„Heroen“ war der Titel des Galakonzerts im Rahmen der Opernfestspiele am Sonntagabend im Festspielhaus, und es brachte nichts weniger als drei Heldinnen in den Fokus. Allen voran ist dabei Kristīne Balanas zu nennen, die lettische Violinistin, der der Ruf des Shootingstars der Szene, der atemberaubenden Virtuosität und des wilden, kühnen, dramatischen Spiels vorauseilt. Dass diese Beschreibungen keineswegs übertrieben sind, davon konnte sich das Publikum im Festspielhaus bei Schostakowitschs Violinkonzert Nr. 2 überzeugen.
Wild und ungezügelt, dramatisch und düster, immer ein bisschen schroff und spröde, macht es das Werk weder Zuhörern noch Musikern leicht. Kristīne Balanas parierte das alles glänzend und brachte dabei nicht nur ihre Virtuosität, sondern auch jede Menge Sensibilität ins Spiel. Sie verstand es, nicht nur Wärme und Tiefe in Schostakowitschs wilde Jagdpassagen zu legen und auch die feine Melancholie, die auch in den stürmischsten Passagen innewohnt, immer durchscheinen zu lassen. Das kühne Spiel, das der Geigerin mit dem ungewöhnlichen Werdegang – sie war schon Straßen- und auch Rockmusikerin – bescheinigt wird, hier kam es auf eine Weise zum Ausdruck, die tatsächlich den Atem rauben konnte. Diese Fertigkeiten und den damit bescherten exquisiten Genuss wusste das Publikum – sprödes Werk hin oder her – zu schätzen und gab begeistert und lange Applaus.
Unerwartetes und Explosives
Apropos wilde Jagd: Die hatte auch das Orchester zu liefern. Und damit wären wir bei Heldin Nummer Zwo: der Cappella Aquileia. Und sie lieferte abermals: Im großartigen Zusammenspiel mit der Solistin bewies sie wieder einmal mehr ihr Können und ihre Lust an Herausforderungen wie hier in diesem Schostakowitsch, in dem immer etwas Unerwartetes und Explosives zu lauern scheint. Flankiert wurde er von zweimal Beethoven: der Ouvertüre zur Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“ und der Sinfonie Nr. 5 – wuchtig also sowohl Auftakt als auch Schlusspunkt.
Während die Wucht in der Ouvertüre, donnergleich einsetzend, übergeht in eine geradezu federhafte Leichtigkeit, bleibt sie in der fünften Sinfonie durchgehend enthalten. Festspielleiter Marcus Bosch ließ die berühmte Schicksalssinfonie aber auch abgehen: Schon der erste Satz, den man doch meint, hinlänglich zu kennen, zeigte sich hier noch aufwühlender, noch packender, noch mitreißender als zumeist gespielt und er schärfte die Sinne für den Klassiker gänzlich neu. Die Lieblichkeit im zweiten Satz wurde ebenso fein aufgespürt und umgesetzt wie das Majestätische in den Allegri, die zudem eine Capella Aquileia erleben ließen, die so sacht und fein spielte, dass es fast nur noch zu erfühlen war.
Urteil der Konzertbesucher: „Höher als Bundesliga“
„Heidenheim kannte ich bisher nur vom Fußball“, hieß es von einem sichtlich beeindruckten auswärtigen Besucher, „aber bei diesem Orchester geht es nicht um Klassenerhalt, da geht es um den Titel, und das ist höher als Bundesliga“. Womit wir bei Heldin Nr. 3 wären: der Stadt Heidenheim. Denn das lässt doch aufhorchen, dass eine Stadt dieser Größe sich solche kulturellen Facetten leistet und diese auf weithin sichtbare Fahnen schreiben kann. Wo dann aber auch gleich daneben der Name Marcus Bosch stehen muss, auf den der immer weiter wachsende Ruf der Capella Aquileia und der Opernfestspiele zurückzuführen ist. Der Held also unter den Heldinnen dieses Galakonzerts, das am Ende fast niemanden mehr auf den Stühlen hielt: Im Stehen gab es langen, langen Applaus. Vielleicht war der Titel „Heroen“ aber auch im Zusammenhang mit dem Veranstaltungsdatum 20. Juli zu sehen – dann war es in Programm, Ausführenden und Umsetzung eine überaus angemessene Würdigung.
International gefragt
Kristīne Balanas machte nicht nur als Preisträgerin beim ARD-Musikwettbewerb auf sich aufmerksam. Zu ihren zahlreichen Erfolgen in den vergangenen Spielzeiten zählen ihr Debüt mit dem Royal Philharmonic Orchestra und Andris Poga in der Cadogan Hall, eine landesweite Tournee mit der Kremerata Baltica, Aufführungen des Brahms-Doppelkonzerts an der Seite ihrer Schwester Margarita mit dem Barcelona Symphony Orchestra im renommierten L'Auditori in Barcelona, Auftritte mit dem Saarländischen Staatsorchester und mit dem Orquesta Clasica Santa Cecilia. Außerdem trat Balanas in den vergangenen Jahren als Solistin unter anderem mit dem London Philharmonic Orchestra, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Orchestre de Chambre de Paris, dem RTÉ National Symphony Orchestra, der Camerata Jerusalem Israel und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin auf.