Juristisches Duell

Kriminalfall um Dreifachmord am Starnberger See fesselt Publikum im Heidenheimer Konzerthaus

Anhand eines realen Mordfalles gaben Dr. Alexander Stevens und Constantin Schreiber am Mittwochabend im Heidenheimer Konzerthaus eindrucksvolle Einblicke in den Ablauf eines Strafverfahrens. Wie Heidenheimer Amateurjuristen von den ersten Ermittlungen bis zur Urteilsfindung unter fachkundiger Anleitung versuchten, die Schuldfrage in einem Dreifachmord zu klären:

Es sollte für die Besucher am Mittwochabend im vollbesetzten Heidenheimer Konzerthaus kein Abend zum Zurücklehnen werden, so wie es das zu Beginn von den beiden Juristen am Klavier vorgetragenen „Medley“ aus Melodien von Beethoven und Morricone vermuten ließ. Einen Kriminalfall galt es zu beleuchten – und dabei würde es nicht nur um eine Handvoll Dollar gehen, wie eingangs im Klavierstück angeklungen.

Aufgerollt wurde ein Dreifachmord, der sich am 10. Januar 2020 in der idyllischen Umgebung des Starnberger Sees in erschreckender Grausamkeit ereignete. Die Tat, die sich den Ermittlern zunächst recht schlüssig als erweiterter Suizid des 21-jährigen Sohnes darstellte, sollte im Laufe der Zeit erschreckende Geheimnisse enthüllen. Mit überwiegend authentischen Bildern informierten Constantin Schreiber und Dr. Alexander Stevens ihr Publikum zunächst über die Einzelheiten des dreifachen Mordes. 

Bekannt aus Fernsehen und Podcasts

Im Gegensatz zu Stevens, der unter anderem aus Gerichtsshows wie „Im Namen der Gerechtigkeit“ (SAT.1) oder dem Podcast „Bayern1 True Crime“ als Strafrechtler bekannt ist, ist Schreiber für die Meisten das Gesicht eines ganz anderen Fernsehformates, nämlich der Tagesschau. Dass er aber ebenfalls ein abgeschlossenes Jurastudium aufweisen kann und eine Vorliebe fürs Strafrecht hat, das offenbart sich erst, sobald man die Gelegenheit hat, die leidenschaftlichen und scharfsinnigen Diskussionen mit seinem Kollegen Stevens zu verfolgen.

Doch trotz aller Professionalität ist die Sichtung von Tatortfotos auch für erfahrene Juristen und Strafverteidiger oftmals eine beklemmende Notwendigkeit, wie Stevens bei der Begutachtung der Aufnahmen des Starnberger Tatortes aus dem unscheinbar und friedlich erscheinenden Einfamilienhaus der Familie P. einräumte. Nichts für schwache Nerven. Neben zum Teil verpixelten Originalaufnahmen des Tatorts und von Tagesschaukollegin Susanne Daubner vertonten Videoeinspielern, nahmen die beiden Juristen gemeinsam mit ihrem gleichermaßen interessierten wie auch schockiertem Publikum die unterschiedlichsten Ermittlungsergebnisse via Großleinwand in Augenschein. Auszüge aus Originaldokumenten der ballistischen Untersuchungen, Bewegungsprofile, Passagen aus Obduktionsergebnissen sowie Sprachnachrichten des vermeintlichen Täters aus der Tatnacht gaben einen schauderhaft detaillierten Einblick in die grausame Tat.

Publikum schlüpfte in Rolle der Geschworenen

Die Interpretation der Indizien erwies sich darüber als ausgesprochen strittig. Sie führte auch die damals für den Fall zuständigen Ermittler und Juristen über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren zu insgesamt drei Verdächtigen, deren Täterschaft und Strafmaß es festzustellen und zu ermessen galt. Im Heidenheimer Konzerthaus schlüpften dazu die beiden Gastgeber des Abends in die Rollen des Anklägers (Constantin Schreiber) und die des Verteidigers (Dr. Alexander Stevens) und bedienten sich zur Klärung der jeweiligen Schuldfrage des Publikums, angelehnt ans amerikanische Modell, als einer großen Anzahl an Geschworenen.

Die geheime Stimmabgabe erfolgte rund alle 20 Minuten über ein mittels eingeblendetem QR-Code erreichbaren Abstimmungstools. Grundlage für die Entscheidungsfindung „schuldig oder nicht schuldig“ waren die zum Teil hitzigen Wortgefechte der beiden Protagonisten, bei denen sich Stevens in seiner Verteidigerrolle als emotionaler Zweifler und der Ankläger Schreiber als sachlicher Faktenchecker präsentierte und hinter denen jeweils Justitia mahnend thronte.

Dabei gaben sie spannende Einblicke in die Aussagepsychologie und nutzten gekonnt und mit humorvollen Seitenhieben gespickt auch die kleinsten Nebensätze des 358 Paragrafen umfassenden Strafgesetzbuches, um abwechselnd die zunächst schlüssig erscheinende Argumentation des Gegners zu entkräften. So fiel die Abstimmung den rund 500 „Heidenheimer Geschworenen“ sichtlich schwer und hielt sich fast die justiziable Waage. Am Ende deckte sich das Ergebnis jedoch nicht in allen Punkten mit dem in diesem diffizilen Fall real gesprochenen Urteil.

Auch wenn die Frage gestellt werden muss, wie es moralisch einzuordnen ist, aus einem unfassbar grausamen Dreifachmord, einem Familiendrama mit niedrigsten Beweggründen und beispielloser Brutalität und Gleichgültigkeit ein Bühnenevent zu kreieren, so bewies doch der ausgiebige Beifall, dass Constantin Schreiber und Dr. Alexander Stevens mit ihrem ungewöhnlichen und einzigartigen Format die Heidenheimer Krimifans begeistern konnten.

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