300 Kilogramm Amphetamin

Größtes Captagon-Labor Deutschlands: Heidenheimer wegen Drogenhandels vor Gericht

Bei einem spektakulären Drogenfund in Regensburg wurden 300 Kilogramm Amphetamin sichergestellt und zwei Männer verhaftet. Einer davon ist ein 52-jähriger Heidenheimer. Er muss sich nun zusammen mit einem 31-Jährigen vor dem Landgericht Ellwangen verantworten.

Es war ein gewaltiger Drogenfund, der dem Bundeskriminalamt (BKA) im Juli vergangenen Jahres gelang: In einer Autowerkstatt in Regensburg beschlagnahmten die Ermittler rund 300 Kilogramm Amphetamin. Im Zusammenhang mit dem Rauschgift, das in dem illegalen Drogenlabor zu Captagon-Tabletten verarbeitet wurde, nahmen die Beamten zwei Männer fest, die sich jetzt vor dem Landgericht Ellwangen verantworten müssen. Einer der beiden ist ein 52-jähriger Heidenheimer mit syrischer Staatsangehörigkeit, der andere Mann ist der 31-jährige Sohn des Autohändlers, auch er wurde in Aleppo geboren. Den beiden Männern wird gemeinschaftlicher Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen.

2,5 Tonnen Streckmittel für die Drogen

Die beiden Beschuldigten seien verhaftet worden, während sie in dem Drogenlabor an einer Tablettier-Maschine das Rauschgift verarbeiteten, teilte das BKA nach dem spektakulären Einsatz mit. Nach der Werkstatt wurden auch die Wohnungen der Beteiligten durchsucht, wo weiteres Amphetamin, aber auch 2,5 Tonnen Streckmittel gefunden wurden. Laut BKA hätten sich mit den Chemikalien rund drei Tonnen Amphetamin-Gemisch herstellen lassen. Ein dritter Beteiligter, womöglich auch der Haupttäter bei dem Drogenhandel, blieb bei der Verhandlung unter dem Vorsitzenden Richter Jochen Fleischer am Montagnachmittag ein Phantom: Der Werkstattinhaber und Vater des 31-jährigen Angeklagten hat sich dem Zugriff der Polizei entzogen und ist bis heute flüchtig.

Der 52-jährige Heidenheimer ließ von seinem Anwalt Dr. Markus Bessler gleich zu Beginn des Prozesses eine Erklärung vorlesen: Er gab an, den Vater des Mitangeklagten Anfang 2023 kennengelernt zu haben. „Ich habe mehrere Autos dort in der Werkstatt reparieren lassen“, so der Heidenheimer. Der Werkstattinhaber habe ihm erzählt, dass er nach Saudi-Arabien reisen wolle, um dort Kunden für Captagon-Tabletten zu finden. Der Mann habe ihn gefragt, ob er Kontakte in das Land habe. Tatsächlich hätte er einen Freund, der dort lebe, so der Angeklagte, jedoch habe sich aus diesem Kontakt nichts ergeben.

Selbst Captagon konsumiert

Der Werkstattinhaber habe schon zuvor mit Captagon gehandelt, habe es aber nicht selbst hergestellt. Dabei sei er von seinen Geschäftspartnern hereingelegt worden, berichtete der 52-Jährige. Nach der Reise, auf der er keine neuen Kunden gefunden habe, wollte der Regensburger wieder mit seinen früheren Kontakten zusammenarbeiten, die Tabletten diesmal aber selbst produzieren. Er selbst, so schilderte es der Angeklagte dem Gericht, habe auch Captagon konsumiert, das er von dem Inhaber des Autohandels bekommen habe.

Der Heidenheimer will dem verschwundenen Autohändler geholfen haben, die Ausstattung für die Herstellung der Tabletten zu bekommen. Er selbst habe aber kein Geld investiert und habe nur gehofft, seinen eigenen Konsum durch die Mithilfe finanzieren zu können. „Es waren seine Geschäfte, nicht meine“, so der 52-Jährige.

Zu den Ermittlungen gekommen war es nach Hinweisen, die über einen sogenannten Verbindungsbeamten aus der saudi-arabischen Hauptstadt Riad zum BKA kamen. Das Bundeskriminalamt entsendet Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ins Ausland, die nahezu weltweit eine Zusammenarbeit mit den Behörden vor Ort ermöglichen. Aus welcher saudi-arabischen Behörde ein Hinweis zu den deutschen Ermittlern kam, ist nicht bekannt, jedoch handelte es sich um Informationen darüber, dass rund zwei Millionen Captagon-Tabletten von dem 52-jährigen Heidenheimer nach Saudi-Arabien transportiert werden sollten.

Verdeckte Ermittlungen angeordnet

Die Staatsanwaltschaft Ellwangen, vor Gericht vertreten von Dr. Jürgen Herrmann, ordnete daraufhin verdeckte Ermittlungen an. Zunächst war man wohl davon ausgegangen, dass der Heidenheimer der zentrale Täter sei. Dessen Anwalt Dr. Bessler geht aber davon aus, dass aus Riad schon zuvor Informationen über den Regensburger Werkstattinhaber vorgelegen hätten. Er stellte deshalb den Antrag, den Verbindungsbeamten als Zeugen vorzuladen.

Burkhard Benecken, der Verteidiger des 31-jährigen Angeklagten, regte ein Verständigungsgespräch bezüglich seines Mandanten an. Die Ermittlungserkenntnisse beträfen überwiegend den 52-jährigen Heidenheimer, er legte nahe, dass sich der 31-Jährige nur der Beihilfe und nicht des gemeinschaftlichen Handels schuldig gemacht haben könnte.

Für den Prozess sind fünf weitere Verhandlungstage angesetzt, in denen mithilfe von sechs Zeugen und einem Sachverständigen geklärt werden soll, wer welche Rolle in den illegalen Geschäften gespielt hat und welche Strafen dies nach sich zieht.

Was ist Captagon?

Ursprünglich war Captagon als Medikament gedacht, um Krankheiten wie ADHS zu behandeln. Es basiert auf dem Wirkstoff Fenetyllin, der im Körper vor allem die Aufmerksamkeit steigert, allerdings stark abhängig macht. Er kann Depressionen, Angstzuständen und Halluzinationen auslösen. Captagon unterdrückt Müdigkeit, sowie die Gefühle von Angst oder Hunger und führt zu Euphorie. Es macht wach und wirkt ähnlich wie Speed oder Crystal Meth und ist in Deutschland seit 1986 verboten. Seit Jahren wird die Droge primär in illegalen Fabriken in Syrien und im Libanon hergestellt und in den arabischen Raum geschmuggelt. Das Milliarden-Business ist auch als "Dschihadisten-Droge" bekannt, hinter dem das Assad-Regime in Syrien stecken soll. Kämpfern, die in Kriegseinsätze geschickt werden, soll die Droge unter anderem als Aufputschmittel dienen.

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