Hinter den Kulissen selbst ausprobiert: Die heiße Phase vor der Premiere
Der Teufel steckt im Detail – ein Umstand, um den man im Naturtheater Heidenheim nur allzu gut Bescheid weiß. Wenige Tage vor Beginn der Spielzeit wird hinter den Kulissen noch einmal auf Hochtouren gebohrt, gesägt, gewerkelt und geschraubt. Viele große, kleine und sehr kleine Bestandteile der beiden Stücke erhalten dieser Tage noch den letzten Schliff. Wie viel Arbeit darin steckt, das offenbart sich dem Publikum oftmals selbst während der Aufführung nicht. Vielleicht bekommt man jedoch ein besseres Verständnis dafür, wenn man selbst einmal mit anpackt? Einen Versuch ist es wert!
Samstag, Punkt 10 Uhr: Auf dem Schlossberg herrscht an diesem Vormittag Hochbetrieb. Jedes Paar Hände kann gebraucht werden, selbst das eines Außenstehenden. Kurzerhand wird der Verfasser dieser Zeilen also zum Bühnenbauer auf Zeit verpflichtet. Arbeitshandschuhe an, Akkuschrauber in die Hand, und los geht‘s.

Getrödel wird nicht geduldet: „Auf geht’s, wir warten“, ruft Corinna Schob, Mitglied des Bühnenbau-Kernteams, und lacht. Unter der Fittiche eines der beiden Bühnenbau-Ressortleiter, Uwe Widmann, steht heute der Sichtschutz auf dem Plan. Klingt etwas unglamourös, für das Gesamtbild ist das jedoch ein elementarer Bestandteil. „Hinter dem Torbogen in der Mitte der Bühne versammeln sich die Schauspieler während des Stücks und warten auf ihren Einsatz“, erklärt Widmann. Das Publikum soll in diesem Fall keinen Blick hinter die Kulissen erhaschen, weshalb ein Teil des Weges mit Holzlatten verdeckt wird.
Diese sind rund drei Meter lang und waren – wie so vieles im Naturtheater – schon bei so einigen Stücken im Einsatz. Schnell spielt sich der Ablauf ein: Unser Außenstehender drückt ein Holzbrett an den Zaun, Uwe Widmann fixiert ihn, während Ersterer das Ganze mit ein paar Schrauben festmacht. Sitzt, hält, super. Nächstes, bitte.
„Der Raub der Sabinerinnen“: Jeep im Naturtheater Heidenheim
Auch beim Groben ist der Blick fürs Detail unerlässlich. „Schrauben sollte man zum Beispiel nicht auf dem Boden liegenlassen“, warnt Widmann. Denn für den „Raub der Sabinerinnen“ fährt hier unter anderem ein Jeep durch. Dessen Reifen vertragen sich erwartungsgemäß nicht sonderlich gut mit hinterlassenen Schrauben.
Während hinten der Sichtschutz Form annimmt, versucht sich der Rest des Bühnenbild-Teams im vorderen Teil an der Quadratur des Kreises. Jedes Jahr gilt es nämlich aufs Neue, eine Kulisse für zwei Stücke anzufertigen. Auf der einen Seite steht da für die „Sabinerinnen“ eine deutsche Kleinstadt in den frühen 1950er-Jahren, auf der anderen Seite wird für das Kinderstück „Hui Buh“ ein eher zeitloses Geisterschloss benötigt. „Die Herausforderung ist es, beide miteinander zu verbinden“, weiß Bühnenbau-Vorstand Dirk Steffens. „Generell ist das Bühnenbild aber eher auf das Erwachsenenstück ausgelegt.“

Die Grundgebäude sind mit Stahlträgern versehen. Sie bleiben in der Regel erhalten, ihre Front wird jedoch je nach Stück und Spielzeit angepasst. Das eher noble Wohnhaus des Gymnasialprofessors Gollwitz aus dem „Sabinerinnen“-Stück erhält neben knallgelben Fensterläden etwa einen eigenen kleinen Balkon. In die Breite ist das Bühnenbild beliebig veränderbar.
Wenige Meter vom Bühnenbau-Team entfernt wird fleißig an den unzähligen Requisiten gebastelt. 50 bis 150 Stück kommen pro Stück zum Einsatz, sagt Hardy Keppler. Er ist nicht nur einer der Regisseure von „Hui Buh“, sondern auch Leiter des Requisiten-Ressorts. Im Kinderstück finden sich die beiden Charaktere Tommy und Sophie vor einer Art Auskunftsschalter wieder, welcher ihnen auf Knopfdruck Informationen über die Geisterwelt liefert: Für die aktuelle Spukwetter-Vorhersage, drücken Sie bitte die Drei.
„Hui Buh“: Auskunftsschalter liefert Infos über Spukwetter
Jene Tasten gilt es, an diesem Samstag zusammenzubauen. Die bunten, magnetischen Plastikzahlen hat Hardy Keppler bereits organisiert. Damit diese zu Tasten werden, braucht es ein Holzbrett, eine Kreissäge und ein paar helfender Hände. In diesem Fall die Hände unseres „Zeitarbeiters“.
Fünf mal fünf Zentimeter große Holzflächen benötigt Keppler, zwölf Stück insgesamt. Klingt leicht, ist es aber nicht. Die Säge erweist sich als etwas ungestüm, das Holz als recht brüchig. Das Ergebnis: so lala. Dem verständlicherweise etwas kritischen Blick Hardy Kepplers ist abzulesen, dass hier zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal nachgearbeitet werden muss.

Als nächstes steht der Auskunftsschalter selbst auf dem Plan. Der wird während der Aufführung über die Hebebühne nach oben befördert, eine Geister-Rezeptionistin nimmt darin Platz. Damit diese einigermaßen bequem in den Schalter hineinkommt, braucht der eine Tür. Und dafür bedarf es: Scharniere. Die sind mit vergleichsweise wenigen Handgriffen angebracht. „Prototypen gibt es im Theater eigentlich nicht“, meint Hardy Keppler. Einen Teil der Requisiten könne man kaufen, etwa die Hälfte, schätzt er. Die andere Hälfte müsse man selber bauen. „Und am Ende sieht es dann eh anders aus als man es sich anfangs vorgestellt hat.“
Ob das Publikum die kleinen Holztasten am Auskunftsschalter letztlich überhaupt sehen wird? Vielleicht nicht. Aber sie sind da. Und das weiß zumindest das Requisiten-Team. Der Teufel steckt eben im Detail. Die Hingabe aber auch.