“, sagt die Diplom-Braumeisterin.

Andreas Allgeier und Christine Majer-Allgeier von Königsbräu in Oggenhausen. Foto: Natascha Schröm

Und dies ist nicht nur in Oggenhausen so. Unterm Strich sind in allen vier Betrieben die klassischen Sorten weiterhin die Hauptstandbeine. Oder wie Schlumberger aus Nattheim es formuliert: „Keine Brauerei funktioniert ohne eine ordentliche Halbe.“

Neben der „ordentlichen Halben“ haben mehrere der Brauereien ein eigenes Sortiment an alkoholfreien Mischgetränken von Spezi bis Sprudel. Gerade in Giengen bei Schlüssel wird hierauf großen Wert gelegt, wie Inhaber Helmut Bosch berichtet. Bei der Nachfrage nach seinem Mineralwasser aus eigener Quelle habe es zuletzt einen starken Zuwachs gegeben. Dieses Wasser sei Grundlage für alle Produkte der Brauerei, auch seines mehrfach ausgezeichneten Biers, wie er sagt. Insgesamt beobachte er allerdings auch innerhalb der alkoholfreien Getränkesparte Verschiebungen. So gehe der Trend weg von Zuckerhaltigem wie Spezi und Limo hin zu Schorle und Mineralwasser, so Bosch. Ein komplett alkoholfreies, eigenes Bier braut Schlüssel wegen des ohnehin umfangreichen nicht-alkoholischen Sortiments nicht.

Helmut Bosch, Geschäftsführer der Schlüsselbrauerei Giengen, sagt: „Bier ist Geselligkeit“. Er erwartet, dass auch Zeiten kommen, in denen wieder mehr Bier getrunken wird. Natascha Schröm

Auf dem Härtsfeld ist man da anderer Meinung. Weil man sehe, dass der Absatz mit nicht-alkoholischen Getränken steigt, wolle man an diesem Sortimentszweig auch weiterarbeiten, so Christoph Hald. Bei ihm gibt es deswegen trotz des Limo-Sortiments ein eigenes alkoholfreies Bier.

Christoph Hald von der Härtsfelder Brauerei in Dunstelkingen. Brauerei Hald

Ramsch-Preise und Nachfolger-Mangel machen es Brauereien schwer

Und obwohl Hald mit seinem Ausstoß zwar insgesamt zufrieden ist, blickt er grundsätzlich sorgenvoll auf die Zukunft seiner Branche. „Viele Kollegen werden es schwer haben“, sagt er. Energiekosten, Personalknappheit, ein verändertes Verbraucherverhalten und die oft fehlende Nachfolge in den Betrieben seien große Herausforderungen.

Maximilian Schlumberger sieht zudem ein Preis- und Imageproblem beim Bier in Deutschland. Bier werde im Handel oft zu Schleuderpreisen verramscht, statt es regional und mit entsprechender Wertigkeit zu verkaufen, sagt er. „Wenn ich es darauf anlege, kaufe ich Bier in der Aktion, das 500 Kilometer Fahrstrecke hinter sich hat und dann acht Euro die 20er-Kiste kostet. Das ist pervers.“

Auch Helmut Bosch von Schlüssel in Giengen kritisiert die „Ramsch-Preise“, die der Handel teilweise aufrufe. Aber er will nicht grundsätzlich schwarzmalen. „Bier macht Spaß“, sagt er. Und: „Jede Generation hat eben ihre Vorlieben. Alles kann sich auch wieder ändern.“

Christine Majer-Allgaier möchte vor allem die Chancen betonen. „Kein Getränk hat so viele Facetten wie Bier“, sagt sie. „Die Kombination aus hochwertigen regionalen Zutaten und unserer Handwerkskunst und Leidenschaft ist die Basis, warum es uns schon so lange gibt und weiter geben wird.“

Bier als Kulturgut

Das handwerkliche Brauen von Bier in Deutschland wurde von der Unesco 2020 in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Neben dem reinen Verkauf von Bier und Getränken haben die Brauereien im Landkreis auch andere Geschäftsfelder rund ums Bier. So haben die meisten eine Brauereigaststätte, einen Bier-Shop mit besonderen Produkten rund ums Bier oder bieten Braukurse an.

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