Einen wirklich großen Aufwand muss die evangelische Landeskirche in Württemberg alle sechs Jahren treiben, wenn eine Kirchenwahl ansteht. Denn dann dürfen alle Gemeindemitglieder ab 14 Jahren zum einen Kandidaten in die Landessynode, also das „Parlament“ der Kirche, und zum anderen Kandidaten in die örtlichen Kirchengemeinderäte wählen.
Am Sonntag findet wieder eine solche Kirchenwahl statt, auch im Landkreis Heidenheim sind evangelische Gemeindemitglieder zum Gang ins Wahllokal oder zur Briefwahl aufgerufen. Während für die Wahl zur Landessynode mehr Kandidaten aus dem Wahlbezirk Ostalb-Heidenheim bereitstehen, als Plätze vergeben werden, stehen in vielen Gemeinden nur so viele Menschen zur Wahl, wie der Gemeinderat auch Mitglieder hat.
Zusagen fallen oft nicht leicht
„In der Fläche war die Suche nach Kandidaten schon sehr mühsam“, sagt Dekan Gerd Häußler auf HZ-Nachfrage, „auch wenn es einzelne Gemeinden gab, die sehr schnell fündig wurden.“ Andere hätten dagegen beantragt, die Kandidatenzahl heruntersetzen zu dürfen. Im Allgemeinen merke man, „dass es immer weniger Leute gibt, die für so eine lange Zeit zusagen können oder wollen.“
Dabei handelt es sich beim Kirchengemeinderat um ein Amt mit echten Gestaltungsmöglichkeiten, erklärt Häußler. Der Kirchengemeinderat und der Pfarrer leiten gemeinsam die Gemeinde und entscheiden über die Schwerpunkte der gemeindlichen Arbeit, den Haushaltsplan sowie über Personalfragen.
Wird dieses Ehrenamt in Zeiten von schrumpfen Gemeinden und strukturellen Veränderungen noch wichtiger werden? Häußler bejaht das. „Die Kirche lebt vom Ehrenamt“, sagt der Dekan, und weist darauf hin, dass es auch außerhalb der Kirche immer schwieriger mit, Menschen dafür zu begeistern. Bei Aufgaben, die „einen begrenzten Umfang und ein klares Ziel“ haben, wie der Heidenheimer Vesperkirche, sei das noch einfacher. Bei größeren Aufgaben, wie der Mitarbeit im Kirchengemeinderat, gestalte sich alles deutlich schwieriger.
Junge Menschen reagieren unterschiedlich
Beim Blick auf die einzelnen Gemeinden im Landkreis Heidenheim zeigen sich ganz unterschiedliche Bilder: „In Herbrechtingen war es nicht besonders schwierig, Leute zu finden“, berichtet Pfarrer Michael Rau. Neun Plätze seien zu besetzten gewesen, fünf aktuelle Mitglieder des Kirchengemeinderats hätten sich wieder aufstellen lassen und vier neue habe man finden können.
Die größten Erfolgschancen habe man bei Gemeindemitgliedern, die bereits im Ruhestand seien. Berufstätige Menschen würden zeitlich schnell an ihre Grenzen kommen, während junge Leute ohne kirchliches Engagement, „sich fragen, wozu die Kirche überhaupt da ist“. Wenn man Kontinuität in der Jugendarbeit habe, wie das zum Beispiel in Bolheim der Fall ist, sei es dagegen deutlich einfacher, junge Menschen für den Kirchengemeinderat zu motivieren.
Wer sich aber letztendlich für das Amt entscheidet, bereut das in Herbrechtingen selten, berichtet Rau. „Im Gemeinderat gibt es so ein gutes Miteinander, dass es einfach Spaß macht“. Alle Mitglieder, die den Rat bald verlassen werden, würden das nur aufgrund von externen Gründen, wie dem eigenen Alter oder einer veränderten Familiensituation tun.
Gesellschaftliches Engagement befindet sich im Wandel
Aus der Gesamtkirchengemeinde Lone-Brenz, die unter anderem Niederstotzingen, Sontheim, Brenz, Bergenweiler und Hermaringen enthält, berichtet Pfarrer Steffen Hägele, dass die Verfügbarkeit von Kandidaten nicht einheitlich ist, sondern von vielen Faktoren abhängt. Die Entscheidung sei bei jedem einzelnen sowohl eine persönliche als auch eine geistliche. Und sie wird von gesellschaftlichen Trends beeinflusst.
„Früher waren die Leute überzeugt, dass Gesellschaft Beteiligung braucht“, sagt Hägele. Nun gebe es einen Kulturwandel, man sehe sich zwar noch als Teil einer Gemeinschaft, involviere sich aber seltener aktiv darin. Das sei ein Thema, das nicht nur Kirchen und Vereine, sondern sogar die Demokratie als solche betreffe. Auch die funktioniere nur, „wenn jeder seinen kleinen Teil dazu beiträgt“, so Hägele.
In der Kirchengemeinde Niederstotzingen konnten trotz jenes Trends die sieben Plätze auf der Kandidatenliste ohne größere Probleme besetzt werden. Auch in der Kirchengemeinde Sontheim-Brenz-Bergenweiler stellen sich wie vorgesehen 13 Kandidaten zur Wahl. In Hermaringen war es dagegen nicht möglich, die sieben benötigten Kandidaten zu stellen, weshalb man nach Stellung eines Antrags die Zahl auf vier reduziert habe. „In kleineren Orten ist die Mühe manchmal größer, weil dort viele schon andere Ehrenämter ausüben“, erklärt Hägele.
Nun, nachdem ein großer Teil der Arbeit gemacht ist, freut sich Hägele auf die Wahl am Sonntag. Obwohl auf vielen Wahlzetteln nur so viele Kandidaten wie Ratsplätze stehen, hofft er auf eine hohe Wahlbeteiligung. „Denn in einer Bestätigungswahl ist der Rückenwind besonders wichtig“. Jede abgegebene Stimme sei für die Kandidaten ein Zeichen, dass sie innerlich getragen und unterstützt werden.
Zahlen und Fakten zur Kirchenwahl
Bei der Kirchenwahl in der evangelischen Landeskirche Württemberg dürfen am Sonntag, 30. November rund 1,5 Millionen Wahlberechtigte ab dem Alter von 14 Jahren in 15 Wahlbezirken die Mitglieder der Landessynode wählen. Bei diesen handelt es sich um 60 Laiinnen und Laien und 30 Theologinnen und Theologen. Gleichzeitig werden in 983 Gemeinden über 7000 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte gewählt. Abgestimmt werden kann in Wahllokalen oder via Briefwahl.
Wer sich über die parteiähnlichen Gesprächskreise in der Landessynode informieren möchte, kann das unter kirchenwahl.de tun. Die eigenen Positionen mit denen der Synodalkandidaten vergleichen kann man unter churchomat.de