Die Grabenstraße ist als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen. Höchstgeschwindigkeit: 20 Kilometer pro Stunde. Ab Montag, 18. August, gilt dort für die meisten Verkehrsteilnehmer Tempo null. Grund ist ein von der Stadtverwaltung initiierter Testlauf, der Aufschluss darüber geben soll, ob die Nord-Süd-Verbindung zwischen Brenzstraße und Wedelgraben zum weitestgehend verkehrsfreien Bestandteil einer großen Fußgängerzone umgestaltet werden kann. Dauern soll der Verkehrsversuch bis Ende Dezember. Anschließend ist die Grabenstraße wegen Sanierungs- und Belagarbeiten ohnehin gesperrt.
Warum findet der Versuch statt?
Anlieger, Busse, Taxen, Lieferverkehr und Nutzer von Behindertenparkplätzen dürfen bislang von beiden Seiten in die Grabenstraße einfahren. Nichts verloren hat dort jedoch der Durchgangsverkehr, der schlichtweg eine verbotene Abkürzung wählt. Was dem aufmerksamen und oft auch verärgerten Beobachter seit Langem auffällt, belegen die Ergebnisse einer Verkehrszählung vom 7. November 2024: Innerhalb von 24 Stunden waren neben 550 Fahrrädern auch 570 Pkw, 320 Busse und 140 Lieferfahrzeuge auf der Grabenstraße unterwegs.
Selbst wenn die Beweisführung schwierig ist, drängt sich der Eindruck auf, dass viele der Autofahrten unzulässig waren. Deshalb wie auch mit Blick auf den Abriss des Meeboldhauses in diesem Frühling und die Umgestaltung des gesamten Rathausumfeldes denkt die Verwaltung nun an ein generelles Durchfahrtsverbot auf der Grabenstraße.

Langfristig verspricht sie sich davon eine höhere Aufenthaltsqualität in der Innenstadt. Generell sollen zentrale Bereiche stärker auf den Fuß- und Radverkehr ausgerichtet werden, um den öffentlichen Raum lebenswerter zu gestalten: „Der Verkehrsversuch ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer attraktiven, lebendigen und zukunftsfähigen Innenstadt“, heißt es in einer Information des Rathauses.
Welche Ausnahmen gibt es?
Anlieger dürfen weiterhin in die Grabenstraße einfahren. Das gilt laut Stadtverwaltung analog zur Hauptstraße zwischen 18 und 11 Uhr auch für den Lieferverkehr und für Radfahrer, nicht jedoch für Taxen. Auch Busse müssen draußen bleiben. Bedeutet: Alle bisher dort verkehrenden Linien werden auf alternative Strecken verlegt, die um diesen zentralen Innenstadtbereich herumführen. Die betroffenen Verbindungen finden sich auf der Homepage der HVG unter hvg-bus.de. Rettungskräften ist die Zufahrt über die südliche Grabenstraße möglich. Mit ihnen ist im Rahmen der verkehrsrechtlichen Anordnung die bewegliche Absperrung am nördlichen Ende der Grabenstraße abgestimmt.
Was geschieht mit den Bushaltestellen?
Für die Flotten der Heidenheimer Verkehrsgesellschaft (HVG) und der Süddeutschen Verkehrslinien GmbH & Co. KG (SVL) stehen die Haltestellen gegenüber dem Rathaus und bei C&A an der August-Lösch-Straße mit Beginn des Fahrversuchs nicht mehr zur Verfügung. Um sie zu ersetzen, werden Ersatzhaltestellen eingerichtet. Sie befinden sich beim Johann-Matthäus-Voith-Platz beidseits der St.-Pöltener-Straße, an der Bahnhofstraße bei der Pauluskirche sowie an der Ploucquetstraße auf Höhe der Newporter Straße. Dorthin wird auch die Haltestelle verlegt, die sich aktuell an der St.-Pöltener-Straße vor der SBK-Geschäftsstelle befindet. Zudem wandert die D1-Haltestelle an der früheren Commerzbank zur Georges-Levillain-Anlage.
Welche Vorarbeiten sind nötig?
Am Donnerstagvormittag wurde damit begonnen, die Ersatzhaltestellen farblich zu markieren und durch Schilder zu kennzeichnen, überdies werden in einigen Bereichen noch Halteverbotsschilder aufgestellt. Vorgesehen ist der Stadtverwaltung zufolge außerdem, die Geradeausspur der Marienstraße vor der Einmündung in die Brenzstraße zu sperren, um das Einfahren in die Grabenstraße zu unterbinden. Diese wird während der Versuchsphase offiziell zur Fußgängerzone.

Was sagt die HVG?
HVG-Betriebsleiter Tobias Hoch sieht dem Versuch mit gemischten Gefühlen entgegen. Der Aufwand, die 55 Fahrerinnen und Fahrer zu schulen, sei bedeutend größer gewesen als bei üblichen, aufgrund von Baustellen regelmäßig erfolgenden Straßensperrungen. Trotz umfassender Vorbereitung dürften zeitliche Verschiebungen nicht zu umgehen sein: „Alle entstehenden Verzögerungen summieren sich über den Tag hinweg, und ob die Umstiege im innerstädtischen Rendezvous-Verkehr verlässlich eingehalten werden können, muss sich zeigen.“
An den Zeittakten der Fahrpläne hat die HVG im Vorfeld nichts verändert, „denn für die Stadt ist ja Ziel und Zweck des Versuchs, herauszufinden, welche Auswirkungen sich ergeben“, sagt Hoch. Zu spüren bekommen wird dies aus seiner Warte in erster Linie das Fahrpersonal: „Die Fahrerinnen und Fahrer kriegen es unmittelbar ab, wenn die Fahrgäste unzufrieden sind, weil es nicht so zuverlässig funktioniert wie gewohnt.“
Obendrein sei zu erwarten, dass aufgrund längerer Fahrten die Puffer- und Standzeiten „aufgefressen“ würden. Der Arbeitgeber sei jedoch verpflichtet, die Einhaltung der vorgeschriebenen Pausen zu überwachen und gegebenenfalls einzugreifen. „Im konkreten Fall könnte das bedeuten: stehenbleiben und mit neuem Personal weiterfahren. Aber das steht uns ja nicht beliebig zur Verfügung“, so Hoch.
Vorbehalte im Kreistag
Im Verwaltungsausschuss des Kreistags klagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Michael Sautter im Juli in Bezug auf die Sperrung der Grabenstraße, „ein noch größerer Blödsinn“ könne in der Stadt nicht betrieben werden. Das habe er, so Sautter, von etlichen Bürgerinnen und Bürgern gehört. Er appellierte an die Verantwortung des Landkreises für den ÖPNV. Landrat Peter Polta erwiderte, im Heidenheimer Gemeinderat würde er dazu die Diskussion eröffnen, der Kreistag sei aber das falsche Forum. Fragen des Busverkehrs seien zwischen Stadtverwaltung und HVG geklärt worden. Der CDU-Fraktionschef Bernhard Ilg fügte knapp hinzu, im Gemeinderat hätten die Grünen bei dieser Entscheidung „kräftig mitgestimmt“. je