Jugendhilfeetat 2026

Gesellschaftliche Krisen wirken sich auf Kinder im Landkreis Heidenheim aus

Die Sozialausgaben im Landkreis Heidenheim steigen 2026 moderat an. Doch hinter den Zahlen stehen Kinder und Familien: Steigende Fallzahlen, knappe Plätze in der Inobhutnahme und ein wachsender Fachkräftemangel prägen die Arbeit des Jugendamts.

Der Landkreis Heidenheim plant im Sozialbudget für 2026 mit einem Zuschussbedarf von rund 102 Millionen Euro. Das entspricht einem Plus von 3,6 Millionen Euro beziehungsweise 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresansatz. Trotz der deutlichen Summen spracht Sozialdezernent Matthias Schauz bei den Haushaltsberatungen im Jugendhilfeausschuss von einer im Vergleich zu anderen Bereichen moderaten Steigerung. Ein erheblicher Teil der Ausgaben wird durch Erstattungen von Bund und Land abgefedert. Diese Gegenfinanzierungen seien in den Nettozahlen allerdings nicht vollständig sichtbar.

Präventive Hilfe zahlt sich aus im Landkreis Heidenheim

Im Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe werden für 2026 Nettotransferaufwendungen von 28,71 Millionen Euro erwartet – ein Anstieg um 1,5 Millionen Euro. Entscheidende Entwicklungen ergeben sich bei den Hilfen zur Erziehung: Während die Gesamtfallzahlen sich zuletzt stabilisierten, stiegen die Fälle im Bereich der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche seit Jahren deutlich, so Schauz.

Landesweit steht der Landkreis weiterhin gut da und liege unter dem Durchschnitt bei stationären und erzieherischen Hilfen – trotz einer überdurchschnittlich belasteten Sozialstruktur. Eine wichtige Kennzahl ist laut Schauz die Inanspruchnahme aller Hilfen zur Erziehung je 1000 Einwohner. Der Landkreis Heidenheim liegt mit einem Wert von knapp 32 unter dem Landesdurchschnitt von 36 Hilfen je 1000 Einwohner. Gründe hierfür sieht die Verwaltung unter anderem in hohen Anteilen ambulanter Hilfen, einer stärkeren Vollzeitpflege sowie in präventiven Angeboten wie den frühen Hilfen.

Mehr Kindeswohlgefährdungen: Inobhutnahmen nehmen wieder zu

Sorge bereitet die Entwicklung bei der Kindeswohlgefährdung, also die Fälle, wo Kinder in ihren Familien nicht versorgt, Gewalt ausgesetzt oder vernachlässigt werden: Die Zahl der Verfahren zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdung durch das Jugendamt steigt. 386 waren es im Jahr 2024, und sie dürfte dieses Jahr einen ebenso hohen Wert erreichen. Im Oktober waren es schon 371 Fälle. Nicht immer muss das Jugendamt eingreifen. Laut Schauz stellten die Mitarbeitenden im Schnitt bei einem Drittel akute Gefährdungen fest, bei einem Drittel werde den Familien Hilfe angeboten und bei einem Drittel brauche es keinen weiteren Unterstützungsbedarf. Deutlich ist die Zunahme der Inobhutnahmen von Kindern. „Im Schnitt wird derzeit etwa ein Kind pro Woche in Obhut genommen.“

Die Unterbringung werde zunehmend zur Herausforderung. Die Plätze in drei Wohngruppen sowie die rund 20 Plätze in Bereitschaftspflegefamilien sind nahezu dauerhaft ausgelastet. Teilweise mussten bereits provisorische Lösungen gefunden werden. Auch verlängern sich die Verweildauern, da Anschlussunterbringungen fehlen – ein Trend, der bundesweit beobachtet wird. Besonders komplexe Fallkonstellationen erschweren zudem die Aufnahme in Regelgruppen.

Finanzdruck durch steigende Kosten und gesetzliche Ansprüche

Zu den wesentlichen Kostentreibern bei der Hilfe zur Erziehung gehören Tarifsteigerungen bei Einrichtungen und freien Trägern sowie Mehraufwendungen infolge gesetzlicher Änderungen, etwa durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG). Der Landkreis rechnet für 2026 mit weitgehend stabilen Fallzahlen, aber höheren Fallkosten.

Im Bereich Unterhaltsvorschuss sieht die Verwaltung hingegen eine Entlastung: Die Nettotransferaufwendungen sinken voraussichtlich um rund 600.000 Euro. Hintergrund sind stabile Fallzahlen und eine geplante Anhebung des Landesanteils auf künftig rund 73 Prozent.

Flucht, Not, psychische Belastungen wirken sich auch auf Kinder aus

Sozialdezernent Matthias Schauz verwies auf die komplexer werdenden Unterstützungsbedarfe: Pandemie-Folgen, Inflation, Wohnungsnot, Fluchtbewegungen und psychische Belastungen führten zu steigenden Ansprüchen an das Jugendamt. Zugleich gerieten andere Institutionen wie Schulen oder Kitas an ihre Grenzen – mit der Folge, dass Jugendhilfeleistungen häufiger einspringen müssen, etwa bei Schulbegleitungen und Integrationshilfen.

Die Situation wird durch fehlende Fachkräfte verschärft. Zwar konnten im Allgemeinen Sozialen Dienst zuletzt mehrere Stellen neu besetzt werden, doch in spezialisierten Bereichen wie der interdisziplinären Frühförderstelle bleibt die Lage angespannt.

Landrat Peter Polta: „Ein Tropfen auf den heißen Stein“

Mit Blick auf die jüngsten Finanzzusagen von Land und Bund zeigte sich Landrat Peter Polta skeptisch. Die beschlossenen Mittel – etwa Nachzahlungen für schulische Inklusion oder einmalige Beträge für Schulbegleitungen – seien ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Polta. Vor allem fehle eine Verstetigung der Förderungen.

Auch Kämmerer Eisele verwies darauf, dass ein Großteil der Entlastungen Einmaleffekte seien. Die strukturelle Lücke bleibe bestehen. Für 2026 könne der Landkreis zwar rund 670.000 Euro zusätzlich verbuchen, doch angesichts des Bedarfs sei dies „kein Betrag, der die Lage grundlegend verändert“. Mit einer Gegenstimme empfahl das Gremium dem Kreistag, dem Jugendhilfeetat 2026 zuzustimmen.

Diese Themen stehen für 2026 auf der Agenda

Für 2026 kündigte die Verwaltung weitere Berichte zur Lage der Kinder- und Jugendhilfe an. Besonders die angespannte Situation bei Inobhutnahmeplätzen und Pflegefamilien soll vertieft beraten werden. Zudem stehen Themen wie die Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes an Grundschulen oder der Jugendpsychiatrische Verbund weiterhin auf der Agenda.

Jugendhilfe: Ausgaben steigen moderat

Der Nettotransferaufwand in der Jugendhilfe zeigt, wie viel der Landkreis nach Abzug aller Erstattungen und Fördermittel von Bund und Land aus eigenen Mitteln zahlen muss. Er berechnet sich aus den Transferaufwendungen minus den Transfererträgen, also Einnahmen wie Schlüsselzuweisungen vom Land. Für 2026 steigt der Nettotransferaufwand in der Jugendhilfe von 27,7 auf 28,7 Millionen Euro. Allerdings, so der Hinweis von Schauz, sei hier nicht alles abgebildet. So fehlten einige Leistungen, wie etwa die Hilfen für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.

Die größten Einzelposten in der Jugendhilfe sind die Hilfen für junge Menschen und ihre Familien mit knapp 20 Millionen Euro, 4,3 Millionen Euro für Tageseinrichtungen und Kindertagespflege, knapp 3 Millionen Euro für den Unterhaltsvorschuss und 1,7 Millionen Euro für die allgemeine Förderung junger Menschen.